Wir haben einen Plan!

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In diesem Jahr läuft nichts nach Plan, auch nicht in der Kirche. Das erinnert unseren Autor an seine Jugend in der DDR – an die Filmreihe „Olsenbande“ und an Messdienertage, wo man die Filme sah. Und Egon Olsen hatte immer den „todsicheren Plan“

Die Olsenbande: Benny, Egon und Kjeld bei Dreharbeiten 1974
Die Olsenbande: Benny, Egon und Kjeld bei Dreharbeiten 1974. Foto: AOP/Wikipedia

Ich habe einen Plan, so starteten alle 14 Filme aus Dänemark mit Egon Olsen und der Olsenbande. Egon, Chef der Olsenbande, der raffinierte Planer, kam dabei zum Filmanfang immer aus dem Gefängnis und dorthin am Ende auch wieder zurück. Seine Freunde Benny und Kjeld holten Egon jedes Mal vom Gefängnis ab und sofort lief der nächste, ganz sichere Coup an. Natürlich lief jeder Coup wegen Kleinigkeiten schief. Mal wurden auf einem Güterbahnhof sämtliche Züge mit umfangreichen Rangierarbeiten nach Egons Plan planmäßig und zielgerichtet umgeleitet. In einem Zug befand sich der geknackte Tresor bereits. Doch dann kam die Lok mit dem „Tresorwagen“ nicht mehr bis zur Verladestation. Der Diesel war ausgegangen und Egon musste wieder in den Knast zurück. In einem alten Bankhaus wurden dicke Mauern gesprengt, Löcher durch Mauern gesägt, um endlich in den Tresorraum zu kommen. Doch die Bank hatte über Nacht den Tresor gewechselt. Wieder Pech. Egon Olsen konnte nur Tresore von Franz Jäger Berlin knacken. Oder beim Raub eines Hohenzollern-Schatzes: Juwelen im Gepäck, dann Reifenpanne direkt am Flughafen, Polizeikontrolle... Egon ging wieder in den Knast.

Bei den Olsens war es wie zu Hause 

Diese Filmserie war in der ehemaligen DDR extrem beliebt. Sie entsprach in großen Teilen dem Alltag der Menschen. Ihrer Improvisation, aber auch ihrer Umständlichkeit. Zudem hatte die DDR-Filmfabrik DEFA mit ihren Übersetzungen dem Volk genau auf den Mund geschaut, besonders den Mecklenburgern, die damals im Osten „Fischies“ genannt wurden. „Mensch Egon“, so sagten die Fischies immer gern. Aus dem dänischen „he Egon“ wurde ein „Mannohmann Egon“ oder „Mensch Egon“. Die DDR hatte ihre eigene Sprache und ihren besonderen Witz und der Staat genauso großartige, umständliche, aber „todsichere“ Pläne wie Egon Olsen. Pläne, die nie aufgingen. „Mensch Egon“, eine einzigartige Lachnummer für das Volk. Und dann hieß Egon Olsen auch noch Egon, so wie Egon Krenz, DDR-Parteifunktionär ers­ter Klasse... 

Eine zweite spannende Serie waren zehn Indianerfilme der DEFA, die auch bei den Messdienertagen liefen. Diese „Western“ hießen damals in der DDR jedoch nicht „Cowboy-Filme “ sondern „Indianerfilme“. Denn nach Verständnis der Parteitechnokraten waren die Indianer die Guten und die Amerikaner die bösen „Eindringlinge“. Die Cowboys haben danach Indianer getötet, verfolgt und vertrieben. Indianer, wenn sie dann Zugang zum „Feuerwasser“ – natürlich von den Cowboys – hatten, fielen reihenweise vom Pferd. Wir „harten Jungs“ waren davon mehr als ergriffen. 

