Betroffenenrat Nord zieht Bilanz
Bistümer in der Kritik
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Zu langsam, intransparent, wenig wertschätzend. So beurteilt der Betroffenenrat Nord in einem Jahresrückblick 2024 die Aufarbeitung sexueller Gewalt seitens der Bistümer Hildesheim, Osnabrück und Hamburg. Vor allem Hamburg steht in der Kritik. Dort, so heißt es, „kommen wir insgesamt am wenigsten voran – die Kontakte mit der erweiterten Bistumsleitung sind recht konfrontativ und wenig wertschätzend“.
Der „Betroffenenrat Nord“ vertritt seit 2022 die Betroffenen von sexuellem Missbrauch und gewaltsamen Übergriffen in der katholischen Kirche. Der Rat besteht derzeit aus neun Personen. Sie sollen die Missbrauchs-Aufarbeitung in den drei norddeutschen Diözesen begleiten und Impulse dazu geben.
Zwei Jahre nach dem Beginn ihrer Arbeit sehen die Mitglieder des Rates jedoch keine großen Fortschritte. Alle drei Bistümer stehen in der Einschätzung des Betroffenenrates „beim Weg einer wirklichen Erinnerungskultur, verstanden als Vergegenwärtigungskultur, erst am Anfang“. Nach wie vor würden die Gemeinden über die Täter nicht informiert und deren Namen nicht benannt. Das Verfahren für die Schmerzensgeldleistungen sei intransparent. Und keines der Bistümer habe erklärt, auch nach Verjährung lange zurückliegender Taten Entschädigungen zu leisten.
Darüber hinaus geben die Betroffenen den drei Bistümern ein unterschiedliches Zeugnis. Lob bekommt das Bistum Osnabrück. „Der diözesane Schutzprozess im Bistum Osnabrück mit einer unabhängigen Monitoring-Gruppe und der Einrichtung der Stellen eines Unabhängigen Beauftragten und einer Ombudsperson hat Leuchtturm-Charakter in der Metropolie“, so Ilona Düing, Co-Sprecherin des Betroffenenrats Nord. Der neue Osnabrücker Bischof Dominicus Meier suche das Gespräch mit den Betroffenen, habe das Thema bereits kurz nach seiner Ernennung angesprochen und mache Hoffnung auf gute Zusammenarbeit.
Wenig Bereitschaft zu wirklicher Kooperation
Auch dem Bistum Hildesheim bescheinigt der Rat eine „wertschätzende Zusammenarbeit“. Konkrete Pluspunkte: Das Bistum habe eine dritte Aufarbeitungsstudie angekündigt und wolle eine Lotsen- und Ombudsstelle einrichten.
In der Auseinandersetzung um das Grab des Hildesheimer Bischofs Heinrich-Maria Janssen (1907 bis 1988) aber habe das Bistum „Porzellan zerschlagen“. Der Bischof, dem vorgeworfen wird, Kinder sexuell missbraucht zu haben, sollte aus der Gruft im Hildesheimer Dom entfernt und umgebettet werden. Dazu kam es jedoch nicht.
Dazu der Betroffenenrat: „Wir hatten den Eindruck, dass unsere Argumente für eine Umbettung ernst genommen werden. Die Idee der Umwidmung kam hier von der Bistumsspitze selbst. Letztendlich wurden wir gehört – und ignoriert.“ Sehr unzufrieden ist der Betroffenrat mit dem Erzbistum Hamburg. Es gebe in diesem Bistum keine Lotsen- und Ombudsstelle, keinen unabhängigen Schutzprozess und keine Vergegenwärtigungskultur. „Auch der Zwischenbericht der Unabhängigen Aufarbeitungskommission von 2024 zeigt, dass hier wenig Bereitschaft zu wirklicher Kooperation zu bestehen scheint und Datenschutz der Aufarbeitung vorgeordnet wird.“
Das Erzbistum Hamburg will sich zu diesen Vorwürfen derzeit nicht äußern, erklärte der Sprecher des Erzbistums auf Anfrage dieses Magazins. Auch das Bistum Hildesheim geht nicht auf die konkreten Kritikpunkte ein. Ein Bistumssprecher erklärte jedoch, das Bistum sei „auch in 2025 bestrebt, gut und konstruktiv mit dem Betroffenenrat zusammenzuarbeiten.“
Der Betroffenenrat der drei norddeutschen Bistümer versteht sich vorrangig als Vertretung für die Anliegen, Anerkennung und Würdigung von Betroffenen und ihres Leids in der Entwicklung und Aufarbeitung des Umgangs mit sexualisierter Gewalt.