Susanne Mohr fährt als Helferin zum Katholikentag nach Münster
Zum Helfen oder gar nicht
Als Lohn für täglich acht Stunden Arbeit gibt es einen Schlafplatz in der Turnhalle, drei Mahlzeiten am Tag und eine Dankeskarte. Susanne Mohr ist seit 20 Jahren Helferin beim Katholikentag. Immer wieder reist sie dafür durch Deutschland. Mit jeder Stadt verbindet sie eine Geschichte und jede Menge Spaß. Von Sarah Seifen.
Da war zum Beispiel der VW-Bus, der als Tabernakel diente, oder die Probe für den Abschlussgottesdienst des Katholikentags in Saarbrücken, bei der Susanne Mohr den Apostolischen Nuntius in Deutschland vertreten musste. Damals, 2006, war das Erwin Josef Ender, daran erinnert sich Susanne Mohr genau. Wie an viele Ereignisse, die die Gemeindereferentin als Helferin bei mittlerweile acht Katholikentagen und zwei Ökumenischen Kirchentagen erlebt hat.
„Ah! Da gab es auch eine tolle Geschichte“, sagt Susanne Mohr und durchwühlt die Helferausweise, die sie auf einem Tisch in ihrem Büro im Pfarrhaus in Dreieich-Sprendlingen ausgebreitet hat. Zusammen mit Plakaten, Tüchern, Schals und Essensmarken bewahrt sie diese in einer Kiste auf. „Meine Mutter hat mir Erinnerungsstücke der Katholikentage rausgesucht.“ Denn einige der Helferutensilien lagerten in Essenheim, ihrem Heimatort. Durch ihre Mutter kam Susanne Mohr auf die Idee, als Helferin beim Katholikentag dabei zu sein. Das erste Mal, 1998, war der in der Nähe ihres Zuhauses, in Mainz. „Ich habe gemeinsam mit meiner Mutter bei der Kinderbetreuung in der Martinusschule geholfen.“
Damals war sie 16 Jahre alt und Realschülerin. Heute, 20 Jahre später, liegen eine Ausbildung zur Erzieherin, das Studium der Praktischen Theologie an der Katholischen Hochschule in Mainz und die Ausbildung zur Gemeindereferentin hinter ihr. Aus Kinderbetreuung bei den Katholikentagen ist Organisation der großen Gottesdienste geworden.
Andere motivieren, mitzufahren
„Dieser Ausweis ist aus Osnabrück. 2008 war ich dort mit einer Gruppe aus Bingen“, erzählt die 36-Jährige und zeigt eine bunte Papierkarte mit ihrem Namen drauf. In Bingen trat Susanne Mohr ihre erste Stelle als Gemeindereferentin an. Ihre Leidenschaft, bei Katholikentagen zu helfen, nahm sie dorthin mit. Und prompt begleiteten Menschen aus der Pfarrei „die Neue“ in den Norden.
„Seit dem Katholikentag in Saarbrücken übernehme ich mit meiner jeweiligen Gruppe eine Sonderrolle bei den Gottesdiensten.“ Dazu gehört die Koordination des Ein- und Auszugs und die vorherige Probe. Während der Messe am Donnerstag und am Sonntag bringen sie die Körbe mit den Hostienschalen zum Altar oder helfen beim Kommunionausteilen.
Auch 2008 in Osnabrück war das die Aufgabe der Helfergruppe. „Unser Leiter sagte zu mir: ‚Hier, Susanne, der Tabernakelschlüssel.‘ Ich war erstaunt. Es war ein Autoschlüssel.“ Also gingen Susanne Mohr und ihre Begleiter zu einem VW-Bus, um die bereits geweihten Hostien vom Donnerstag für die Kommunionausteilung am Sonntag zu holen. „Da hab ich mich erst mal gefragt: Muss ich jetzt eine Kniebeuge machen, bevor ich den Kofferraum öffne? Das mache ich sonst vor dem Tabernakel ja auch“, erzählt sie. Und sie tat es. „Wir sind oder waren in der Regel alle Messdiener und wissen, wie man sich verhält.“
Durch ihr liturgisches Wissen, das sie im Studium und in ihrer Arbeit als Gemeindereferentin gewonnen hat, wisse sie auch sonst, woran sie denken muss. „Das kommt mir zugute.“ Dennoch habe ihr Beruf und die Mithilfe beim Katholikentag nicht direkt etwas miteinander zu tun. „Ich bin nicht wegen der Erfahrungen auf dem Katholikentag Gemeindereferentin geworden“, sagt sie und lacht. „Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen, mir war Kirche schon immer wichtig“, erklärt sie ihre Entscheidung, in einen pastoralen Beruf zu gehen.
