Grimmaer Kellerräume dienten als Gefängniszellen

Glaubenszeugnis im Stasi-Keller

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Ein Einfamilienhaus in Grimma wurde in den frühen 50er Jahren von der Stasi genutzt. Die Kellerräume dienten als Gefängniszellen. An den Wänden finden sich Inschriften von Gefangenen, darunter auch das Bekenntnis „Gott lebt“.


Blick in zwei der einst als Gefängniszellen genutzten Kellerräume | Fotos: Bert Endruszeit


Wenn der Grimmaer Klaus Uhlig in den Keller steigt, dann öffnet sich ihm ein Stück Nachkriegsgeschichte. Denn wo heute Vorräte und Baumaterial lagern, befanden sich in den frühen 50er Jahren Gefängniszellen des Ministeriums für Staatssicherheit. In einem Einfamilienhaus in der heutigen Colditzer Straße hatten sich bis zum März 1953 Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes eingerichtet. Eine Einquartierung mit russischer Vorgeschichte, wie Hauseigentümer Uhlig weiß: „Meine Großmutter wollte kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges im damals leerstehenden Haus nach dem Rechten sehen. Ein russischer Posten verhinderte das jedoch. Wie sich herausstellte, hatten sich dort russische Offiziere Wohnungen eingerichtet.“
Ende 1949 räumten die russischen Offiziere das Gebäude. „Meine Mutter wollte dann mit mir und meinen Geschwistern in das nun leerstehende Haus einziehen.“ Die Hoffnungen zerschlugen sich jedoch. „Hier ist jetzt eine Behörde“, hieß es damals knapp. Immerhin wurde bürokratisch korrekt ein Mietvertrag abschlossen. Kurze Zeit später kam die monatliche Miete von 135 Mark ganz offiziell vom Ministerium für Staatssicherheit. Klaus Uhlig fand die Einzahlungsquittungen in alten Unterlagen.

Die Kellerräume wurden als Gefängnis genutzt
„Was sich aber im Haus abspielte, das wusste damals niemand. Unsere Nachbarn erzählten uns, dass in der Nacht immer Leute gebracht und wieder fortgeschafft wurden.“ Angesichts dieser Beobachtungen lag es auf der Hand, dass dort Verhöre stattfanden und Gefangene einsaßen. In Uhligs Hausdokumenten findet sich zudem ein Brief vom April 1950, in dem sich sein Großvater beim Ministerium für Staatssicherheit in Dresden darüber beklagte, dass auf dem Grundstück ohne seine Genehmigung ein Hundezwinger gebaut wurde. 
So schnell wie die Staaatssicherheit damals das Grundstück in Beschlag nahm, so schnell verließ sie es auch wieder. Der Mietvertrag wurde am 5. März 1953 mit sofortiger Wirkung gekündigt – Uhligs konnten schon wenige Tage später wieder einziehen. Auf die Idee, mögliche Spuren zu verwischen, kam die Staatssicherheit jedoch nicht. „Die Kellerfenster hatten zusätzlich innen dicke Gitterstäbe erhalten. An den Kellerwänden fanden sich Befestigungen für Betten und Tische“, so Uhlig.
Überaus verräterisch waren jedoch Spuren, die die Gefangenen der Stasi an den weiß gekalkten Wänden hinterließen. „Meiner Mutter war damals gleich klar, dass die Kellerräume als Gefängnis genutzt wurden“, erinnert sich Uhlig. Denn eingeritzt wurden nicht nur Namen und konkrete Jahreszahlen, sondern auch die typischen Striche, die Häftlinge überall auf der Welt für jeden verflossenen Tag anbringen. Die Staatssicherheit hatte nach ihrem Auszug offenbar alles nur einmal dünn mit weißer Farbe überstrichen. Die Einritzungen der Häftlinge verschwanden dabei jedoch nicht, so dass viele Spuren bis heute lesbar blieben.

Einige Inhaftierte suchten offenbar Hoffnung im Glauben: „Gott lebt“ ist in die Wand eingeritzt.

 

Gleich doppelt findet sich die Aufschrift „Gott lebt“, einmal zusätzlich mit einem Kreuz versehen. Was in den hier Inhaftierten damals vorgegangen sein mag, lässt sich nur erahnen – sicher Hoffnung, aber wohl auch Verzweiflung. Unklar ist auch, was einen der Häftlinge bewogen haben mag, SS-Runen einzuritzen. Denkbar ist, dass hier tatsächlich ein früherer SS-Angehöriger einsaß, doch auch eine pure Provokation gegenüber der Stasi wäre möglich.
Die meisten Signaturen sind kurz, oft sind nur ein paar Zahlen und Striche zu erkennen. Aber es sind wohl einzigartige Zeugnisse  und Spuren aus den frühen Jahren der DDR.

Von Bert Endruszeit