Zehn Jahre "Laudato si"
„Gelobt seist du, mein Herr ...“
![Klimawandel](/sites/default/files/styles/wide/public/2025-01/brennender_regenwald_bolivien_2023-11-09_at_19.30.36.jpg?itok=pgfVT9PO)
Comisiòn Episcopal de Communicación Social
Die Enzyklika „Laudato si’“ widmet sich Themen wie Klimakrise, Energie, Hunger, Migration und liefert zugleich Lösungsansätze.
Welche Botschaft hat Papst Franziskus mit „Laudato si’“ an die Welt gesendet?
Blickt man auf den damaligen weltpolitischen Zusammenhang, so erschien die Enzyklika im Vorfeld der Weltklimakonferenz von Paris. Der Papst analysierte den katastrophalen Zustand der Erde und die damit verbundene Not der Menschen. Er verband dies mit der Aufforderung zu einer tiefgreifenden Veränderung und rief zur ökologischen Umkehr auf. Damit unterstrich er die Dringlichkeit, sich weltweit auf ein Ziel, den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, zu verständigen. Dies geschah in Paris mit der Festlegung, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C, gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Diese Grenze haben wir praktisch heute, zehn Jahre nach Paris und „Laudato si’“, schon gerissen.
„Laudato si’“ knüpft an den Sonnengesang des heiligen Franziskus von Assisi an, an ein Loblied auf die Schöpfung. Aber ein Loblied ist diese Enzyklika eher nicht – oder?
Oh doch. Sicherlich ist sie auf der einen Seite realistisch und benennt ungeschminkt den Zustand unseres Planeten, der durch Gleichgültigkeit und Habgier abgewirtschaftet ist. Und zugleich ist sie – auf der anderen Seite – ein Loblied auf den Schöpfer, auf die Schönheit seiner Schöpfung – und dies in einer stellenweise sehr poetischen Sprache: „Das Universum entfaltet sich in Gott, der es ganz und gar erfüllt. So liegt also Mystik in einem Blütenblatt, in einem Weg, im morgendlichen Tau, im Gesicht des Armen.“ Die Frage an uns Menschen ist, ob wir zusammen mit der ganzen Schöpfung in das Loblied des Schöpfers einstimmen oder – weitgehend schöpfungsvergessen – wie bisher weitermachen wollen. Letztlich traut der Papst aber dem Menschen – angesichts der Lage – fast schon Unglaubliches zu: umzukehren!
![Papst Franziskus Pfingsten 2015](/sites/default/files/inline-images/25-2_Nord_24-27_Blickpunkt_kna_150524-93-000155.jpg)
Enzyklika „Laudato si’ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“. (Foto: Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani/KNA)
Welches sind die Kernpunkte von Laudato si’, welches sind die Punkte, weshalb sich Papst Franziskus Sorgen über das gemeinsame Haus, den Planeten Erde, macht?
Für mich liegt einer der Kerngedanken darin, dass Papst Franziskus die sozialen und die ökologischen Krisen als unaufhebbar miteinander verwoben kenntlich macht. Wir haben nicht soziale und ökologische Krisen nebeneinander, sondern – so schreibt er – wir haben „eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise“. Will sagen: die Auswirkungen der Naturzerstörung und Klimaerhitzung wie Dürren, Überschwemmungen, Übernutzung von Böden und Ökosystemen führen zu Missernten, Hunger, der Verschärfung von Konflikten – etwa um Wasser – und damit zu ungeheuren sozialen Verwerfungen und gesellschaftlichen Problemen mit globalen Auswirkungen wie Flucht und Migration. Umgekehrt wird dort, wo Menschen ausgebeutet werden, meist auch die Natur ausgebeutet. Wir können die sozialen Ungerechtigkeiten nicht mehr losgelöst von den ökologischen Verheerungen denken – und umgekehrt. Ein Dienst am Erhalt und der Wiederherstellung einer intakten Erde ist ein Dienst an den Armen. Ja, noch viel mehr: Unsere verwüstete, ausgebeutete und misshandelte Schwester, Mutter Erde, ist „die Allerärmste aller Armen“, wie der Papst sagt.
Ist die Enzyklika ungehört verhallt oder klingt sie auch nach zehn Jahren noch nach?
