Erzbischof Heiner Koch wird 65 Jahre

Gott und die Welt von oben

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Am 13. Juni wird Erzbischof Heiner Koch 65 Jahre alt. Über den Glauben, seinen Berufungsweg und seinen Blick auf das Erzbistum Berlin sprach er bei der Sendung „Talk im Turm“, die jetzt im Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz gedreht wurde.

Kamera läuft: Gunnar Schupelius und Erzbischof Heiner Koch im Gespräch im Berliner Fernsehturm. | Fotos: Walter Wetzler

 

„Von oben sieht das Ganze immer sehr geordnet aus.“ Noch einmal lässt Erzbischof Heiner Koch den Blick über Berlin schweifen, bevor er aus dem Restaurant in der der Kugel des Fernsehturms am Alexanderplatz den Weg zurück nach unten antritt. Dabei ergänzt er: „Aber unten verliert man sich dann leicht.“ Vielleicht denkt er dabei schon an seinen Nachmittagstermin bei der Bahnhofsmission, bei dem Berlins katholischer Hirte einigen der „Verlorenen“ begegnen wird. Hier oben war er zu einem ganz anderen Treffen: Der Berliner Journalist Gunnar Schupelius hatte ihn zu einem „Talk im Turm“ eingeladen.

Routiniert beim Fernsehtermin
Und so hat er sich heute morgen in Deutschlands höchstes Gebäude begeben, ist mit dem Aufzug in 40 Sekunden hochgefahren zur 203 Meter hoch gelegenen Aussichtsetage mit Drehrestaurant, um über Gott, die Stadt und die Welt zu sprechen. Mitten zwischen den frühstückenden Berlin-Touristen sind ein paar Tische freigehalten, abgegrenzt zum Gang durch Scheinwerfer, Kabel, Kameras, als Fernsehstudio auf kurze Zeit.
Fernsehtermine, das merkt man dem Erzbischof an, sind ihm vertraut. Nachdem er das Fernsehteam begrüßt hat, nimmt er routiniert auf dem weinroten Restaurantstuhl Platz, der heute als Maske dient, schließt die Augen und lässt sich den Glanz von Stirn und Nase pudern. Zwei Tische weiter findet dann das eigentliche Gespräch statt, das von insgesamt fünf Kameras aus unterschiedlichen Perspektiven gefilmt wird.
„Talk im Turm“ ist ein Interviewformat, das der Lokalsender Potsdam TV, der nach Berlin expandiert, produziert. Gunnar Schupelius spricht mit seinen Gästen, Prominenten aus Wirtschaft, Kultur und Politik, eine Umdrehung des Restaurants lang über Berlin – genau eine halbe Stunde.
Zu Drehbeginn fahren draußen gerade die Hackeschen Höfe vorbei, aber der Erzbischof und der Journalist blicken sich fest ins Gesicht. „Guten Tag und herzlich willkommen bei Talk im Turm“, eröffnet Schupelius die Sendung und schließt gleich die Feststellung an, dass der Erzbischof nicht nur für die Hauptstadt zuständig ist – sondern auch für Brandenburg und Vorpommern. „Das sind große Entfernungen“, bestätigt dieser, „aber auch große Unterschiede in der Mentalität“. Dann erzählt Koch, der über Dresden-Meißen aus dem katholischen Rheinland nach Berlin kam, freimütig über die Menschen, die er in der Weite dieses Bistums kennengelernt hat – gerade auch diejenigen, die nicht an Gott glauben. Manche sagten ihm: „Ich habe mich nie gegen den Glauben entschieden, weil ich ihn nie kennengelernt habe.“
Gerade drei Prozent der Menschen in Vorpommern sind katholisch. In Berlin sind es neun Prozent, auch hier ist die größte Gruppe die der Konfessionslosen. Was heißt da „Glauben“? „Ich vertraue darauf, dass hinter allem ein Gott steht“, bringt Koch für seinen Gesprächspartner Schupelius und die Zuschauer ins Wort, was er persönlich damit verbindet. Auch über Glauben als „Nicht-allein-sein“ und „Beziehungssprache“ reden sie. Während draußen die Stadt vorbeizieht, kommen hier drinnen Themen wie die Göttlichkeit Jesu Christi zur Sprache.

