Chemnitz wird „Kulturhauptstadt Europas“ – Christen arbeiten mit
Ungesehenes sichtbar machen
Gemeinsam mit ihren Glaubensgeschwistern möchten die Chemnitzer Katholiken in der Alltagskultur noch sichtbarer werden, wie hier die Pfarrei Heilige Mutter Teresa bei der diesjährigen Fronleichnamsfeier in der Markersdorfer Oase im Neubaugebiet Fritz Heckert. Foto: Janine Weigel / Koinonia Johannes der Täufer |
Kulturhauptstadt Europas 2025. Ausgerechnet Chemnitz, eine Stadt, die vielen vor allem für ihre Industrie-Tradition bekannt sein dürfte – und zumindest in Teilen auch so aussieht. Doch genau das ist die Idee der von der Europäischen Union vorgenommenen (und mit Fördermitteln in
Millionenhöhe prämierten) Auszeichnung als Kulturhauptstadt Europas: Die Bevölkerung von Stadt und Region soll angeregt werden, noch mehr schlummerndes kulturelles Potenzial zu erschließen oder bereits Bekanntes neu zu entdecken. Kurz gesagt: Der Weg ist das Ziel. Mit dabei ist auch die Kirche, genauer gesagt: die Kirchen, denn es geht nur mit ökumenischer Zusammenarbeit, sind sie sich in Chemnitz einig.
Christliche Kultur ist Bereicherung für alle
„Als Christen sind wir in der Minderheit. Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, erreichen wir niemanden“, sagt Pfarrer Benno Schäffel von der Pfarrei Heilige Mutter Teresa, zugleich Propst von Chemnitz. So haben sich katholische, evangelische und freikirchliche Christen zusammengefunden, treten in der Öffentlichkeit als „Kulturkirche 2025“ auf. Als Motto haben sie den Kampagnentitel „C – the Unseen“ aufgegriffen. „Der Buchstabe C steht einerseits für Chemnitz“, erklärt der Pfarrer, „andererseits aber auch für das englische Verb ‚See‘, auf Deutsch übersetzt ‚sehen‘. Es geht also darum, das bisher Ungesehene, Unentdeckte zu entdecken und sichtbar zu machen.“ Das passe perfekt zur Situation von Kirche in der ostdeutschen Diaspora.
Drei Arbeitsschwerpunkte haben die Chemnitzer Christen formuliert. Erstens: neu sehen lernen, was schon da ist – nicht nur, aber auch in Hinblick auf die säkulare geprägte Mehrheitbevölkerung. Die dreiteilige, von katholischer Seite organisierte Vortragsreihe zum Thema „Engel“ von September bis November ist so ein Ansatz. „Das Engelmotiv ist allen Religionsgemeinschaften vertraut und auch denen bekannt, die sich keiner Religion verbunden fühlen“, heißt es in dem Informationsflyer. So sollen die Gottesdiener in jedem Vortrag aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden – so, dass alle etwas mitnehmen können: Christen, Juden, Muslime und Nicht-Gläubige.
„Die zweite Perspektive“, so Pfarrer Schäffel, „besteht darin, zu schauen, was wir den Menschen mit unserer reichen Tradition an heilsamer Lebenskultur bieten können.“ Auch deshalb unterstützt er das Vorhaben der evangelischen Glaubensgeschwister, ein „Nagelkreuzzentrum“ in Chemnitz einzurichten. „Das Nagelkreuz von Coventry ist aus drei Zimmermannsnägeln zusammengesetzt, die 1940 nach der verheerenden Bombennacht in der zerstörten Kathedrale von Coventry gefunden wurden“, erklärt der evangelische Pfarrer Stephan Tischendorf.
Wie Coventry und viele andere Städte auch sei Chemnitz vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet. Und selbst die nachfolgenden Generationen seien noch nicht ganz „fertig“ mit dem, was passiert sei. „Das Nagelkreuz, verbunden mit dem Gebetsruf ‚Father forgive‘ (‚Vater vergib‘), ist zum Zeichen einer weltweiten geistlichen Gemeinschaft geworden, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzt“, so Pfarrer Tischendorf, der sich über weitere Mitmachwillige aus der Ökumene freut.
Schillernde Ideen dank Ökumene
Apropos: Sichtbar wird die Ökumene auch durch manche Projektidee. Der freikirchlichen Heilsarmee Chemnitz etwa schwebt eine Art christliche „Loveparade“ vor: LKWs mit Lautsprechern rollen im Schritttempo durch die Stadt. Auf den Ladeflächen spielen Musikbands christliche Musik. Begleitet wird der Umzug von Chemnitzer Christen und allen, die singen, tanzen oder einfach nur lauschen wollen. „Je größer die ökumenische Gemeinschaft, desto mehr werden die unterschiedlichen Auslebungen des Glaubens sichtbar“, sagt Katholik Benno Schäffel. „Aber genau dieses Bunte wollen wir auch, das zeichnet Kirche aus.“
Und der dritte Ansatz? „Viele Menschen, auch in Chemnitz, haben das Gefühl, für ihre Anliegen nur wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. So wenig, dass sie sich resigniert zurückgezogen haben.“ Auch diese Menschen, so der Chemnitzer Propst, müsse Kirche mehr in den Blick nehmen, wolle sie ihrem diakonischen Auftrag nachkommen.
Infos unter: kulturkirche2025.de
(schi)