Sonderausstellung Frauenwelten. Die Klöster Heiningen und Dorstadt

Gegen alle Regeln

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Was hat eigentlich über Jahrhunderte unser Bild von „der Frau“ geprägt? Dieser Frage geht die neue Sonderausstellung im Dommuseum auf den Grund. Sie zeigt: Auch hinter Klostermauern gab es Widerstand gegen die von Männern dominierte Welt. Erzählt wird die Geschichte am Beispiel selbstbewusster Ordensfrauen aus Heiningen und Dorstedt.


Ausdruck von Selbstbewusstsein: Auf dem Altarteppich
halten die Stifterinnen von Heiningen die Kirche in
ihren Händen.

Sie waren mehr als fromme Beterinnen, sie waren klug, einflussreich und wohlhabend – Frauen, die vor vielen Jahren in den Klös­tern Heiningen und Dorstedt bei Wolfenbüttel das Sagen hatten. In der Sonderausstellung „Frauenwelten“ im Dommuseum dienen sie in mehrfacher Hinsicht als Beispiel: In einer durch und durch von Männern beherrschten Welt erkämpften sie sich Respekt und Anerkennung, sie kannten sich aus in Fragen der Theologie, der Wissenschaft und der Philosophie. Sie waren offensichtlich begnadete Künstlerinnen. Und sie hatten ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, wird vor allem am Ende des Rundgangs am Beispiel einer prachtvollen großen Stickerei aus dem 17. Jahrhundert vor Augen geführt: Der Vorhang zeigt die Stifterinnen von Heiningen in der Zeit der Ottonen, sie halten die Kirche in ihren Händen.

„Weder Herrlichkeit noch Bild Gottes“

Bemerkenswert, dass dieses Denken in einer Zeit möglich war, die geprägt war von herabwürdigenden Aussagen großer Kirchenväter und Philosophen gleichermaßen. „Das Verhältnis von Mann und Frau ist von Natur aus ein Verhältnis von Überlegenen zu Unterlegenen, von Herrschern zu Regierten“, so Aristoteles. Und der frühe Kirchenrechtler Gratian: „Die Frau ist weder Herrlichkeit noch Bild Gottes.“ Starker Tobak, formuliert auf großen Spruchblasen, die in die Ausstellung als eine Art Störelemente integriert sind.
 


Museumsdirektorin Claudia Höhl:
„Die Klosterfrauen waren selbstbewusst
und setzten sich über Regeln hinweg.“

Die Klosterfrauen von Heiningen und Dorstadt haben sich von solchen Sprüchen nicht bange machen lassen. Fairerweise müssen wir festhalten, dass ihr gesellschaftlicher Hintergrund die Standhaftigkeit erst ermöglichte: Sie alle kamen aus dem betuchten Adel, die Familien sorgten dafür, dass sie ihr Leben nicht als arme Kirchenmäuse fristen mussten, sondern mit Ländereien und gefüllten Geldtruhen ausgestattet waren. So ließ es sich nicht nur leichter für das Seelenheil der verstorbnene Angehörigen beten, so war es auch eher mal möglich, der alles dominierenden Männerwelt Paroli zu bieten.

Blick in die Geschichte mit aktuellen Bezügen

Gerade weil die Ausstellung weit in die Geschichte zurückblickt, sieht Museumsdirektorin Claudia Höhl aktuelle Bezüge: „In einer Zeit, in der wir über Gendersternchen diskutieren, fragen wir, worauf  das Frauenbild unserer Zeit  gegründet ist. Wir können von den Klosterfrauen lernen, wie sie sich über die Regeln ihrer Zeit hinweggesetzt und ihre Rechte eingefordert haben.“

Lebendig wird diese Geschichte anhand von vielen herausragenden Kunstwerken, die aus den beiden Klöstern stammen und zum Teil Eingang in weltberühmte Sammlungen gefunden haben. Es lohnt sich, an einer der Kuratorinnen-Führungen teilzunehmen (28. Oktober und 19. Januar, jeweils 16 Uhr), um dem Thema auf den Grund zu gehen.

dommuseum-hildesheim.de

Stefan Branahl