Anstoß 35/22

Und sie lohnt sich doch

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Die Sommerferien sind vorbei. Ich denke gern an lange Wanderungen durch die Berge zurück, an faule Nachmittage am Badesee und an eine erlebnisreiche Kinderwoche zusammen mit der Nachbargemeinde.


Neben vielen schönen Erlebnissen gab es eine Begegnung, die mir bis heute schwer im Magen liegt. Ich hatte eine Trauung in einer Gemeinde, in der ich einmal Kaplan war. Während ich auf das Brautpaar wartete, kamen Touristen. Die Tochter lief an mir vorbei und warf einen kurzen Blick in die Kirche. Keine fünf Sekunden später kam sie zurück und rief ihrer Mutter zu: „Lohnt sich nicht.“ Die beiden drehten um und gingen.
Ein Blick hat gereicht. Ich glaube, damit vergibt die junge Frau sich und ihrer Mutter viel. Ich kenne diese Kirche und weiß, sie hat einiges zu bieten. Aber das werden die beiden nie erfahren.
Das gilt auch im übertragenden Sinn. Viele glauben, die Kirche lohne sich nicht mehr. Ich glaube, sie lohnt sich doch. Aber um das zu erkennen, reicht ein kurzer Blick nicht aus. Was im Gottesdienst gefeiert wird, versteht man nicht, weil man zufällig einmal in einem Gottesdienst gesessen hat. Was die Botschaft Jesu ist, weiß man nicht, weil man irgendein Jesuswort aufgeschnappt hat. Was Menschen in der Kirche machen, kann man nicht beurteilen, weil man ein paar Zeitungsartikel gelesen hat.
Ich weiß, dass es mitten in der Kirche viel Unrat gibt. Es gibt Menschen, um es mit den Worten Jesu zu sagen, die aus der Kirche eine Räuberhöhle machen. (Markus 11,17) Aber es gibt viele andere, die durch ihr Leben zeigen, was Kirche sein kann. Wer aber meint, nach einem kurzen Blick mit der Kirche fertig zu sein, wird das nie erfahren. Ich kann auch einen Menschen nicht beurteilen, nur weil ich ihn ein paar Sekunden gesehen habe.

Für mich sind die Kirche Menschen, die sich von Jesus und seiner Botschaft ansprechen lassen. Die eine Beziehung zu Gott pflegen und dabei nicht nur an sich selbst denken. Die sich mit Hand und Fuß für das Reich Gottes einsetzen und auf diese Weise unendlich viel für unsere Gesellschaft leisten.
 
Pfarrer Marko Dutzschke, Lübbenau