Gedenkgottesdienst für Corona-Tote

Ein Superteam tankt auf

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Pflegekräfte haben in den vergangenen Wochen viele belastende Situationen erlebt. Im Marienhospital Osnabrück feierten sie jetzt einen Gottesdienst für die Verstorbenen, um Angehörigen und sich Wärme und Liebe zu schenken.


Während der Corona-Pandemie organisierten die Pflegerinnen Elisa Schulz und Maja Prigge sowie Seelsorgerin Hildegard Schulte (v.l.) einen Gottesdienst zur Erinnerung an die Verstorbenen. Foto: Marie-Luise Braun

Pflegepersonal darf keine Berührungsängste haben. Weder vor Menschen noch vor Themen. Aber beim Thema Corona suchen auch Maja Prigge und Elisa Schulz immer wieder nach den richtigen Worten. „Kann man das so sagen, ohne dass es jemanden verletzt? Treten wir jemandem zu nahe?“, fragten sich die beiden Gesundheits- und Krankenpflegerinnen aus dem Marienhospital Osnabrück (MHO) während des Gesprächs mit dem Kirchenboten für diesen Artikel und suchen immer wieder nach einer stimmigen Formulierung. Und jedes Mal schimmert ihr Respekt vor den Patienten und ihren Angehörigen durch. 

Dieses Gefühl stand auch im Mittelpunkt, als Prigge und Schulz jetzt einen Gottesdienst zum Gedenken an die Patienten organisiert haben, die im Marienhospital an Corona gestorben sind. Es sei ihr ein Anliegen gewesen, sagt Maja Prigge und: „Ich habe mich gefragt, wo die Menschenwürde ist“, erzählt sie mit Blick auf die strengen Vorschriften während der Corona-Pandemie. Mit Hilfe des Gottesdienstes in der Kapelle des Marienhospitals wollte die 47-Jährige den Angehörigen etwas Wärme und Liebe mit auf den Weg geben. 

Ihre Vorgesetzten gaben grünes Licht und auch Hildegard Schulte, die Leiterin der Krankenhausseelsorge, war von der Idee angetan. Prigges Kollegin Maja Schulz war als Organisatorin mit dabei. Schulz hatte zuvor auch schon initiiert, jedem an Corona verstorbenen Patienten einen Stein zu widmen, der auf einem geschmückten Tisch auf der Station als Andenken seinen Platz fand. „Wir hatten vorher einfach nichts zum Gedenken“, erinnert sich Elisa Schulz und betont: „Wir wollen zeigen, dass wir die Verstorbenen nicht vergessen.“ Seelsorgerin Hildegard Schulte verweist auf die Tradition von Steinen für das Gedenken: „Die meisten Menschen haben einen Grabstein. Und im jüdischen Glauben legen Menschen Steine auf die Gräber der Verstorbenen, die sie besuchen.“ 

Während der Pandemie sterben alle einsam

Mit großem Respekt blicken die zwei Pflegekräfte auf die vergangenen Wochen zurück. Das Marienhospital war im Verbund der Niels-Stensen-Kliniken der zentrale Ort für Corona-Erkrankte. Sie wurden aus den fünf Krankenhäusern der Region, die dem Verbund angehören, nach Osnabrück verlegt. Die Pflegenden haben sich trotz der größeren Belastungen in dieser schweren Zeit im Sinne der Kranken, der Sterbenden und der Angehörigen eingebracht.

Maja Prigge erzählt: „Es stirbt immer mal wieder jemand allein, weil er keine Angehörigen hat. Aber während der Pandemie sterben alle einsam.“ Eine Ausnahmesituation, selbst für eine langjährige Pflegekraft wie sie. Der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen habe ihr geholfen, so Prigge. „Wir haben viel geredet im Team“, sagt auch Elisa Schulz. Zudem habe ihnen das Team der Seelsorge und der psychologische Dienst zur Seite gestanden. Es sei überhaupt eine großartige Zusammenarbeit gewesen, die verschiedene Ebenen eingeschlossen habe, wie Klinikleitung, Oberärzte, Pflegerische Klinikleitung. „Es ist ein Superteam auf der Station, ein gutes Miteinander und ein großer Zusammenhalt“, würdigt Hildegard Schulte die Zusammenarbeit ihrer Kolleginnen aus der Pflege.

„Wir haben von allen Seiten Unterstützung bekommen, wir waren gut informiert, hatten immer genug Schutzkleidung und wir haben auch Nervennahrung bekommen“, erzählt Schulz. Und trotzdem: „Ich habe manches auch mit nach Hause genommen“, sagt die 23-Jährige über die Gedanken, die sie auch nach Feierabend nicht losließen. Deshalb sei der Gottesdienst auch ein kleines bisschen für sie und ihre Kolleginnen gewesen, meint Elisa Schulz und Maja Prigge nickt. In der Hauptsache aber, sei er für die Verstorbenen gewesen – und für ihre Angehörigen. Die konnten an dem Gottesdienst jedoch nicht teilnehmen, denn die Kapelle des Krankenhauses bot wegen der Corona-Vorschriften nur Platz für 20 Personen. 

Zum ersten Mal eine Fürbitte verlesen

Diese Plätze waren daher mit Mitarbeitern des Krankenhauses besetzt. Mit dem Gottesdienst hat Maja Prigge offenbar ein Bedürfnis vieler Kolleginnen und Kollegen getroffen. Manche kamen während der Feier auch zu Wort. So hat Prigge zum Beispiel eine Fürbitte verlesen. „Das habe ich noch nie gemacht. Auch nicht bei der Konfirmation meiner Kinder.“ Während des Gottesdienstes wurden auch die Steine integriert, die den Verstorbenen gewidmet sind. So konnten zumindest symbolisch auch diese ehemaligen Patienten mit dabei sein. 

Wie nehmen Maja Prigge und Elisa Schulte denn die Diskussionen wahr, die derzeit über die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen geführt werden? Ganz anders als das, was sie im Marienhospital erleben, stellen alle drei Frauen fest und fangen an zu erzählen, wie heftig manche Patienten an den Corona-Symptomen leiden. Aber dann bitten sie, nicht allzu viel darüber zu schreiben. Aus Respekt vor den Betroffenen.

Marie-Luise Braun