Die Ordensfrau und die Soay-Schafe
Wildtiere auf der Abtei-Weide
Foto: Christa Kaddar
Seit mehr als sechs Jahren unterstützt die Benediktinerin Christophora Janssen den Züchter. „Im April kommen die Lämmer zur Welt und brauchen in den ersten drei Monaten eine gewisse Fürsorge“, berichtet sie. Jeden Abend geht sie zu den Schafen, treibt sie in den Stall und lässt sie morgens wieder raus – für Schafzüchter Lothar Wallenstein aus Rüdesheim eine Erleichterung, denn so genügt es, wenn er einmal täglich nach den Tieren schaut.
Morgens geht Schwester Christophora zu den Schafen, um sie mit Brotresten und Gemüseabfällen zu füttern. Die Bildhauerin und Malerin hat schon mehrmals verletzte Lämmer in ihrem Atelier in der Abtei versorgt und mit der Flasche aufgezogen, bis sie stabil genug waren, um zur Herde auf die Weide zurückkehren zu können. Einmal war es ein neugeborenes Lamm, das unter der toten Mutter lag, ein anderes Mal ein Zwillingslamm, das vom Mutterschaf nicht angenommen wurde. Auch ein drei Monate altes Lamm, das sich tagelang in den Ästen eines Baums verfangen hatte und im letzten Moment geborgen werden konnte, hat sie gesund gepflegt. „Das Lamm hatte bei den vergeblichen Versuchen, sich aus dem Geäst zu befreien, den linken Vorderlauf bis auf den Knochen aufgeschürft“, berichtet Schwester Christophora. Die Tiere, die sie selbst gepflegt hat, bekommen von ihr einen Namen und dürfen nicht geschlachtet werden.
Schafe pflegen die Landschaft ums Kloster
Meist ist Klosterhund Levi dabei, wenn sie zu den Soay-Schafen geht, aber es hat lange gedauert, bis diese ihn akzeptiert haben. „Es brauchte auch drei Jahre, bis sie mich an sich herangelassen haben. Es sind scheue Tiere, eigentlich Wildtiere, die fremden Menschen und Tieren und jeder Gefahr aus dem Weg gehen“, hat Schwester Christophora beobachtet. „Sie haben freundliche, ja sehr hübsche Gesichter und sind sehr unkompliziert in der Haltung.“ Sie ernähren sich von Gräsern und Buschwerk, Obst- und Gemüseabfällen, pflegen die Landschaft rund ums Kloster und beugen so der Verbuschung vor.
Auf der Weide der Abtei sind zwei verschiedene Herden mit hellen und dunklen Tieren, aber nur weibliche Schafe – derzeit 27, davon zwölf Lämmer, die in diesem Jahr geboren wurden. Die Böcke werden separat auf einer anderen Weide gehalten. „Die Soay-Schafe müssen nicht geschoren werden; im Frühjahr werfen sie die Wolle, die sehr kurzfaserig und nicht zum Verarbeiten geeignet ist, einfach ab“, erklärt Schwester Christophora.
Das große Gelände ist von einem Drahtzaun umgeben, der aber nicht vor allen Gefahren schützt. „Rundum gibt es Fasane, Rehe, Füchse und Wildschweine“, weiß die Benediktinerin. Auch Wölfe wurden im Waldgebiet von Rüdesheim, dem sogenannten Kammerforst, gesichtet. Die Raben, die in den Bäumen lauern, könnten den frisch geborenen Lämmern gefährlich werden, ebenso bilden Füchse für die Lämmchen eine Gefahr. Bis jetzt haben Wölfe noch keine Notiz von der Herde genommen. Aber Schäfer Lothar Wallenstein und Schwester Christophora beobachten besorgt die Vermehrung der Richtung Oestrich-Winkel angesiedelten Wolfsfamilie.
Inzwischen auch vier Tiere in Maria Laach
Auf dem Gelände der Abtei, angrenzend an die Weide, hat auch die Waldgruppe „Die Füchse“ der Kita St. Petronilla Aulhausen ihren Sitz. Unter Aufsicht haben die Kinder zwei Lämmern Flaschenmilch gegeben und später die Herde mit Brot gefüttert. Die Herde, die beim Lärm der Kinder im ersten Jahr geflüchtet ist, hat langsam Zutrauen gefunden und sich an die Kleinen gewöhnt. Ebenso haben die Kinder gelernt, aufmerksam und mit Ehrfurcht den Tieren zu begegnen.
Auch der emeritierte Abt Benedikt Müntnich aus Maria Laach, der eine Zeitlang in St. Hildegard lebte, hat Gefallen an den Soay-Schafen gefunden und inzwischen vier Tiere nach Maria Laach bringen lassen.