Diakon Daniel Frank leitet das Katholische Büro Sachsen

Füreinander einstehen

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Vor einem Jahr hat der Dresdner Diakon Daniel Frank die Leitung des Katholischen Büros Sachsen übernommen. Im Interview mit dem TAG DES HERRN erläutert er, was ihm in der Beziehung von Staat und Kirche wichtig ist.

Vor der Dresdner Kathedrale: Diakon Daniel Frank und seine Sekretärin Christina Hille, die gemeinsam mit ihm vor einem Jahr den Dienst im Katholischen Büro Sachsen antrat. | Foto: Dorothee Wanzek

 

Herr Diakon Dr. Frank, was ist nach einem Jahr als Leiter des Katholischen Büros Sachsen Ihre größte Sorge um Sachsen, und was ist Ihre größte Hoffnung für dieses Land?
 
Beides geht ineinander über. Meine größte Sorge ist, dass Unzufriedenheit und Unfriede, die sich in den letzten Jahren breitgemacht haben, weiter Raum greifen. Meine Hoffnung ist, dass wir es schaffen, einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt herzustellen. Der Respekt vor der Menschenwürde und das „Füreinander-Einstehen“ sollten wieder zu zentralen Anliegen werden. Das Klima hat sich verändert. Viele Menschen fühlen sich zurückgesetzt und reagieren mit Wut. Ich wünsche mir, dass wir zurückfinden zur Aufbruchstimmung der Friedlichen Revolution und dass wir wieder verstärkt danach fragen, was jeder Einzelne tun kann für die Gesellschaft.
 
Gibt es Erfahrungen, die Ihre Hoffnung stärken?
 
Durchaus. Innerhalb der Kirche  sowohl in den Pfarreien als auch in der Caritas. Gemeinden können Beheimatung bieten und sind damit Basis dafür, dass nicht nur Glaube wachsen kann, sondern mit ihm auch die Bereitschaft, sich einzubringen. Gerade da setzt auch der Erkundungsprozess im Bistum ein. Es geht ja dabei nicht vorrangig darum, dass Gemeinden neu gegründet werden, sondern um die Frage, wie wir so Kirche sein können, dass Menschen merken: Christus ist da. Und dafür ist der Dienst unserer karitativen Einrichtungen an den Hilfebedürftigsten unerlässlich. Ich sehe auch über den kirchlichen Rahmen hinaus Hoffnungszeichen. Bevor ich mein jetziges Amt übernahm, war ich über 14 Jahre lang leitender Justitiar der Firma BASF in Schwarzheide. In vielen Begegnungen habe ich dort auch bei konfessionell ungebundenen Mitarbeitern immer wieder erlebt, dass die Suche nach dem Guten und dem Sinn des Lebens ihr Handeln prägte. Auch in meiner jetzigen Tätigkeit habe ich mit vielen Menschen aus Wirtschaft und Politik gesprochen, die in mir die Hoffnung nähren, dass sich unsere Gesellschaft auf ein Miteinander zubewegt, das von gegenseitiger Wertschätzung und Anteilnahme geprägt ist. Politiker ihrerseits sagen mir immer wieder, wie sehr sie sich erhoffen, dass sich die Kirchen mit ihrer Botschaft in den gesellschaftlichen Dialog einbringen.
 
Erleben Sie, dass solches  Vertrauen durch Negativ-Schlagzeilen über die Kirche beeinträchtigt wird, wie jüngst etwa aus Anlass der Missbrauchs-Studie?
 
Diese Studie ist erst seit Kurzem öffentlich zugänglich; das volle Maß der Auswirkungen können wir noch nicht abschätzen. Generell hat die Kirche durch den Missbrauchs-Skandal einen enormen Vertrauensverlust erlitten. Wir werden lange brauchen, um das verloren gegangene Vertrauen wiederzugewinnen. Gelingen kann das nur, wenn wir eine Haltung der Demut einnehmen. Das heißt nicht, uns aus der Gesellschaft zurückzuziehen. Wir sollten uns einbringen in dem Bewusstsein, das auch die katholische Kirche aus Menschen besteht, die Fehler haben und sündigen. Gerade aus dieser Perspektive heraus müssen wir den Menschen begegnen, die am Rande der Gesellschaft stehen und sich in Notlagen befinden.
 
Als Justitiar hatten Sie Unternehmerinteressen zu vertreten, als Caritasvorsitzender und Diakon ist Ihr Platz eher auf Seiten der Schwächeren. Wie haben Sie diese Spannung erlebt? Und: Welche Seite kommt im Katholischen Büro stärker zum Zuge?
 
