Pilgerweg der Soldaten nach Wechselburg

Weltfremd – auf den ersten Blick

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Katholisch waren nur wenige der 100 Frauen und Männer beim Pilgerweg der Soldaten nach Wechselburg. Viele waren zum wiederholten Mal dabei, angezogen von der Aussicht, in wohltuender Gemeinschaft Kraft zu schöpfen.

Am Schloss Rochlitz begann der rund acht Kilometer weite Pilgerweg zum Kloster Wechselburg. Die Pilgergruppe führte ein Banner der Katholischen Militärseelsorge mit sich. | Fotos: Dorothee Wanzek



In aller Herrgottsfrühe – um 3.30 Uhr – hatte der Tag für die am weitesten gereisten Pilger begonnen. Von Vorpommern bis in den Thüringer Wald reicht der Einzugsbereich des Militärdekanates Berlin, das zum 14. Mal zur Soldatenwallfahrt nach Wechselburg eingeladen hatte. Das frühe Aufstehen sollte nicht die einzige Zumutung bleiben, die der stellvertretende Militärdekan Stephan Lorek für seine Mitpilger parat hatte. 
Während der in goldenes Herbstlicht getauchte Pilgerweg entlang der Mulde den durch regelmäßige „Leistungsmärsche“ Gestählten vollkommen harmlos vorkam, hatten es die Impulse, mit denen der Militärdekan die Wegetappen eröffnete, in sich. Liebet eure Feinde! Selig die Sanftmütigen, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden! Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe! Nehmt kein Gepäck mit!
Solcherlei biblische Ratschläge mögen schon „Normalbürgern“ weltfremd erscheinen, umso provokanter müssen sie auf Soldatinnen und Soldaten wirken, die dafür ausgebildet sind, Feinde des Landes mit Waffengewalt abzuwehren. „Schieben Sie diese befremdlichen Gedanken nicht sofort beiseite. Nehmen Sie sich wenigstens einige Augenblicke, um sie auf sich wirken zu lassen, sie für sich in Betracht zu ziehen“, bat Stephan Lorek. 400 Jahre nach Ausbruch des 30-jährigen Krieges und 100 Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkrieges sei es angebracht, über die Zerstörungskraft von Gewalt-Kreisläufen nachzudenken.

Der zweite Blick zielt auf das Eigentliche
Die Denkanstöße aus der Bibel werfen Licht in unterschiedliche Lebensbereiche, machte der Seelsorger deutlich. Beispielsweise können sie Soldaten inspirieren, die Kameradschaft in ihrer Einheit zu fördern, sie können hilfreich sein im Spannungsfeld zwischen Befehlsstrukturen und Gewissen, und nicht zuletzt können sie sich auf das Zusammenleben der Soldaten in Partnerschaft und Familie auswirken.
Sinnvoll erscheinen die weltfremd scheinenden Weisheiten der Bibel erst, wenn man sie auf dem Horizont der Ewigkeit betrachtet, sagte Stephan Lorek in seiner Predigt zur abschließenden heiligen Messe in der Wechselburger Basilika. Wer erahnt, dass das eigene Leben etwas mit der Ewigkeit zu tun habe, der konzentriere sich eher auf das Eigentliche, auf das, was Menschen einzeln und im Miteinander gut tue. An Weihnachten etwa knalle es in Familien häufig gerade dann, wenn unter dem Ballast des Konsumierens das Eigentliche aus dem Blick gerate.

 

An drei Stationen – hier bei der letzten im Wechselburger Klosterhof – gab Militärdekan Stephan Lorek aus Neubrandenburg seinen Mitpilgern Denkanstöße für ihren Pilger- und Lebensweg.

 

Prior Maurus Kraß, der die Pilgergruppe willkommen hieß, stellte die Wechselburger Benediktiner als kleine Gemeinschaft von Mönchen vor, die in ihrem Lebensrhythmus aus Gebet und Arbeit nicht nur sich selbst, sondern auch viele andere Menschen mit der Kraftquelle des Ewigen in Berührung bringen. Es gebe viele, die auf das Gebet der Mönche vertrauten, manche suchten ganz bewusst eine Auszeit im Kloster, um sich mit ihrer Kraft- und Ruhequelle zu verbinden. Er erwähnte einen Gast, der sich hier gerade innerlich auf eine bevorstehende Gehirntumor-Operation vorbereite.
Die Wallfahrer nahmen all die Impulse ohne erkennbares Befremden auf. „Ich freue mich vor allem auf das Wiedersehen mit anderen, die ich bei früheren Soldaten-Wallfahrten kennengelernt habe“, ist von vielen Teilnehmern zu hören. Die Gespräche auf dem Weg lassen Anteilnahme am Wohlergehen der Mitpilger erkennen und Nachdenklichkeit über den eigenen Berufsalltag. Ein erfahrener Kamerad erzählt seinem Weggefährten, warum er sich entschieden hat, Pflegekinder aufzunehmen. Ein junger Zeitsoldat berichtet von einem Manöver, bei dem er in einen sehr realitätssnah nachgestellten Hinterhalt geriet. „Ein unangenehmes Gefühl. Mich hat das zum Grübeln gebracht, in welche Situationen ich in diesem Beruf geraten könnte.“ Sie seien froh, dass sie im Sanitätsdienst „nur Gutes tun“, sagen zwei Familienmütter. „Sag mal, bist du nicht katholisch?“, wird ein Soldat aus Neubrandenburg gefragt und mit wohlwollender Neugier auf seine Überzeugungen abgeklopft: „Wie denkst du denn da über Homosexualität?“

Von Dorothee Wanzek

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