Zu Hause hatten wir oft nicht das Geld für Kino. Ja, aber Kino war in der Regel für Kinder auch am Sonntagvormittag, zu Zeiten der katholischen Kindermesse! Keine Chance. Ging so also gar nicht. Aber zu den Messdienertagen ging alles, Kino für alle, unabhängig vom Alter und Geld, zu später Stunde und bis tief in die Nacht hinein. Doch Messdienerkino kann auch sehr hart sein, selbst für harte Jungs. Dass wussten wir alle sehr schnell. Im Vorfeld haben wir ängstlich schon während ihrer Aufbauarbeiten am Nachmittag nachgefragt. „Welchen Film sehen wir heute Abend und was passiert da alles?“ „Wie hart ist der Film?“ „Ab wie viel Jahre?“ Der Filmtitel blieb für uns Messdiener aber ein großes Geheimnis. Nichts wurde im Vorfeld bekannt. Selbst die Filmrollen waren überklebt. Natürlich wollten wir alle mit dabei sein. Doch so manch einer von uns „Harten“ hat das Ende der Filme gar nicht mehr miterlebt. „Weichei“ hieß es dann am nächsten Morgen für ihn. 

Mädchen waren nicht zugelassen

Mädchen als Messdienerinnen gab es damals noch nicht! Meiner kleineren Schwester konnte ich dann gern zu Hause stolz berichten: „Das ist noch nichts für dich! Du bist noch zu klein dafür und für Mädchen taugt es ohnehin nicht. Da wird geschossen, Blut fließt, es gibt Banküberfälle und viel Böses mehr!“ 

Als „harte Jungs“ waren wir fest überzeugt, Mädchen gehören einfach nicht mit nach Dreilützow! Nach den Abendfilmen ging es durch einen kleinen, unheimlich dunklen Wald in unser Zeltlager zurück, das den Indianerlagern im Film recht ähnlich war. Rundzelte von Stangen an den Seiten getragen und oben offen, so für ein Feuerabzug geeignet. Auf dem Boden lag nur Stroh, wie bei den Indianern auch. Egal am Abend waren wir alle totmüde! 

Wie in den Filmen haben wir Indianerleben so am nächsten Tag in den umliegenden Wäldern gern ausgelebt. Mutproben waren immer dabei. Wir wollten was erleben. Wer hatte schon mal die Chance, eine Kuh zu reiten? In Dreilützow war vieles für uns Städter möglich! Nicht immer war dabei alles gut. Es gab aber immer auch Grenzen für uns. Dazu waren unsere Kapläne da. Unsere „Cowboys“, die Kapläne, wohnten jedoch in fester Unterkunft oder in Baracken in der sogenannten „Cowboysiedlung Dreilützow“. Kirche und Gebet gab es natürlich auch. Zum Gottesdienst „seiner Ministranten“ fuhr Weihbischof Bernhard Schräder gern mit seinem dicken „Wolga“ vor! „Mensch Egon“, „Mensch Weibi“, was war das ein „dickes Ding, welch ein dicker Wolga!“ Einen „Wolga“ hatte nur der Bezirkssekretär der SED in Schwerin und wir als katholische Kirche auch. Mensch Bischof Bernhard Schräder, Mensch Egon! Wir sind die „Harten“!  

Die Fußballmeisterschaft der Messdiener in Dreilützow war legendär und für uns die wichtigste „Weltmeisterschaft“ des ganzen Jahres. Sie hatte für die Schweriner nur ein Problem. In der Regel gewann Ludwigslust mit ihrem Stürmer und leidenschaftlichen Kommentator Pfarrer Klaus Rziha. Über Lautsprecher hörte man Rziha über die ganze Anlage. Wir sind aus unserem Zeltlager „gekrochen“, um noch einmal Rziha zu hören und ihn auf dem Spielfeld zu sehen. Nach dem zweiten Tag waren wir in der Regel schon so von den Ereignissen geprägt, dass uns jedes Aufstehen nur noch mit Mühe gelang. Mensch Egon! Ja, dann gab es aber noch den legendären „Lagerzirkus“ mit Zirkusdirektor Hannes Kuhl. Hannes Kuhl war ein alter Messdiener aus Schwerin. Wir kannten ihn sehr gut, seine Storys auch und haben dennoch immer wieder Tränen gelacht und geweint. Zu Hause angekommen, fielen wir totmüde ins Bett und brauchten Tage, um alles zu verarbeiten und uns zu erholen. Eine Zeit in Dreilützow, die uns geprägt hat.

Text: Bernd Loscher