Queersensible Pastoral im Bistum Mainz

„Viel sichtbarer geworden“

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Regenbogenfarbe
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Foto: adobe stock / graja

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Die Regenbogenfarben sind zum Zeichen der Solidarität mit queeren Menschen geworden.

Seit einem Jahr gibt es die queersensible Pastoral im Bistum Mainz. Die beiden Seelsorgenden Christine Schardt und Mathias Berger sagen, was sich seitdem getan hat, auch bei den Segensfeiern für homosexuelle Paare.


Ein Anstecker in Regenbogenfarben oder eine ebensolche bunte Fahne, sie sind zum Symbol der Solidarität und ein Zeichen gegen Diskriminierung von queeren Menschen geworden. Queer, so bezeichnen sich Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sowie weitere queere Gruppen (LGBT+). „Diese Zeichen werden wahrgenommen und signalisieren unsere Ansprechbarkeit“, sagt Pfarrer Mathias Berger. Er und Pastoralreferentin Christine Schardt bauen seit einem Jahr unter dem Namen „QueerInChurch“ die queersensible Pastoral im Bistum Mainz auf. Sie sind dabei, Anlaufstellen für queere Menschen zu schaffen und innerhalb der diözesanen Strukturen eine Sensibilität für die Anliegen queerer Menschen zu fördern.  
Eine Kirche, die offen ist für alle: Mit dieser Forderung scheint man heute offene Türen einzurennen. Aber allein mit Blick auf die Geschichte von Gesellschaft und Kirche ist festzustellen, dass viel Leid geschehen ist, betonen Schardt und Berger. Christine Schardt erinnert an die Verfolgung von Homosexuellen während der NS-Zeit.  


„Es gibt noch so viel mehr dazwischen“


Was die Beziehung der Kirche zu queeren Menschen betrifft, „gibt es eine Schuldgeschichte der Institution“, erläutert Pfarrer Berger. „Die katholische Morallehre hat viel Unheil angerichtet. Durch das Naturrechtsprinzip gibt sie Heteronormativität vor“, Mann und Frau als Norm. Berger berichtet: „Menschen fragen mich, ob denn das alles nicht mehr gelte, was die katholische Morallehre von den zwei Geschlechtern sagt. Ich antworte: Doch, aber es gibt noch so viel mehr dazwischen.“ Wenn etwa in der Bibel das Buch Genesis von Tag und Nacht spricht, heiße das ja auch nicht, dass die Dämmerung nicht existiert, argumentiert er. Menschen würden durch diese binäre Sichtweise in Kategorien einsortiert. „Dieses Denken haben Menschen verinnerlicht, das steckt nicht nur in unseren Köpfen, sondern äußerte sich vor allem auch in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg in konkreten Maßnahmen.“ Schardt ergänzt: „Das ging bis zu Konversionstherapien, die inzwischen verboten sind.“ Nicht selten haben queere Menschen psychische und körperliche Gewalt erfahren.
Eine der seelsorglichen Aufgaben ist es, erst einmal wach für queeres Leben zu sein, sagt Christine Schardt. „Es gibt so viele Geschichten, die nicht erzählt werden“, weiß sie. Sensibilität für das Thema sei unter anderem in der Seelsorge in Altenheimen, in Kliniken oder auch bei Trauerfeiern erforderlich. „Was ist, wenn da plötzlich jemand am Grab steht, der nicht zum klassischen Kontext gehört?“, fragt Pfarrer Berger. In der kirchlichen Arbeit gebe es viele Anlässe, queersensibel zu sein. Daher sprechen die beiden auch von einem „dringend notwendigen Querschnittsthema“.
Im Gespräch mit „Glaube und Leben“ vor einem Jahr äußerte Mathias Berger den Wunsch, dass das Thema in der ganzen Kirche zur Normalität wird. Auf die Frage nach einer Zwischenbilanz antwortet er: „Es ist einiges passiert, auf jeden Fall. Nach langem Stau in relativ kurzer Zeit“, aber es gebe auch noch viel Luft nach oben. „Nicht nur durch unsere Arbeit hat sich viel getan, sondern auch durch die gesamte Entwicklung, etwa durch das neue Arbeitsrecht im Bistum.“ Queerness sei in der Kirche viel sichtbarer geworden, etwa beim Auftritt des Bistums beim Hessentag, durch Gottesdienste oder aktuell durch die Queere Woche in der Bistumsakademie Erbacher Hof. 


Netzwerk mit 25 Hauptamtlichen


Auch Christine Schardt erkennt „eine große Dynamik“ in den vergangenen zwei Jahren, „aber auch starken Gegenwind“. Mit der Anfang 2022 gestarteten Initiative „OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst“, die medial Aufsehen erregt hat, „ist das Thema in unserer Mitte angekommen“, sagt die Pastoralreferentin, die an der Initiative von Kirchenmitarbeitenden teilgenommen hat. 
Christine Schardt und Mathias Berger freuen sich über ein Netzwerk von 25 Hauptamtlichen in der Seelsorge und der Geistlichen Begleitung, das sich durch ihre Arbeit entwickelt hat. Darüber hinaus gibt es einen „Runden Tisch“. Und auch bei den Segensfeiern für homosexuelle Paare hat sich etwas getan. Berger: „Ich bin gefragt worden, ob unser Bischof wirklich zu dem Thema steht, und ich kann sagen: Es können ruhigen Herzens Segensfeiern für queere Menschen angeboten werden.“

Der nächste „Ökumenische Regenbogen-G*ttesdienst“ mit dem Titel „Coming Out“ findet am 8. Oktober 2023 in der Altmünsterkirche, Münsterstraße 25, in Mainz statt. Beginn ist um 17 Uhr.

Anja Weiffen