Jolanthe Erbrich verbringt ein Jahr bei den Dominikanerinnen in Lettland
Von der Schulbank nach Riga
Jolanthe Erbrich zeigt die Fahne ihres Gastlandes Lettland. Foto: Bonifatiuswerk / Simon Helmers |
Vier Wochen lang hat es in Riga immer wieder geschneit, doch kurz vor Weihnachten ist alles in Regen übergegangen. „Schade, ich fand das ganz cool und hatte schon auf weiße Weihnachten gehofft“, erzählt Jolanthe Erbrich. Die junge Frau aus der Nähe von Magdeburg hat diesmal ihr erstes Weihnachtsfest dort verbracht – zum ersten Mal ohne die Familie. Im August ging es für sie direkt nach dem Abitur für mehrere Monate nach Riga, die Hauptstadt Lettlands. Mindestens bis März nimmt sie am „Praktikum im Norden“ des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken teil. Jungen Menschen ermöglicht das Diaspora-Hilfswerk auf diese Weise, die katholische Kirche in Nordeuropa kennenzulernen – in Skandinavien, Island oder dem Baltikum.
Lieber Baltikum als Afrika
Drei Länder hatte Jolanthe auf der Liste – neben Lettland auch das Nachbarland Estland sowie Island. Eigentlich wollte sie zunächst ganz woanders hin – nämlich nach Afrika. „Ich wollte erstmal rauskommen, etwas erleben“, erzählt sie. „Ich hatte das Gefühl, ich wollte was machen irgendwo in der Welt.“ Doch wegen der Corona-Pandemie und der großen Entfernung sollte das Ziel dann doch nicht so weit weg sein. Ihr Vater machte sie schließlich auf das Angebot des Bonifatiuswerks aufmerksam – und ihre Bewerbung war erfolgreich.
Im Sommer ging es dann mit ihrer Familie nach Riga zu den Dominikanerinnen von Bethanien. Das Kloster am Rande der Metropole ist seitdem Jolanthes Wohnort. Die Ordensschwestern sind vor allem in sozialen Projekten engagiert, kümmern sich um Menschen mit Behinderungen oder sozial Bedürftige.
Das prägt auch die Arbeit von Jolanthe Erbrich. An drei Einsatzstellen hilft sie mit, wechselt mehrmals die Woche ihren Arbeitsort. Zum einen hilft sie in einer Kerzenwerkstatt für behinderte Menschen. Alles, was die dort betreuten Personen nicht selbst machen können, zum Beispiel die fertigen Kerzen verpacken, ist ihre Aufgabe. Dienstags und donnerstags arbeitet sie in einem Autismuszentrum, bietet dort beispielsweise einen Kochkurs an. In der katholischen Schule kümmert sie sich schließlich um die Nachmittagsbetreuung, hilft bei der Unterrichtsvorbereitung oder in der Schulbibliothek.
Und nach mehreren Monaten vor Ort ist sie überzeugt: Es gefällt ihr in Lettland. „Ich habe schon früh gesagt, das ist mein zweites Zuhause“, sagt Jolanthe im Gespräch. Auch deswegen wollen sie und ihre Mitpraktikantin Martha ihr Praktikum nach Möglichkeit bis spätestens Anfang Juli verlängern. So möchten die beiden nicht nur das Mittsommerfest miterleben, sondern auch ein großes Chorfestival, das im Sommer in einem Stadion in Riga stattfindet und bei dem rund 2000 Menschen gemeinsam singen.
Jolanthe Erbrich arbeitet auch in der Kerzenwerkstatt. Foto: Privat |
Das erste Weihnachten ohne die Eltern
Auch die vergangenen Wochen gehörten für die junge Frau zu den besonderen Momenten während des Praktikums: Advent und Weihnachten erstmals ohne die Eltern und in einer anderen Kultur. Die Feiertage hat sie mit den Schwestern und der Mitpraktikantin verbracht. „Ich wollte mal schauen, wie das so ist – was ich von Weihnachten mitnehme, wenn ich alleine feiere“, sagt Jolanthe. Und sie hat bereits festgestellt, dass trotz vieler Gemeinsamkeiten die Traditionen rund um das Christfest ein wenig anders sind. „Ich vermisse die gebrannten Mandeln auf den Weihnachtsmärkten, welche hier überhaupt viel kleiner sind als in Deutschland“, erzählt sie von ihren Eindrücken. Und ein Nikolausfest oder Plätzchenbacken gebe es hier auch nicht, dafür isst man in Lettland traditionell Pfefferkuchen.
Zu Silvester ging es dann allerdings doch noch raus aus Lettland – allerdings nicht nach Hause, sondern nach Malta. Denn in der internationalen katholischen Gemeinde, in der sie regelmäßig die Messe mitfeiert, hat sie eine maltesische Schwester kennengelernt. „Hier in der Gemeinde ist es wirklich sehr schön wegen der verschiedenen Kulturen“, erzählt Jolanthe. „Meine liebste Stelle ist der Friedensgruß, den macht jeder irgendwie anders – manche verbeugen sich, andere reichen dir die Hand, andere umarmen sich.“
Mit diesen Eindrücken wird die junge Praktikantin vermutlich im Sommer dieses Jahres wieder nach Deutschland zurückkehren und im Anschluss Soziale Arbeit oder Grundschullehramt studieren. „Dieser Berufswunsch hat sich durch meine Arbeit hier gefestigt – die Arbeit in der Schule genieße ich sehr“, ist Jolanthe überzeugt.
Von Oliver Gierens