Wer steuert was vor Ort?

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Vor sieben Jahren wurde im Erzbistum Hamburg ein neues System von Gremien und Räten in Gemeinden und Pfarreien eingeführt. Nicht an allen Stellen läuft es rund. Mehr Flexibilität wäre sinnvoll. Jetzt wird an Korrekturen gearbeitet.


Mitglieder von Gemeindegremien bei einem Fortbildungsseminar. Noch gibt es sie, aber es mangelt an Nachwuchs. | Foto: kna

Pfarrpastoralräte, Gemeindeteams, Themenverantwortliche…, bei der Einführung der neuen Gremienstruktur 2016 waren das noch fremde Begriffe. Haben sich die neuen Einrichtungen bewährt? Generalvikar Sascha-Philipp Geißler hat kürzlich dazu aufgerufen, die Erfahrungen mitzuteilen. 700 Einsender haben sich in einer Online-Befragung geäußert. Jetzt liegen die Ergebnisse dieser Auswertung vor.

Tenor der Aussagen: Die Arbeit der Gremien wird im Allgemeinen als positiv eingeschätzt. Das Leben in der Gemeinde hat erwartungsgemäß weiterhin einen hohen Stellenwert. Die Gläubigen und Aktiven identifizieren sich in erster Linie mit ihrer Gemeinde, weniger mit ihrer Pfarrei. In der Umfrage wurden auch zahlreiche Reibungspunkte angesprochen. 66 Prozent der Befragten etwa hält das neue Gremienmodell für zu kompliziert und undurchsichtig.

Dieses Modell ist auf die neu gebildeten Großpfarreien ausgerichtet. Dadurch gibt es heute in der Pfarrpastoral zwei Ebenen: Die Gemeinde-Ebene mit dem Gemeindeteam (das als kleine Gruppe Ehrenamtlicher das pastorale Leben vor Ort steuert), der Gemeindekonferenz und den Themenverantwortlichen, die für bestimmte Bereiche Ansprechpartner sind. Die Pfarrei-Ebene umfasst mehrere Gemeinden und hat eigene Gremien, etwa den Kirchenvorstand und den Pfarrpastoralrat.

Vergleichsweise gut schnitten die neu gebildeten Gemeindeteams ab. „Die Gemeindeteams mit ihren vernetzenden und koordinierenden Aufgaben werden mehrheitlich als hilfreich erlebt und erleben sich in ihrer eigenen Zufriedenheit höher als alle anderen befragten Gruppen“, so heißt es im Zwischenbericht.

Eine Etage höher, wo die Themen meist nicht so konkret sind, funktioniert es nicht so gut. Den Pfarrpastoralrat (eine Art gemeindeübergreifender Pfarrgemeinderat) finden nur 25 Prozent der Befragten „hilfreich“. Zu groß und zu wenig arbeitsfähig sei dieses Gremium. Oft sei es schwer, die Gemeinden unter einen Hut zu bringen.

Ein anderes Gremium auf Pfarrebene wird dagegen recht positiv gesehen: der Kirchenvorstand mit seinen angeschlossenen Fachausschüssen. Der Kirchenvorstand entscheidet über Verwaltungsdinge in der Pfarrei, etwa über einen Teil der Personalangelegenheiten, Verträge, Immobilien – und oft geht es um Geld. In den Fachausschüssen sitzen Ehrenamtliche, die Kompetenz in einzelnen Bereichen haben, etwa für Kindergarten, Personal oder Bau. Auch diese Ausschüsse werden in ihrer konkreten Arbeit als hilfreich wahrgenommen. Allerdings steht und fällt ihre Arbeit mit den fachkundigen Ehrenamtlichen – die auch noch Zeit für ein solches Ehrenamt haben.

Das Einheitsmodell passt nicht für jeden Ort

Ein Grundproblem der neuen Struktur ist offensichtlich die Frage der Entscheidungskompetenz. Wer in welcher Frage das Sagen hat, ist nach Auskunft vieler Befragten nicht klar genug. Es gibt, so macht der Bericht deutlich, „den großen Wunsch – vor allem von Ehrenamtlichen – nach Klärung und Eindeutigkeit der Verantwortlichkeiten: Wer darf was wie entscheiden und tun?“

Auch in diesem Fall war es früher anders: In der Regel hatte jede Gemeinde ihren Pfarrer oder ihre Gemeindereferentin – die musste man fragen, wenn etwas zu entscheiden war. Heute sind es oft Ehrenamtliche (Gemeindeteam), die das Gemeindeleben vor Ort organisieren.

Ein weiteres Problem: Die Gemeinden im Bistum, selbst innerhalb derselben Pfarrei, sind zum Teil sehr unterschiedlich. Das Einheitsmodell gehe zu wenig auf die vielen verschiedenen Situationen ein. Ein neues Modell brauche „mehr Flexibilität und Wahlmöglichkeiten, sich an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen.“

Steffen Debus, Referent für Organisationsentwicklung, Gemeindeberatung und Engagementförderung, hat die Evaluation organisiert und sieht vor allem an zwei Punkten Handlungsbedarf: „In den Gemeinden vor Ort braucht es jemanden, der die Verantwortung übernimmt. Und es braucht auf der Pfarrebene eine bessere Zusammenarbeit zwischen den pastoralen und den Verwaltungsgremien.“

Ein anderes Problem wird in Zukunft immer häufiger auftauchen. Selbst bei der besten Organisationsstruktur: Es wird immer schwieriger, Ehrenamtliche für die zum Teil anspruchsvollen Aufgaben zu finden. Deshalb wird mehrfach der Wunsch nach mehr hauptamtlichen Fachkräften geäußert. Aber auch das Geld für Personal wird immer weniger.

Wie geht es weiter? Im nächsten Schritt der Evaluation sollen einzelne Personen eingehend befragt werden. Dabei sollen gezielt aktuelle Gremienmitglieder aus ihrer Tätigkeit berichten. Am Ende soll ein neues Gremienmodell stehen. Steffen Debus: „Kirche verändert sich heute so rasant schnell, dass wir vor einer besonderen Aufgabe stehen. Wie können wir ein Gremienmodell finden, dass nicht schon wieder nach vier Jahren verändert werden muss?“

Die Berichte (in Kurz- und Langfassung) sind im Internet www.erzbistum-hamburg.de zu finden.

VON ANDREAS HÜSER