Dass wir uns heute in der Kirchenzeitung über sie unterhalten und dass das zehnjährige Jubiläum ihres Erscheinens deutschland- und weltweit in der katholischen Kirche begangen wird, zeigt ihre ungebrochene Bedeutung. Denn längst ist weder sozial noch ökologisch, noch theologisch eingeholt, was in ihr steckt. Übrigens sehr zum Missfallen des Papstes, der seiner Ungeduld in dem apostolischen Schreiben „Laudate Deum“ von 2023 – wiederum im Vorfeld einer Weltklimakonferenz – Ausdruck verliehen hat: „Aber mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt“, schreibt der Papst dort – ganz zu Recht, wie ich meine.
Was hat „Laudato si’“ konkret ausgelöst?
„Laudato si’“ war und ist ein Meilenstein, hinter den wir auch kirchlicherseits nicht mehr zurückgehen können, ohne den Rest an Glaubwürdigkeit und Integrität zu verlieren, den wir vielleicht noch haben. Dieser Meilenstein stützt und stärkt all jenen den Rücken, die sich für Schöpfungsgerechtigkeit einsetzen. Ich denke zum Beispiel an zahlreiche gute Schriften aus den Kommissionen der Bischofskonferenz, etwa zum bedrohten Boden (2016) oder zum Wert der Biodiversität (2021). Und natürlich daran, dass sich die Bischöfe 2018 im Geiste von „Laudato si’“ Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für ihre Diözesen gegeben haben. Der Öffentlichkeit über die Fortschritte zu berichten, steht übrigens mal wieder an.
![Umweltreferent Dirk Preuß](/sites/default/files/inline-images/25-2_Nord_24-27_Hi_Dirk%20Preuss.jpg)
In vielen Pfarrgemeinden wurde die Enzyklika vor zehn Jahren intensiv diskutiert. Zum Teil wurden Arbeitskreise gebildet. Was ist von dieser Euphorie geblieben?
Euphorie war es ja nur zum Teil: Freude darüber, dass sich endlich ein Papst jenes Themas so ausdrücklich annimmt, das die zentrale Menschheitsherausforderung des 21. Jahrhunderts darstellt. Neben der Euphorie stand aber auch eine große Sorge: die Sorge um den verwüsteten Planeten. Und diese Sorge ist leider nicht kleiner geworden – ganz im Gegenteil. Der Kohleverbrauch hat beispielsweise im vergangenen Jahr 2024 laut Internationaler Energieagentur einen neuen Höchststand erreicht.
Hat sich durch „Laudato si’“ in den Pfarrgemeinden etwas verändert?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Und ich würde nicht nur auf die Pfarrgemeinden schauen, sondern auf alle unsere Einrichtungen und Institutionen von Kindergärten und Schulen über Bildungshäuser bis hin zur Verwaltung. Und natürlich auf die (Erz-)Bistümer selbst. Wir sind da mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs, würde ich sagen.
Wie lautet Ihr Fazit zu dem, was durch „Laudato si’“ angestoßen wurde?
Wer mit halbwegs klarem Verstand durch diese Welt geht, weiß: Es muss viel mehr geschehen, wir müssen das Menschenmögliche tun – und dann hoffen, dass der liebe Gott den Rest macht. Viele Aktivistinnen und Aktivisten gehen bereits an ihre körperlichen und psychischen Grenzen und weit darüber hinaus. Aber für die meisten von uns und für uns als regionale, nationale, europäische und internationale Gemeinschaft beziehungsweise Gesellschaft ist noch viel Luft nach oben. Gleiches gilt für die Kirchen. Dabei würde ich die kühne These aufstellen: Wenn wir uns als Kirche – als Pfarrgemeinde, als Dekanat, als Bistum – nicht dieses Menschheitsthemas überzeugend in Worten und Werken annehmen, schaffen wir uns selbst ab. Denn entweder sind wir bei den Sorgen und Nöten, der Trauer und Angst der Menschen von heute, oder wir sind nicht mehr. Entweder wir sind bei den Armen und Bedrängten – und die Allerärmste aller Armen ist unsere Erde selbst – oder wir können den Laden gleich zumachen.
Oder positiv gewendet: Lassen Sie uns als Kirche zu einem Hoffnungszeichen in dieser Welt werden! Unser Leben, hat Papst Franziskus geschrieben, sei ein „Liebeslied für Gott, für die Menschheit, mit und für die Schöpfung“. Falls wir als Pfarrgemeinde, katholischer Verband, Bistum ein solches Liebeslied leben, mache ich mir zumindest um die Kirche keine Sorgen.