Wie können Schwächere geschützt werden?
Gewalt lässt sich eindämmen
Uta Sandhop vor der Flüchtlings-Erstaufnahmeeinrichtung in Dölzig bei Leipzig. Foto: Dorothee Wanzek |
Viele, die hierzulande in Flüchtlingsunterkünften monatelang unfreiwillig zusammenleben müssen, sind durch Gewalterfahrungen in den Heimatländern oder auf der Flucht schwer traumatisiert. Zukunftsängste, Sorgen um Angehörige und Gefühle der Überforderung wirken zusätzlich belastend und erhöhen die Gefahr, dass sich die innere Anspannung gewaltsam entlädt.
Uta Sandhop ist eine von sieben Gewaltschutz-Multiplikatoren, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums bundesweit Flüchtlingsunterkünfte beraten, wie sie auf diesem Hintergrund den Schutz besonders verletzlicher Personengruppen erhöhen können. Kinder und Frauen zählen zum Beispiel dazu, aber auch Behinderte oder Homosexuelle. Religiöse Minderheiten – etwa Christen inmitten einer Mehrheit muslimischer Flüchtlinge – stehen zwar nicht offiziell auf der Liste der besonders Schutzbedürftigen. „Natürlich profitieren auch sie, wenn in einer Flüchtlings-Einrichtung die Aufmerksamkeit für Gewaltschutz wächst“, erläutert Uta Sandhop.
Im Auftrag des Malteser Hilfsdienstes ist sie in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften verschiedener Träger in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen unterwegs. Auf Anfrage der Einrichtungen unterstützt sie beim Erstellen von Schutzkonzepten, erstellt Risikoanalsysen, bietet Schulungen für Betreuer und Wachschutzmitarbeiter an.
Großen Einfluss auf die Sicherheit der Bewohner hat in ihren Augen ein Faktor, der sich weder messen noch organisieren lässt: eine Wohlfühl-Atmosphäre. Christliche Träger wie die Malteser oder die Johanniter fallen ihr in dieser Hinsicht immer wieder positiv auf.
Respektvoller Umgang erhöht die Sicherheit
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sei es auch, den Flüchtlingen Möglichkeiten zum Mitbestimmen und Mitgestalten zu geben, etwa durch Bewohnerräte. In der Leipziger Erstaufnahmeeinrichtung werden die Flüchtlinge regelmäßig nach ihrer Zufriedenheit mit dem Essen gefragt. Das sorgt für Entspannung, wenngleich es mit Mehrarbeit verbunden ist, da die Wünsche schließlich bearbeitet werden müssen.
Vieles hänge von gut durchdachten Handlungsabläufen ab, ist die Erfahrung von Uta Sandhop, die selbst in Flüchtlingseinrichtungen gearbeitet hat. Die wöchentliche Taschengeld-Auszahlung sei zum Beispiel in allen Häusern ein Moment, in dem häufig Unmut hochkocht, alle Mitarbeiter unter erhöhter Alarmbereitschaft stehen. Bewährt habe sich hier, die Anstehenden in der Warteschlange nach Bedürftigkeit zu sortieren und Wartesysteme ähnlich denen auf Flughäfen zu nutzen, um Gedränge zu vermeiden. Beruhigend wirke es zudem, wenn genügend Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die Entscheidungen erklären können.
Positiv wirke sich aus, wenn bei Regelverstößen klare Sanktionen festgelegt sind, die dann auch umgesetzt werden und wenn alle Mitarbeiter genau wissen, wo sie notfalls Unterstützung holen können. Eine gute Schulung zahle sich in vielerlei Hinsicht aus. Wenn der Wachschutz sensibilisiert sei, lasse sich manche Aufruhr vermeiden, der zum Beispiel häufig entstehe, wenn Mitarbeiter in die Zimmer der Bewohner eindringen. Bei Schulungen lernten Betreuer auch, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen und sich in Anbetracht der Flut von Aufgaben und Probleme innerlich abzugrenzen. Dies sei wichtig, da es gerade in der Flüchtlingshilfe eine große Gefahr gebe, auszubrennen.
Zur Sicherheit trage auch eine kluge Raumnutzung bei. Gefährdete Personengruppen werden am besten dort untergebracht, wo sie vom Wachpersonal gut zu sehen sind. Alle Gänge sollten hell ausgeleuchtet sein, auch der Weg zum Waschmaschinenraum im Keller. Gut ist es, wenn Häuser einen Notraum vorhalten können, so dass in brenzlichen Situationen erst einmal Abstand geschaffen und Zeit gewonnen werden kann, um Reaktionen gut zu planen.
Auch die häusliche Gewalt müsse im Blick sein, zumal in vielen Kulturen gewaltfreie Erziehung und ein gleichberechtigter Umgang mit Frauen nicht selbstverständlich sei. Den Betroffenen deutlich zu machen, wie es in Deutschland läuft, erfordere häufig viel Fingerspitzengefühl. Es hänge aber viel davon ab, dies zu tun, bevor Familien in eigene Wohnungen ziehen. Gelingen könne dies nur, wenn man die Frauen dafür gewinne. Insbesondere durch Rollenvorbilder aus dem eigenen Land könnten sie zu der Erkenntnis gelangen, dass es sich für sie lohnt, selbst aktiv am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilzunehmen.
Was für Gewaltschutz getan wird, entscheidet jede Einrichtung selbst. Die Gewaltschutz-Multiplikatorin gibt dazu hilfreiche Empfehlungen. Sie erzählt weiter, was sich anderswo bewährt hat.
Von Dorothee Wanzek