Gedenkgottesdienst für den Umsturzversuch am 20. Juli 1944

Ein Aufstand des Gewissens

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Der Umsturzversuch des 20. Juli 1944, bei dem Adolf Hitler getötet werden sollte, jährte sich zum 75. Mal. In einem Ökumenischen Gottesdienst in der Gedenkstätte Plötzensee wurde der hingerichteten Beteiligten gedacht.

Der Gedenkgottesdienst für die Widerstandskämpfer vom 20. Juli in Plötzensee. | Fotos: Gunnar Lammert-Türk
 
„Ich wünsche mir, hier bei den Fleischerhaken von Plötzensee, dass wir die Macht der Wahrheit und die Heiligkeit der Zeugen erfahren.“ So schloss Pater Karl Meyer seine Predigt im Gedenk-Gottesdienst an die Frauen und Männer des gescheiterten Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944.
Der ökumenische Gottesdienst fand im mauerumsäumten Vorhof der Hinrichtungsstätte mit den Fleischerhaken statt, an denen ab 1942 die vom NS-Regime Verurteilten, so auch viele Beteiligte des 20. Juli und Mitglieder des Kreisauer Kreises, erhängt wurden. Mit Blick auf die Mauer mit der Aufschrift „Den Opfern der Hitlerdiktatur der Jahre 1933 -1945“ folgten die gut 200 Gäste den Ausführungen Pater Meyers. Was wir Heutige den Frauen und Männern des 20. Juli 1944 verdanken, fasste er in die Worte: „Das Misslingen des Anschlags auf Hitler hat uns ermöglicht, die Würde des Menschen zu erfahren.“
Das war zum einen ein Hinweis auf das Verhalten der Widerständler nach ihrem Scheitern: ihre Standhaftigkeit vor dem Volksgerichtshof und in der Haft. Zum anderen wies es darauf hin, dass ihr, wenn auch später, Versuch, das NS-Regime zu stürzen, vor allem eins war: eine Bewahrung der Ehre im Strudel der Vernichtung und Entwürdigung. Eine Rettung des Bildes vom Menschen. Ein Aufstand des Gewissens, von dem Henning von Tresckow damals sagte, es komme weniger auf den praktischen Zweck als vor allem darauf an, „vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf“ zu wagen.
Dass sich darin, wie es Pater Mey­er zum Ausdruck brachte, später die Macht der Wahrheit und die Heiligkeit ihrer Zeugen zeigen würde, war nicht selbstverständlich. Noch viele Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und der NS-Herrschaft wurden die am 20. Juli Beteiligten als Verräter des deutschen Volkes verunglimpft und ihre Nachkommen nicht selten beschimpft und bedroht.Nun waren sie, wie die Jahre zuvor, mit ihren Familien zum Gedenken an ihre wagemutigen Vorfahren gekommen. Zusammen mit anderen evangelischen und katholischen Frauen und Männern.
 
Eine Art Leitbild für die Bundeswehr
Alfred Graf von Stauffenberg war aus Stuttgart angereist.

Dieses Gedenken hat für Deutschland eine besondere Note. Weil ein Großteil derer, die den Umsturzversuch gewagt hatten, aus Kreisen der Wehrmacht stammten, gelten sie als eine Art Leitbild für die Bundeswehr. Deshalb findet das Gedenken seit einigen Jahren am Tag der Vereidigung der neuen Rekruten der Bundeswehr statt. So auch dieses Jahr.
Unter den Besuchern des Gottesdienstes waren allerdings nur wenige in der Uniform der Bundeswehr gekommen. Einer von ihnen war Alfred Graf von Stauffenberg. Der Leutnant der Reserve war mit seiner Großmutter aus der Gegend um Stuttgart angereist.
Er sieht sich als Vertreter der nächsten Generation, die nach den direkten Nachfahren jener, die im Sommer 1944 dem NS-Regime ein Ende bereiten wollten, das Gedenken aufrechterhalten.„Ich finde es wichtig“, betont er, „dass jemand aus unserer Familie als Angehöriger von Leuten des Widerstands als Zeuge an dem Gedenken teilnimmt.“
Alfred Graf von Stauffenberg ist der Urenkel von Berthold Schenk Graf von Stauffenberg. Auch für ihn, den weniger bekannten Bruder von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der ihn aber maßgeblich beeinflusst hat, was die Entscheidung zum Widerstand betrifft, ist er gekommen. Für diese Entscheidung, davon ist der Nachfahre überzeugt, lag die Hauptmotivation in der Gewissensentscheidung der Brüder als Christen. Für Alfred Graf von Stauffenberg und für uns dürfte zutreffen, was zum Eingang der Fürbitte gesagt wurde: „Wir danken für Frauen und Männer, die gegen den Strom geschwommen sind.“

 
Von Gunnar Lammert-Türk