„Freut euch allezeit! Der Herr ist nahe.“
Das Gespräch nimmt seinen Lauf, und der Erzbischof beantwortet Frage um Frage. Zwischendurch schenkt Schupelius ein Glas Wasser nach und kommt dabei auf den Magneten zu sprechen, der am Verschluss der Flasche angebracht ist. Er zeigt das Wappen des Erzbischofs. Besonders gehen Koch und Schupelius auf das Schriftband ein, das den Wahlspruch des Erzbischofs trägt: „Gaudete semper Dominus prope“ – „Freut euch allezeit! Der Herr ist nahe.“ Hier geht es ans Eingemachte: „Gott ist allezeit nahe. Er kommt nicht nahe, er ist nahe“, bekräftigt Koch seinen Glauben. Schupelius hakt ein, denkt an die Zuschauer, die leiden, zum Beispiel an einer schweren Krankheit. „Es ist keine Freude, die alles leicht sein lässt“, entgegenet der Erzbischof. Vielmehr gehe es um eine Freude, die auch in schweren Zeiten da sei – die Freude, die aus der kleinen Hoffnung erwachse, dass das Leid nicht das Letzte sei.
Eigentlich könnte man gut auf die verschiedenen Gebäude zu sprechen kommen, die am Panoramafenster vorbeiziehen. Aber die beiden Männer sind ganz in ihr Gespräch vertieft, das nicht ein einziges Mal stockt. Selbst die St. Hedwigs-Kathedrale, deren Umgestaltung den Erzbischof als Aufgabe seit seiner Ernennung begleitet und beschäftigt, bleibt von ihnen unbemerkt. Aber auch ihre Gesprächsthemen haben es in sich: „Würden Sie noch einmal den Auftritt von Greta Thunberg mit dem Einzug Jesu nach Jerusalem vergleichen?“, fragt der Journalist und spielt auf ein Radiowort an, das zum Palmsonntag heftige Reaktionen vor allem in den Sozialen Medien hervorrief. Diesen Vergleich, antwortet der Erzbischof, habe er nicht getätigt: „Ich habe nur gesagt, dass die Reaktionen der Menschen vergleichbar sind.“

Ein fester Blick in die Augen des Gesprächspartners: Was draußen vorbeizieht, ist
zweitrangig.

Eine Entscheidung für das ganze Leben
Erstaunlich schnell geht es aufs Ende zu. „Noch zehn Minuten“, wird Schupelius aus dem Hintergrund angezeigt. Doch noch immer geht der Spannungsbogen nicht nach unten: Die Männer fahren am Roten Rathaus vorbei und reden über die Menschwerdung Gottes. Sie diskutieren, ob ein Dialog mit dem Islam möglich ist, während das Regierungsviertel vorbeizieht. Zum Schluss kommen sie noch auf Kochs Berufung zu sprechen. Er erzählt, wie die Gespräche mit seinem schwerkranken Schwager ihn als jungen Mann zum Nachdenken gebracht haben, wie er selbst nach dessen Tod das Theologiestudium begann. Wie ihm seine Familie bis heute viel bedeutet und gleichzeitig die Menschen in Berlin zu seiner Familie geworden sind. Dann sagt er, als gerade wieder die Ausgangsposition Hackesche Höfe erreicht und das Gespräch zu Ende ist: „Priester zu werden, ist eine Entscheidung für das ganze Leben.“

Potsdam TV strahlt das Interview am 9. Juni um 22.30 Uhr aus; Wiederholungen gibt es am 10. Juni um 5 Uhr und zum Geburtstag nochmal am 13. Juni um 15 Uhr. Empfang über Kabelfernsehen oder im Internet auf www.potsdam.tv, entweder als Livestream oder später in der Mediathek.

Von Cornelia Klaebe