Seit 2009 ist sie als Gemeindereferentin in der Pfarrei St. Laurentius in Dreieich. Sechs Stunden unterrichtet sie in der Schule. In der Gemeinde kümmert Susanne Mohr sich um die Kommunionvorbereitung und die Jugendarbeit. „Aber eigentlich mache ich alles“, stellt sie fest. „Ich organisiere alles gerne ganz genau und koordiniere.“ Wenn ein Katholikentag ansteht, verbindet sie Arbeit mit Hobby und nimmt Interessierte aus der Pfarrei mit zum Helfen. Dass ihr dieses Wochenende alle zwei Jahre wichtig ist, weiß ihr Pfarrer Erik Wehner und unterstützt sie bei ihren Vorhaben.
„Der Katholikentag ist ein tolles Event und wichtig, damit wir uns nicht vereinzeln. Es macht mich glücklich, wenn ich gerade jungen Leuten zeigen kann, dass die Kirche lebendig ist“, sagt Susanne Mohr. Sie ermöglicht durch ihre langjährigen Kontakte, dass die Jugendlichen zum Beispiel bei Konzerten ganz vorne dabei sein können. Als Helferin und Helfer bleibt nach acht Stunden Arbeit am Tag etwas Freizeit. Bestimmte Programmpunkte besucht die Gruppe dann gemeinsam.
Wann ihre Arbeitszeiten in diesem Jahr sein werden und was sie besuchen kann, weiß Susanne Mohr noch nicht. Was sie weiß: Sie ist froh, dass sie mit einer Gruppe von vier Personen fahren. Aus der Pfarrei konnte dieses Jahr niemand mit nach Münster. Dafür begleiten sie zwei junge Erwachsene aus Bingen sowie eine Kollegin aus der Nähe von Bad Kreuznach Aber: „Man braucht mal Ruhe voneinander“, sagt Susanne Mohr. Dann sucht sie sich Punkte, wo sie spirituell auftanken kann.
Geistliche, besondere Momente erlebt die 36-jährige Frau während ihres Diensts als Helferin. Da gibt es diese Geschichte, wieder aus Osnabrück: Weil es zu wenig Kommunionhelfer gab, sprang Susanne Mohr ein und gab ihrem ehemaligen Heimatpfarrer und der dortigen Gemeindereferentin die Kommunion. „Das war nicht verabredet. Ich hab sie vorher nicht getroffen, laufe durch die Menge und gehe ausgerechnet in ihre Ecke“, erzählt Susanne Mohr. Später habe sie eine SMS bekommen von dieser Gemeindereferentin: „Es war schön, mit wem und durch wen wir uns begegnet sind.“
Helfen ist ein Muss beim Katholikentag
Zu jedem Katholikentag könnte Susanne Mohr eine solche Geschichte erzählen. Und diese guten Erfahrungen überwiegen, auch wenn es nicht mehr angenehm und erholsam sei, auf einer Isomatte in der Turnhalle zu übernachten. Selbst eine Virusinfektion, welche die 36-Jährige beim letzten Katholikentag in Leipzig zwang, den Abschlussgottesdienst liegend im Malteserzelt zu verfolgen, schreckt sie nicht ab, sich immer und immer wieder alle zwei Jahre zum Helfen anzumelden. „Ich war noch nie als normale Teilnehmerin da und will das auch nicht. Ich brauche das, den Dienst als Helferin zu übernehmen.“
Zur Sache: Zum 101. Mal
Seit 170 Jahren versammeln sich Katholiken und andere Gläubige zum „Deutschen Katholikentag“. Vom 9. bis 13. Mai 2018 treffen sich Menschen zum 101. Katholikentag in Münster.
Zum ersten Mal fand das katholische Laientreffen 1848 statt: als „Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands“ in Mainz. Danach gab es fast jedes Jahr einen Katholikentag, ausgenommen in den Jahren während und um den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Seit 1950 findet der Katholikentag bis heute alle zwei Jahre statt. Jedes Mal in einer anderen Stadt.
Veranstalter des Katholikentags sind seit 1970 das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ (ZdK) – Präsident ist derzeit Thomas Sternberg –sowie das jeweilige Gastbistum, in diesem Jahr die Diözese Münster mit Bischof Felix Genn.
Das fünftägige Treffen ist längst zu einer Großveranstaltung geworden. Von Mittwoch bis Sonntag, in der Regel über Fronleichnam oder Christi Himmelfahrt, gibt es Gottesdienste, Gebete, Begegnungen und Diskussionen.
Seit 1990 gehört die „Kirchenmeile“ fest zum Programm. Dort stellen sich die deutschen Bistümer, Verbände, Einrichtungen, Ordensgemeinschaften und Medien vor. Zum Abschluss findet am Sonntagvormittag ein großer, zentraler Gottesdienst statt.
Den 100. Katholikentag in Leipzig besuchten mehrere zehntausend Menschen.
Entsprechend zum Katholikentag gibt es den „Deutschen Evangelischen Kirchentag“ (DEKT), der jeweils im anderen Jahr als der Katholikentag stattfindet. Im Jahr 2003 veranstaltete das ZdK gemeinsam mit dem DEKT erstmals einen „Ökumenischen Kirchentag“ in Berlin. Der dritte ökumenische Kirchentag findet 2021 in Frankfurt am Main statt.