Brauchtum im Bistum: Wetter

Zur Sicherheit ein Donnerkeil

Image
Ein dunkler Himmel über einem Garten.
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

Caption

Ein Gewitter zieht auf: Da schickt mancher ein Stoßgebet gen Himmel und hofft, dass es nicht zu schlimm wird. Foto: Petra Diek-Münchow

Trockenheit, Blitz, Hagel, Starkregen: Das Wetter mag manche veranlassen, ein
Stoßgebet gen Himmel zu schicken oder auf Prozession zu gehen. Früher
haben die Menschen noch ganz andere Bräuche gepflegt – weiß Andreas Eiynck.

Der Einband ein wenig verschlissen, die Blätter leicht vergilbt: Dieses Gebetbuch aus dem 17. Jahrhundert haben schon viele Menschen in ihren Händen gehalten. „Stimmt“, meint Andreas Eiynck und öffnet den Band vorsichtig. Der Landeshistoriker, der in Lingen das Emslandmuseum leitet, hat das Exponat gerade aus dem Fundus geholt und schlägt nun die Seite 500 auf. Dort steht ein langer Text für die „Zeit des Ungewitters“. „Der wurde früher in den Familien eifrig durchgebetet, bis Blitz und Donner vorbei waren“, sagt er. 

Genau das erklärt, warum solche Gebetbücher landläufig „Grummelbook“ genannt wurden. „Grummeln“ – das bedeutet donnern oder gewittern. Dazu entzündete man fast immer ein Licht – zum Beispiel eine schwarze oder braune „Gewitterkerze“, wie es sie heute in einigen Wallfahrtsorten vor allem in Süddeutschland noch zu kaufen gibt. Andreas Eiynck kann sich gut erinnern, dass auch seine Großeltern bei aufziehenden Unwettern meist den Rosenkranz oder eine Litanei gebetet haben. 

Ein Mann zzeigt ein Buch.
Andreas Eiynck zeigt ein "Grummelbook". Foto: Petra Diek-Münchow

Der Leiter des Regionalmuseum hat sich mit Traditionen und Bräuchen rund um Starkregen, Blitz und Hagel beschäftigt. „Für die Menschen früher war eine große überraschende Gefahr ein schweres Gewitter im Sommer“, erzählt er. Denn das konnte schnell einen Teil der Ernte vernichten – früher wie heute Grundlage für Versorgung und Existenzen. Wenn es also in der Ferne „grummelte“, wurde zuerst der Herd ausgemacht: „Man glaubte, dass Feuer die Blitze anzieht.“ Dann wurde eine Kerze angesteckt und gebetet. Eiynck hat dazu weitere Exponate in seinem Bestand wie einen Gebetszettel aus dem Jahr 1927 und einen „Wettersegen“: ein mit Perlen und Bordüren besticktes Ornament mit einem „Agnus Dei“ in der Mitte. Das hing in der guten Stube oder in der Küche an der Wand und sollte Land und Leute beschützen. 

Mitunter mischten sich in solch religiös geprägten Bräuche auch noch andere  – wie der des „Donnerkeils“. Dieses Fossil, versteinerte Reste von den heutigen Kalmaren sehr ähnlichen Kopffüßlern, hatten die Menschen im Boden gefunden. Sie glaubten, dass bei jedem Blitz genau solch ein Teil in den Boden einschlägt. Diesen Relikten schrieben sie eine Schutzwirkung zu. „Wenn es also gewitterte, haben die Leute genau das gemacht: Feuer aus, Kerze an, Gebetbuch ’raus und zur Sicherheit noch einen Donnerkeil am Rauchfang.“

Viel ist von solchen Bräuchen heute nicht übrig geblieben, glaubt Andreas Eiynck – abgesehen von manchem Stoßgebet gerade von Landwirten, wenn das zunehmend extremere Wetter der vergangenen Jahre ihre Ernte bedroht: sei es durch Hitze und Trockenheit oder andauernden Regen. Aber in manchen Gemeinden gibt es noch lang gepflegte Traditionen wie die „Hagelfeiern“ in den Haselünner Ortsteilen Huden, Lahre oder Lotten.

 Hagelprozession in Wettrup

Oder die „Hagelprozession“ in der Gemeinde St. Antonius und St. Gerhard Majella in Wettrup im südlichen Emsland. Seit über 500 Jahren gibt es diese schon am Tag nach Christi Himmelfahrt. Das Datum geht laut Christoph Germing, Vorstandsmitglied beim Heimatverein und Lektor in der Kirchengemeinde, auf ein Unwetter im Jahr 1521 zurück: Damals hatte ein Hagelschauer Äcker verwüstet und zu einer Missernte geführt. Seitdem erbitten die Wettruper bei ihrer Prozession um Schutz und Gottes Segen für eine gute Witterung. 

Nach der Überlieferung gibt es diese Prozession seit 1522 ununterbrochen. „Davon haben meine Großeltern erzählt“, sagt Germing.  „Das war wie ein Feiertag in Wettrup.“ Früher gingen die Teilnehmer nach einem Gottesdienst von der Kirche durch die Felder zur Antoniusklause. Heute führt die Prozession mal zur Gerhardsklause, mal zur Herz-Jesu-Klause. Unterwegs beten und singen die Wettruper und führen dabei auch das Allerheiligste mit sich: „mit Baldachin und Trägern, wie an Fronleichnam“. Zwischen 70 und 100 Einwohner treffen sich dazu, die Nachbarschaften kümmern sich vorher um die Klausen und stellen Fahnen auf. 

Andreas Eiynck findet es ein bisschen schade, dass Traditionen und Bräuche mehr und mehr verschwinden. „Wir sitzen heute sicher in unseren gut gebauten Häusern, haben Blitzableiter und Brandversicherungen.“ Da macht sich seiner Ansicht nach mancher vielleicht nicht mehr so viele Gedanken um das Wetter. „Und unser Verhältnis zur Natur ist total entfremdet – und damit auch das Empfinden, dass Natur und Schöpfung etwas mit Gott zu tun haben.“ 

Petra Diek-Münchow