Zum neuen Jahr
Aus Hoffnung wird Zuversicht
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Wie geben Sie Menschen, die zu Ihnen kommen, Hoffnung?
Marc Burrichter: Allein schon dadurch, dass wir ihnen in Krisen- und Notsituationen zuhören, ihnen zur Seite stehen und sie in schwierigen Zeiten begleiten. Sie erleben bei uns Verlässlichkeit und gewinnen an Zuversicht, dass sich die Dinge in eine gute Richtung entwickeln.
Eva-Marie Zimmermann-Peusch: Wir bringen auch die Erfahrungen anderer Klientinnen und Klienten ein. Es ist wichtig zu erkennen, dass Probleme nicht einzigartig sind, sondern dass es vielen Menschen ähnlich geht – und dass sich auch wieder etwas zum Positiven verändern kann. In Belastungssituationen neigen Menschen zu einer tunnelartigen Sichtweise auf bestimmte Dinge, die ihnen widerfahren. Wir Beraterinnen und Berater können andere Blickwinkel anbieten. Das ist wohltuend und kann viel bewirken.
Sind Hoffnung und Zuversicht das Gleiche?
Zimmermann-Peusch: Hoffnung ist etwas vorsichtiger als Zuversicht. Wenn ich hoffe, dann hoffe ich. Es kann so oder anders werden. Zuversicht bedeutet das Vertrauen darauf, dass sich etwas gut entwickelt und dass ich möglicherweise selbst etwas dafür tun kann.
Burrichter: Genau. Mit der Hoffnung, mit der unsere Klientinnen und Klienten zu uns kommen, geht es schon in die richtige Richtung. Daraus kann sich in der therapeutischen Arbeit Zuversicht entwickeln – je mehr sie entdecken, wie sie die Hoffnung selbst ausfüllen können. Dazu gehört viel Beziehungsarbeit, die ein wesentliches Element unserer Beratungstätigkeit ist.
Zimmermann-Peusch: Wichtig ist auch, eigene Ressourcen und Stärken zu erkennen: Was war gut? Wer hat mich nicht enttäuscht in meinem Umfeld? Das kann ganz entscheidend sein, um Hoffnung und Zuversicht zu generieren.
Was bewirkt Hoffnung in uns?
Zimmermann-Peusch: Sie wirkt sich direkt auf Körper und Seele aus, stärkt das Immunsystem; wir sind buchstäblich weniger schmerzempfindlich.
Burrichter: Ich würde es auf der neuronalen Ebene betrachten wollen: Wie kann ich lernen, so umzudenken beziehungsweise mein Unbewusstes einzuladen, dass ich das Positive in meinem Leben und damit das Hoffnungsvolle wahrnehme und mich nicht nur dem Schicksal ausgeliefert sehe? So entsteht aus der Verzweiflung vielleicht ein Funken Hoffnung, der mich weiterbringt.
Wo begegnet Ihnen Hoffnungslosigkeit im Beratungsalltag?
Zimmermann-Peusch: Ich erlebe zum Beispiel, dass die Menge an Krisen die Menschen empfindlicher und verletzlicher macht. Im Erstgespräch fällt noch häufig der Satz: „Und dann war ja Corona.“ Die Pandemie hallt nach. Es ist enorm, was sie an Überlastungen hervorgerufen hat, wie stark sie sich auf Partnerschaften ausgewirkt hat, auf das Familienleben, auf soziale Kontakte. Wenn dann noch akute persönliche Krisen hinzukommen, sei es eine Trennung, der Tod eines nahen Angehörigen, ein unerfüllter Kinderwunsch, wird es kritisch.
Burrichter: In meiner Arbeit begegnet mir Hoffnungslosigkeit oft bei Trennung und Scheidung. Auch Corona spielt noch eine Rolle. Diese Zeit hat starke Verunsicherungen ausgelöst. Das Gefühl, eingebettet zu sein in eine soziale Gemeinschaft, hat gelitten oder konnte gar nicht erst ausgebildet werden.
