Der Natur auf der Spur (5)

Gemüse aus dem Garten

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Kartoffeln werden gewaschen
Nachweis

Foto: Matthias Petersen

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Wasser marsch: Auch in naturnahen Gärten muss es sauber zugehen. Foto: Matthias Petersen

Nahe dem Alfsee gibt es einen großen Garten, der im Sommer jeden Sonntagnachmittag besichtigt werden kann. Hier gibt es Tipps zur Förderung von Natur und Umwelt. Wussten Sie zum Beispiel, dass Giersch nicht nur Unkraut ist, sondern dass man die Blätter essen kann? Teil 5 der Sommerserie.

Einmal im Monat streift Ronald Siegmund-Stuckenberg mit besonders prüfendem Blick durch den Garten der Biologischen Station Haseniederung nahe dem Alfsee. Heute steht wieder ein Koch­event an, mehrere Erwachsene und einige Kinder haben sich angemeldet. Zu Beginn will Siegmund-Stuckenberg mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Ernte einfahren. Was gerade reif ist, wird verwendet. „Saisonales Kochen“ nennt das der Fachmann. Also kein Kohl im Frühjahr und keine Erdbeeren im Winter. Aber Zucchini oder Tomaten im Sommer.

Zum Glück hat der ehrenamtliche Mitarbeiter des eingetragenen Vereins diesen Rundgang aber schon ein paar Tage früher für sich alleine absolviert. Und dabei festgestellt, dass die Natur für seine Zwecke mal wieder etwas zu schnell war. Die erhofften Johannesbeeren sind längst reif und werden deshalb von ihm ein paar Tage lang tiefgekühlt aufbewahrt. Dafür ging es an anderer Stelle langsamer als erwartet: Die Möhren sind noch nicht groß genug, und auch für die Kartoffeln geht Siegmund-Stuckenberg schnell mal auf den Markt. Damit auch alle satt werden.

Alle vier Wochen besteht das Angebot, mit einer überschaubaren Gruppe zum Kochen auf das Gartengrundstück in Alfhausen zu kommen. Als der Alfsee gebaut wurde, war hier das Planungsbüro untergebracht. Jetzt dient das kleine Häuschen als Unterschlupf für verschiedene Events, die der Verein auf seinem Gelände anbietet. Gerade kommen die ersten Gäste, naturverbunden mit dem Rad. Siegmund-Stuckenberg hat Tische und Bänke auf einer Rasenfläche aufgebaut und ruft jetzt alle zusammen. Am Beginn steht ein kleiner Vortrag. Es geht um die Natur, wie wir sie bewahren können, welche Rolle dabei unser Konsumverhalten spielt. Ein bisschen Pädagogik als Vorspeise.

Der 63-Jährige hat als Agrar­ingenieur und Umwelt­ingenieur gearbeitet. Jetzt gibt er sein Wissen hier im Garten weiter. In seinem Impuls geht er darauf ein, worauf jeder Einzelne achten kann. Eben das Gemüse verwenden, das gerade Saison hat. Oder das aus der näheren Umgebung stammt. Einen großen Salatkopf hat er aus dem Garten mitgebracht. Die beste Zeit hat er schon hinter sich, aber essbar ist er trotzdem noch. „So etwas würde im Geschäft wahrscheinlich gar nicht mehr verkauft, aber es hat trotzdem noch einen Wert“, sagt Siegmund-Stuckenberg. Er will nicht verurteilen, etwa auf „die Landwirte“ schimpfen. Aus seinen Worten kann sich jeder das holen, was für ihn gerade passt.

So etwas würde im Geschäft wahrscheinlich gar nicht mehr verkauft, aber es hat trotzdem noch einen Wert.

Heute müssen Salate geputzt, Zucchinis geraspelt, Kräuter geschnitten werden. Schnell haben sich Interessengruppen gebildet. „Wir sind das ,Team Kartoffeln‘“, rufen zwei Frauen und nehmen die Erdäpfel mit zu einem Wasserhahn, um sie zu säubern. Eine Frau kommt aus dem Haus: „Ich habe schon mal eine Vinegrette gemacht“, sagt sie und gesellt sich zu den Salatputzern. Ein Mann kämpft mit einer großen Zucchini. Vielen sieht man an, dass ihnen das Wasser im Munde bereits zusammenläuft.

