Argumentationstraining gegen Stammtischparolen

Trau dich und sag was!

Stopp-Signal gegen platte Sprüche

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Manchmal braucht es das Signal: Stopp! Was du sagst, ist nicht okay!

Was tun gegen Stammtischparolen? Ein Trainer aus der Katholischen Erwachsenenbildung erzählt, wie er Menschen beibringt, rassistische und frauenfeindliche Sprüche zu kontern. Und eine Teilnehmerin berichtet, was sie dabei gelernt hat und wie ihr das im Alltag hilft.

Die drei auf der einen Seite des Tisches kriegen kein Wort raus. Die drei auf der anderen Seite des Tisches schon: Sie feuern mit Worten auf Geflüchtete; die seien alle zu faul, sich für ihr Land zu engagieren, wollten in Deutschland nur das Sozialsystem ausnutzen, unterdrückten alle ihre Frauen. Und die Araber lebten ja eh nur in Clans. Wobei: Dort seien die Männer wenigstens noch Herr im Haus. Hierzulande widersprächen die Frauen ja immer. Sie sollten sich doch besser um den Haushalt kümmern. 

Rassistische, frauenfeindliche und homophobe Sätze folgen schnell aufeinander. Die Redner genießen ihre Sprüche, befeuern sich gegenseitig und haben sich scheinbar in kurzer Zeit miteinander verbündet. 

Die drei Personen gegenüber wollen widersprechen, können aber nicht. Sie wirken hilflos, ohnmächtig und isoliert. Ihnen fehlen die Worte. „Das Problem bei Stammtischparolen ist ja, dass es eine gefühlte Zustimmung gibt, wenn niemand widerspricht. Was unwidersprochen im Raum steht, scheint Gültigkeit zu haben“, sagt Mathias Kühne (46). 

Matthias Kühne
Matthias Kühne. Foto: privat

Die sechs Personen sind Teil eines Spiels, mit dem der Referent bei der Katholischen Erwachsenenbildung in Sachsen-Anhalt seine Trainings gegen Stammtischparolen beginnt. Er bittet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich in Rollen hineinzuversetzen: Der eine Teil der Gruppe tritt mit Stammtischparolen auf, der andere Teil versucht, dagegen zu argumentieren. Obwohl die Sprücheklopfer nicht in der Mehrheit sind, dominieren sie meist. 

Das hat auch Ranna El Moussaoui so erlebt. Die 26-jährige Studentin hat bei der Katholischen Erwachsenenbildung in Osnabrück an einem Argumentationstraining teilgenommen. Dort habe sie „gelernt, wie leicht es ist, solche Parolen einfach rauszuhauen und immer wieder noch mit einer neuen Parole zu antworten“, sagt sie. 

Im Alltag ist sie selbst oft von Stammtischgerede betroffen. Menschen behaupten ihr gegenüber beispielsweise, dass Ausländer ja kriminell seien – und beteuerten dann: „Du bist aber nicht so, du bist eine Ausnahme.“ Diese Äußerungen verletzen nicht nur sie selbst. „Ich werde selbst als positives Beispiel genannt, während andere Menschen diskriminiert werden“, erklärt El Moussaoui. Und meint damit Menschen wie ihren Vater, der aus dem Libanon stammt und Deutsch mit Akzent spricht. 

Früher hat sie versucht, sich zu rechtfertigen und zu erklären, dass Ausländer nicht kriminell sind. Doch sie habe sich in solchen Situationen „immer ein bisschen hilflos gefühlt“, sagt sie. Deshalb wollte sie die Schulung mitmachen: „Ich wollte schauen, ob es da ein paar Tricks gibt, dieser Hilfslosigkeit und dieser Starre zu entkommen.“ 

„Man kann nun auch für andere einstehen“

Im Kurs hat sie gelernt, Menschen mit Parolen aktiv entgegenzutreten, statt sich nur zu verteidigen. Wenn eine Person behauptet, dass Ausländer kriminell seien, fragt sie nun: „Woher hast du diese Information?“ El Moussaoui erklärt: „Wenn man nachfragt, ist man nicht mehr in der Defensive.“ Und die Person gegenüber merkt, dass sie es sich mit ihrer pauschalen Behauptung zu leicht gemacht hat.

Der nächste Schritt im Umgang mit Stammtischparolen besteht für Argumentationstrainer Kühne in einem Faktencheck. Nachdem er gehört hat, auf welche Quellen sich sein Gegenüber beruft, fragt er: „Was hältst du davon, wenn wir mal schauen, was andere Quellen dazu sagen?“ Wenn die Person einwilligt, ist das für Kühne ein Signal, dass sie bereit ist, ihr Weltbild zu hinterfragen. Wenn nicht, erklärt er ihr, warum er die Sache anders sieht. Und fragt schließlich, was sie mit ihrer Äußerung bezwecken wollte.  

Was aber, wenn man nicht viel Zeit hat, andere Quellen hinzuzuziehen? „Das ist eine Übungssache“, sagt El Moussaoui. Je mehr man über Rechtspopulismus weiß, desto leichter falle es, spontan zu antworten. Aber man müsse nicht jeden vom Gegenteil überzeugen: „Manchmal reicht es zu sagen: Ich finde, das stimmt so nicht. Oder: Das ist ein bisschen leicht gesagt, findest du nicht auch?“

Aus Kühnes Sicht kommt es bei Parolen darauf an, dass „eine Person anfängt und darauf aufmerksam macht, dass das Gesagte so nicht stimmt“. Klar koste es Mut, sich einzumischen. Aber wie viele Menschen erinnere er sich „auch an die Situationen, in denen ich gerne etwas gesagt hätte, mich aber nicht getraut habe“. Aufzustehen und etwas zu sagen, mache „auf jeden Fall im Nachhinein ein besseres Gefühl, als nicht reagiert zu haben“.

El Moussaoui empfindet es als „stärkendes Gefühl, wenn man weiß, dass man nicht still bleiben muss, sondern dass man reagieren kann“. Sie sagt: „Man kann nun auch für andere Menschen einstehen, gegen die diese Parolen gerichtet sind.“

Barbara Dreiling

Zur Person:

Mathias Kühne (46) ist Referent bei der Katholischen Erwachsenenbildung in Sachsen-Anhalt und bietet Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen an. Er rät Menschen, meinungsstarke Lautsprecher zu fragen, auf welche Quellen sie sich berufen.