Ausstellung Modelleisenbahnen

Dampf und Diesel unter dem Klosterdach

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Zwei Männer fachsimpeln über eine Modelleisenbahn
Nachweis

Foto: Stefan Branahl

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Modellbau vom Feinsten: Jürgen Wiethäuper (links) und Thorsten Kreiling freuen sich über die Eisenbahnwelt im Kleinen. Foto: Stefan Branahl

Die Züge fahren pünktlich – zumindest auf der Modellbahn der Eisenbahnfreunde Osnabrück. Aufgebaut ist sie im Franziskanerkloster, Anfang September kann sie besichtigt werden. Der Erlös kommt der Wärmestube zugute. Eine Erfolgsgeschichte, von der viele profitieren.

Ein großer Tag, die neuen Kirchenglocken werden geweiht. Noch stehen sie auf dem Tieflader, aber nach dem Festgottesdienst sollen sie in den Turm gezogen werden. Einige scheinen das Hochamt zu schwänzen, sie haben sich im Biergarten der Klosterschänke „Zum Otger“ schon mal ein schattiges Plätzchen reserviert. Alles ist wie im richtigen Leben, nur klein nachgebaut. H0, Maßstab 1:87 – Modellbauer wissen, was es damit auf sich hat.

Bruder Otger – bei älteren Osnabrückern werden bei diesem Namen Erinnerungen wach: an einen der Franziskaner aus der Ordensgemeinschaft des Klosters, der sich viele Jahre für Obdachlose eingesetzt hat und dafür mit der Bürgermedaille ausgezeichnet wurde. Dass ihm auch die Eisenbahnfreunde auf ihrer Anlage ein Denkmal gesetzt haben, hat einen besonderen Grund, denn ohne ihn hätten sie vermutlich nicht ihr heutiges Domizil unter dem Dach des Klosters. Es ist eine Erfolgsgeschichte, von der viele einen Nutzen haben.

Sie beginnt mit einem Dutzend Männern, die in ihren Hobbykellern basteln. Hin und wieder treffen sie sich bei einem Mitglied in der Garage, bauen alles aneinander, um so auch mal richtigen Zugbetrieb machen zu können. „Schließlich hatten wir eine kritische Grenze erreicht, mussten mit der Anlage bis auf den Bürgersteig“, erinnert sich Vereinsmitglied Jürgen Wiethäuper. Irgendjemand aus der Runde hatte die Idee: „Ich frag mal Bruder Otger, den Klosterpförtner. Die Franziskaner haben einen großen ungenutzten Raum, da könnten wir die Modellbahn vielleicht mal eine Woche aufbauen und auch der Öffentlichkeit zeigen.“ Was die meisten nicht zu hoffen gewagt hatten: Beim nächsten Clubabend machte die Nachricht die Runde „Die Franziskaner sind einverstanden!“.

Kirche und Kloster im Miniaturformat
Alles im Miniaturformat: Dazu gehören auch Kloster und Kirche, hier aus der Vogelperspektive. Foto: Stefan Branahl

Eine Hand wäscht die andere, nach der erfolgreichen ersten Ausstellung gab es für Bruder Otger einen Scheck. „2500 Mark konnten wir ihm damals für seine Wärmestube überreichen“, erzählt Jürgen Wiethäuper. Es war der Beginn einer langen Freundschaft, die bis heute anhält: In diesem Jahr laden die Modellbauer zum 30. Mal zur Ausstellung ein, für das erste Wochenende im September hoffen sie auf tausend Besucher – und wie jedes Jahr ist der Erlös wieder für die Wärmestube bestimmt. Mehr als 135 000 Euro sind bisher zusammengekommen.

Bis zur Ausstellung haben wir alles im Griff.

Davon profitieren nicht nur die Obdachlosen, sondern auch die Modelleisenbahner: Inzwischen haben sie unter dem Dach des Klosters eine feste Bleibe gefunden. „Als wir vor zehn Jahren das Angebot bekamen, das Dachgeschoss zu nutzen, haben wir sofort zugegriffen“, sagt Vereinsvorsitzender Torsten Kreiling. Viel Eigenarbeit war für den Ausbau nötig, aber heute erinnert nichts mehr an die nackten Balken von damals. Entstanden ist eine Modellbahn vom Feinsten, die an jeder Ecke die Besucher in den Bann zieht. Ausgehend vom Bahnhof Laumannsbrück ziehen Dampf- und Dieselloks ihre Wagen durch Stadtkulissen, Industriegebiete und liebevoll gestaltete weiträumige Landschaften. 

Lange Züge fahren nach Fahrplan über eine 250 Meter lange Paradestrecke, im Güterbahnhof wird emsig rangiert. Dargestellt ist ein Sommertag Mitte der 1960er Jahre. Entsprechend jener Jahre gibt es in den Hinterhofwerkstätten viel Betrieb, der Bauer mäht das Korn auf dem Feld noch mit der Sense, auf den Stoppeln lässt ein Junge in Lederhose seinen Drachen steigen. Häuser am Anlagenrand sind so gebaut, dass abgedeckte Dächer (wegen Reparaturarbeiten) oder offene Fassaden Einblick in die detailgetreue Inneneinrichtung möglich machen.

Stand mit Töpfereiwaren Miniatureisenbahn
Schwester Josefo verkauft Töpferwaren – im Modell und auch im richtigen Leben. Foto: Stefan Branahl

Wie bei der richtigen Bahn ziehen die Züge nicht einfach ihre Kreise, sondern haben ein Ziel: Das kann ein kleiner Endbahnhof sein, wo die Lokomotiven umgesetzt werden müssen, bevor es zurück geht nach Laumannsbrück. Das kann aber auch eine halbe Tagesreise entfernt liegen. Dafür fahren die Zuggarnituren in eine Art Depot (Modellbahner sprechen von einem Schattenbahnhof), werden dort ab- und eventuell neu zusammengestellt und kehren irgendwann nach Passieren einer Kehrschleife an ihren Startpunkt zurück. Alles in allem also ein ausgetüfteltes System, an dem derzeit noch gearbeitet wird: „Wir haben gerade eine neue Steuerung eingebaut, und die hat noch ihre Tücken“, sagt Torsten Kreiling. „Aber bis zur Ausstellung haben wir alles im Griff!“

Aufmerksame Beobachter werden dann übrigens eine auffällige Konzentration von Ordensfrauen entdecken, immer in Dreiergruppen sind sie irgendwo auf der Anlage verteilt: Drei Franziskanerinnen haben inzwischen die Nachfolge von Bruder Otger und seinen Mitbrüdern angetreten. Und auch sie arbeiten für die Obdachlosen. Schwester Josefo zum Beispiel verkauft Töpferwaren – im richtigen Leben und selbstverständlich auch im Modell.

 

Zur Sache

Die Ausstellung im Franziskanerkloster Osnabrück, Bramscher Straße 158, findet am 2. und 3. September statt. Geöffnet ist jeweils von 10 bis 18 Uhr. Dann kann nicht nur die Anlage der Eisenbahnfreunde besichtigt werden; im ganzen Haus dreht sich alles um das Thema Modellbau.

So gibt es unter anderem eine Lego-Eisenbahn und eine Kirmes im Modell, Flugzeuge und Schiffe in unterschiedlichen Maßstäben sowie Papiermodelle, außerdem Basteltische für Kinder.

Jugendliche und Erwachsene zahlen fünf Euro Eintritt, für Kinder ist er kostenlos. Das Geld ist für die Wärmestube der Franziskaner bestimmt.

Stefan Branahl