Der Verein Haseniederung hat seine Bestimmung gefunden. Umweltbildung ist ein Stichwort. Ob beim Kochevent, beim Kurs über nachhaltiges Heizen, beim Kräuterworkshop oder beim „Offenen Gartentor“ an jedem Sonntagnachmittag – gerne lassen sich die Vereinsmitglieder in die Karten schauen und geben ihr Wissen weiter, wie man der Natur auf die Sprünge helfen kann – Bio­diversität fördern, heißt das hier. Dazu dient auch der Garten in Alfhausen. Auf mehreren Hundert Quadratmetern ist ein Teich und sind eine Vielzahl verschiedener Beete angelegt. „Wir wollen in unserem ,grünen Klassenzimmer‘ zeigen, was man zu Hause im eigenen Garten mit heimischen Pflanzen alles machen kann, um der Natur Spielraum zu geben“, sagt Siegmund-Stuckenberg. Das wirkt sich dann auf die Tierwelt aus. „Der Zaunkönig braucht eben sein Gebüsch aus heimischen Sträuchern und nicht die Kirschlorbeerhecke“, sagt Siegmund-Stuckenberg. Die wächst zwar schnell als Sichtschutz, ist unter Spöttern aber auch als „wachsendes Plastik“ verschrien.

Menschen essen im Garten
Wohl bekommt‘s: Wenn Salate geputzt und Zucchinis geschnitten sind, kann an der frischen Luft gegessen werden. Foto: Matthias Petersen

Und was da nicht alles blüht und sprießt: In mehreren Schaubeeten ist zu sehen, was sich mit heimischen Pflanzen machen lässt. Dazu zählt auch ein Schotterbeet. Das lässt den Beobachter aufhorchen: Wird solche Art von Gartengestaltung von Naturliebhabern nicht gerade abgelehnt, weil nichts wachsen soll? Stimmt, sagt Siegmund-Stuckenberg. Aber es gebe Pflanzen, die eine solche Fläche besiedeln könnten. Das müsse dann auch weder ungepflegt aussehen noch viel Arbeit machen.

Die Staudenbeete sind allerdings ein Gegenentwurf zu einem Garten, in dem jeder Grashalm gestutzt, jedes Kraut entfernt wird. Dieses feste Bild wollen sie hier aufbrechen, ein anderes Ordnungsverständnis vermitteln. Und: Wer nur Steine im Garten hat, tut sich selbst keinen Gefallen. Denn die heizen sich tagsüber durch die Sonne auf und geben ihre Wärme ab, wenn es abends eigentlich kühler werden soll. Doch keine Regel ohne Ausnahme: In einer Ecke haben Vereinsmitglieder eine Trockenmauer gestaltet und dafür alte Ziegel verwendet. In den Ritzen können sich Kleinlebewesen ansiedeln.

Dann kommt ein Stück mit lauter Pflanzen, die eigentlich ein schlechtes Image haben. Brennnesseln, Disteln, Giersch. An der Nessel kann man sich kleine Hautverletzungen zuziehen, ebenfalls an der Distel. Der Giersch ist harmlos, dafür breitet er sich massenhaft aus. Andererseits sind das alles Gemüsesorten, die man essen kann. Die Natur hält alles bereit. Rezepte für Salat gibt’s hier obendrauf. Und das schmeckt dann sogar den Kindern.

Im August und September bietet der Verein noch mehrere Kochevents an. Auch Vorträge gehören dazu. 


Lernen im „Grünen Klassenzimmer“

Die Biologische Station Haseniederung ist ein regionales Umweltbildungszentrum als außerschulischer Partner. In solchen Einrichtungen steht für Schulen eine Vielfalt von Angeboten im Kontext einer Bildung für nachhaltige Entwicklung bereit. Außerhalb des schulischen Lehrplanes werden Kindern im Naturschutz- und Bildungszentrum Alfsee (nbz), das der Verein betreibt, mit viel Spaß und bei den Jüngeren auch Spiel Inhalte so nachhaltig wie möglich vermittelt. Im nbz werden Veranstaltungen für Schulklassen von den Jahrgängen 1 bis 10 mit Themen für die Fächer Sach­unterricht, Biologie, Erdkunde und Politik angeboten. 

Matthias Petersen