Über Pakutuvėnai nach Kiew
Auch die Litauische Gemeinde in Hamburg organisiert Spenden für die Ukrainer. Pater Gediminas Numgaudis sorgt dafür, dass sie über einen ökumenischen Rettungsdienst an Bedürftige verteilt werden.
„Wenn der Krieg einmal zuende ist, werden viele Ukrainer in ihr Land zurückkehren wollen. Darauf muss sich die Kirche vorbereiten“, sagt Gediminas Numgaudis gegen Schluss des Gesprächs. Der Pater ist für ein paar Tage vom Franziskanerkloster im litauischen Kretinga nach Hamburg gekommen, um hier die Litauische Mission zu besuchen. Auch dort sind viele wegen des russischen Angriffskrieges beunruhigt, der noch näher an ihrem Herkunftsland tobt. Der Satz zeigt zugleich: Pater Gediminas denkt, es wird einen Frieden geben und die Ukraine wird weiter bestehen. „Aber es wird dann dort viele verletzte Soldaten geben und viele Menschen, die kein Zuhause und keine Familie mehr haben.“ Ihnen zu helfen, werde dann auch Aufgabe der katholischen Kirche sein, so der Franziskaner.
Momentan sorgt Bruder Gediminas vor allem noch für materielle Unterstützung der Ukrainer – auch mithilfe der litauischen Gemeinde in Hamburg. Sie sammelte Schlafsäcke und Winterkleidung und finanzierte einen Kleinbus mit, mit dem die Sachen dann zunächst nach Litauen gebracht werden, und zwar in den Weiler Pakutuvėnai. Auch dort werden Hilfsgüter gesammelt und dann nach Kiew transportiert. „Die Fahrer spüren die Gottesnähe, wenn sie dabei ihr Leben riskieren“, berichtet Pater Gediminas.
In der ukranischen Hauptstadt werden die Sachspenden von einem ökumenischen Rettungsdienst verteilt. Ihm gehören laut Pater Gediminas die griechisch-katholische Kirche der Ukraine, die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die evangelische Kirche und messianische Juden an. Unter anderem kamen aus Litauen auch rund 160 Öfen, die Ukrainern über den Winter helfen sollten. Hergestellt wurden sie ebenfalls in Pakutuvėnai, das rund 60 Autominuten östlich der litauischen Hauptstadt Klaipèda und 30 Kilometer entfernt von Kretinga liegt. Der letzte Teil der Strecke führt über Sandpisten.
Litauer schmiedeten Öfen für die Ukrainer
Pakutuvėnai ist kein gewöhnliches Dorf. Es ist vielmehr auch ein seelsorgerisches Projekt von Pater Gediminas. Denn dort leben viele junge Menschen, die beispielsweise durch Alkohol und Drogen aus der Bahn geworfen wurden und nun wieder in ein geregeltes Leben zurückfinden wollen. Und das Dorf wieder aufbauen. Denn es war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs von der Sowjetarmee vernichtet worden. Alle 400 Einwohner seien deportiert worden, berichtet Pater Gediminas. Aber aus Dankbarkeit darüber, dass das nahegelegene Städchen Plungė verschont geblieben sei, hätten bis 1943 Menschen aus der Umgebung dort eine Kirche errichtet, in deren Nähe nun die einfachen Häuser der neuen Einwohner gebaut worden seien.
„Ein Dorfbewohner hatte eine Firma für Metallverarbeitung“, berichtet der Franziskanerpater. Der sei auf die Idee gekommen, aus Resten Öfen zu schmieden. „Es haben dann auch viele geholfen, die sich mit Metallverarbeitung nicht auskannten. Die haben aber trotzdem gute Arbeiten zustandegebracht.“ Offenbar tut es auch Hilfesuchenden gut, wenn sie selbst helfen können.
Dann äußert der 58-Jährige noch eine Befürchtung, die so manchen in Deutschland erstaunen dürfte: „Ich habe die Sorge, in Russland könnte bald ein Bürgerkrieg ausbrechen, der eine Hungersnot nach sich zieht.“ Dann könnten von dort viele Menschen fliehen, unter anderem nach Litauen. „Auch dann müssen wir unsere Güte und Spendenbereitschaft erhalten.“
VON MATTHIAS SCHATZ