Ich bin Gott dankbar, dass ich bei BASF nie eine Entscheidung gegen mein Gewissen treffen musste. Im Unternehmen war bekannt, dass ich Diakon bin und wofür ich stehe. Mein Ehrenamt bei der Caritas habe ich von der Firmenleitung genehmigen lassen. Die Spannung, von der Sie sprechen, habe ich als Chance gesehen. Mir war es wichtig, mich von Prinzipien leiten zu lassen, die auf typische christliche Tugenden zurückgehen. Zum Beispiel habe ich von Menschen, die ein Anliegen oder einen Auftrag an mich hatten, nicht verlangt, dass sie zu mir kommen. Sondern ich verstehe mich als Dienender und bin zu ihnen gegangen – und dies handhabe ich übrigens heute weiterhin so. Bei problematischen Ereignissen im Betrieb habe ich mich dafür eingesetzt, nicht vorrangig nach Schuldigen zu suchen, sondern nach Lösungen und danach, wie man verhindern kann, dass sich so etwas wiederholt. Im Katholischen Büro bin ich ja gewissermaßen Botschafter des Dialogs zwischen Kirche und staatlichen Stellen und zugleich Ansprechpartner der Kirche für die Politik. In dieses Aufgabenspektrum passt meine Berufung als Jurist ebenso wie meine Berufung zum Diakon. Recht und Dienen, Wahrung von Regeln und Ermöglichung von Begegnung – das sind jeweils zwei Seiten, die es gilt, in Einklang zu bringen. Ich finde das eine spannende und schöne Aufgabe, die mir ermöglicht, die zwei Herzen, die in meiner Brust schlagen, zu vereinen. 
 
Wer heute in der Gesellschaft Verantwortung übernimmt, sieht sich wachsenden Anfeindungen ausgesetzt. Dass die Bischöfe in Sachsen da ermutigend und bestärkend in Erscheinung treten, ist sicherlich wichtig. Stehen sie damit aber nicht auch in der Gefahr, dass man sie allzu sehr mit den Herrschenden identifiziert und zu wenig als Sprachrohr der Benachteiligten wahrnimmt?
 
Natürlich müssen wir als Kirche wachsam sein und dürfen uns nicht vereinnahmen lassen. Ich sehe in Sachsen aber keine Anzeichen, dass wir dieser Gefahr unterliegen. Um die Rolle der Kirchen im Staat zu erklären, habe ich in letzter Zeit mehrfach den ehemaligen Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde zititert: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“
 
In einer Akademie-Veranstaltung im Januar sagten Sie, die Kirche könnte sich mehr einbringen, wenn es um Menschenwürde, Nächstenliebe, sozial Schwache und Benachteiligte geht. Über die Medien ist die katholischen Kirche in Sachsen in letzter Zeit eher seltener wahrnehmbar als etwa in der Amtszeit von Bischof Heiner Koch. Wie bringen Sie sich ein?
 
Bischof Heinrich Timmerevers thematisiert diese Fragen immer wieder bei öffentlichen Veranstaltungen, zuletzt auf der Bistumswallfahrt.  Die Caritas rückt soziale Fragen ebenfalls in den Fokus; als Leiter des Katholischen Büros obliegt es mir ferner, Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben vorzulegen. Auch bei der Katholische Akademie gehören diese Fragen zum Themenspektrum, etwa in neuen Veranstaltungsformaten wie dem „Sachsen-Sofa“ oder bei grenzüberschreitenden Veranstaltungen mit polnischen und tschechischen Nachbarn. Sicherlich brauchen wir noch weitere Möglichkeiten, um mit dem gesamten Querschnitt der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen.
 
Und wie sieht es beim Thema Fremdenfeindlichkeit aus? Politiker verschiedener Parteien äußern sich in der Flüchtlingspolitik zurzeit eher nebulös, vielleicht um keine Wählergruppe zu verprellen. Sehen Sie auch die Kirchen in der Gefahr, Rassismus nicht klar genug zu verurteilen, mit Rücksicht auf Pegida-Symphatisanten in den eigenen Reihen?
 
Als Kirche haben wir eine klare Haltung und beziehen Stellung gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und menschenverachtendes und entwürdigendes Reden und Handeln. Andererseits bemerken wir natürlich, dass es in den Pfarreien in der Flüchtlingspolitik oft verschiedene Sichtweisen gibt. Aus seelsorglicher Perspektive müssen wir auch darauf achten, dass wir Menschen, die sich äußern, nicht vorzeitig in die eine oder andere politische Schublade stecken.
 
Wie gehen Sie mit AfD-Politikern um?
 
Wenn sie das Gespräch mit mir suchen, verweigere ich mich dem nicht, sage aber auch ganz klar, was ich von der politischen Kultur her von ihnen erwarte und wo für mich rote Linien sind. Solange die nicht überschritten sind, sollten wir als Kirche gesprächsbereit sein.
 
Gibt es „Herzensanliegen“, die Sie in Ihrer weiteren Dienstzeit im Katholischen Büro verfolgen möchten? 
 
„Wie können wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken?“ wird sicher die Leitfrage meines Dienstes bleiben. Ich möche das nicht auf Sachsen beschränkt sehen. Der Zusammenhalt Europas bröckelt. Wichtig scheint es mir, dass wir uns in Erinnerung rufen, dass wir seit über 70 Jahren im Frieden leben. Das ist ein Verdienst des gemeinsamen Europas und ein Geschenk, das gepflegt werden muss.
 
Interview: Dorothee Wanzek