Bekommen Sie die globalen Krisen auch in Ihrer Arbeit zu spüren?
Zimmermann-Peusch: Nicht vordergründig, aber ich merke, dass Zukunftsängste stark ausgeprägt sind, vor allem bei jungen Menschen. Sie tun sich oft schwer, eine positive Perspektive für sich zu entwickeln. Wie lange ist unsere Erde noch bewohnbar? Was lohnt sich eigentlich noch? Solche Fragen beschäftigen sie.
Was hilft Ihnen persönlich, wenn es auf den ersten Blick keine Hoffnung gibt?
Zimmermann-Peusch: Ein guter Austausch im Team und auch Tür- und Angelgespräche nach sehr belastenden Beratungen. Ich kann natürlich nicht alle Menschen retten, aber es hilft mir, wenn ich sagen kann: Ich habe getan, was ich konnte. Ein Rückhalt ist auch meine Familie, und ich mache etwas, das mir guttut: draußen sein, mich bewegen, die Natur genießen.
Burrichter: Was mir Hoffnung gibt, ist das Gefühl, dass ich mich in einem Arbeitsumfeld bewege, in dem alle in guter Absicht miteinander umgehen. Auch Familie ist wichtig, eingebunden zu sein in eine Gemeinschaft. Und mir helfen auch ein paar Leitsätze. Zum Beispiel: Wenn etwas gut funktioniert, mach mehr davon. Wenn etwas nicht funktioniert, mach es anders.
Kann man Hoffnung lernen?
Zimmermann-Peusch: Auf jeden Fall. Veränderung ist immer möglich. Lernen hat auch mit Erfahrungen zu tun, die ich mache. Daraus kann Hoffnung entstehen, die mich ermutigt, die eigene Komfortzone zu verlassen. Wir können dazu ermuntern, miteinander Ideen entwickeln. Die nächsten Schritte wagen muss aber jeder selbst.
Burrichter: Wir können die Menschen dazu befähigen, auf ihre neuronalen Fähigkeiten Einfluss nehmen, indem wir ihnen eine Perspektive anbieten, die das positive Erleben befeuern und stärken kann. Daraus kann Hoffnung wachsen.
Zimmermann-Peusch: Das bedeutet, dass ich in meinem Kopf Platz machen muss: raus aus der Klagenschleife. Sonst wird es nichts mit der Hoffnung.
Wie kann ein Blick in die Bibel helfen?
Zimmermann-Peusch: In der Bibel gibt es viele Stellen, die zur Hoffnung einladen und ermuntern. Allein, wenn wir auf die Weihnachtsgeschichte schauen: „Fürchtet euch nicht!“ Ein wunderbarer Satz und sehr hilfreich, wenn man ihn wirklich an sich heranlässt. Mir persönlich gefällt der Satz „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“ aus einem Lied von Arno Pötzsch. Da steckt sehr viel Hoffnung drin. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, meinen Klientinnen und Klienten Bibelzitate mit auf den Weg zu geben. Wenn ich allerdings merke, dass jemand eine Nähe zur Spiritualität hat, interessiere ich mich dafür und unterstütze das sehr.
Was ist Ihre größte Hoffnung für das neue Jahr?
Burrichter: Da sind wir uns beide einig: Unsere größte Hoffnung für 2025 ist, dass von den Verantwortlichen im Bistum Osnabrück erkannt wird, dass die Arbeit mit den Menschen in den Psychologischen Beratungsstellen ein wesentlicher Ausdruck gelebter Nächstenliebe ist. Wir hoffen, dass diese Arbeit dauerhaft und verlässlich finanziell abgesichert wird.
Zur Person
Eva-Marie Zimmermann-Peusch, Diplom-Musiktherapeutin, leitet die Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensberatung an der Lotter Straße 23 in Osnabrück.
Diplom-Pädagoge Marc Burrichter ist Leiter der Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung am Straßburger Platz in Osnabrück.