Niedersächsischer Ethikrat ist gegen Besuchsverbot in Krankenhäusern

„Kranke sind keine Objekte, über die verfügt werden darf“

Image

Der Niedersächsische Ethikrat hat sich gegen ein pauschales Besuchsverbot in Krankenhäusern während der Corona-Pandemie ausgesprochen. Kranke hätten ein Recht auf zwischenmenschliche Beziehungen, heißt es in einer Erklärung. Unterstützung für seine Forderungen erhält der Rat von Bischof Heiner Wilmer.


Krankenbesuch soll auch in Corona-Zeiten möglich sein,
fordert der Ethikrat – natürlich mit Maske, Schutzkittel
und Gummihandschuhen.

Der Ethikrat würdigt, dass Mitarbeiter und Führungskräfte in den Kliniken unter einem enormen Druck stehen. Jeden Tag müsse eine hohe Zahl Schwerkranker qualitativ und menschlich gut medizinisch und pflegerisch versorgt werden. Mitarbeiterschutz, Angehörigenschutz und Patientenschutz müssten in Einklang gebracht werden. Dies dürfe jedoch nicht zu einem generellen Besuchsverbot führen.

„Kranke sind Grundrechtsträger und keine Objekte, über die verfügt werden darf“, heißt es in der Stellungnahme. Angehörige beziehungsweise nahestende Personen seien eine wesentliche Ressource für den Kranken, um Kräfte zum Gesundwerden zu mobilisieren. Es seien Regelungen für Besucher von Kranken, nicht nur von Sterbenden, vorzusehen, die dem Grundrecht auf menschliche beziehungsweise familiäre Betreuung und Begleitung gerecht würden. Zugleich müsse das Infektionsgeschehen und die Belas­tung der Mitarbeiter angemessen berücksichtigt werden.

„Beschränkungen führen in die Isolation“

„Die Initiative Niedersächsischer Ethikrat sieht mit großer Sorge, dass die aktuellen Besuchsbeschränkungen zu einer Isolation der Betroffenen führen“ stellt die Palliativmedizinerin und Landtagsabgeordnete Thela Wernstedt, fest. Leidtragende seien insbesondere Schwerkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen.

„Beistand für Sterbende unter Wahrung ihrer Würde und Achtung ihres Willens sind Grundlagen ärztlichen, pflegerischen und seelsorgerischen Handelns“ ergänzt Dr. Martina Wenker, Lungenfachärztin und Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Sie fordert „dass auch in Zeiten von Corona selbstverständlich und überall eine Sterbebegleitung durch nahe Angehörige und ein würdevoller Abschied von einem geliebten Menschen ermöglicht werden muss.“

Bischof Heiner Wilmer hat unterdessen an die Entscheidungsträger in Politik und in den Kliniken appeliert, die Stellungnahme des Ethikrates zu beherzigen. Er hatte sich in jüngster Zeit wiederholt gegen eine Isoloation von kranken Menschen ausgesprochen.

Initiative von Kirchen und Ärzten

Seit Beginn der Coronakrise setzt sich die Initiative Niedersächsischer Ethikrat öffentlich für die Belange von Menschen ein, deren Bedürfnisse in der Bewältigung der Krise nicht genügend Berücksichtigung finden. Der Rat wurde auf Initiative der Kirchen Niedersachsens und der Niedersächsischen Ärztekammer gegründet. Geschäftsführende Organisationen sind die Ärztekammer Niedersachsen, die Evangelische Akademie Loccum und das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover, eine Einrichtung des Bistums Hildesheim.

Die komplette Erklärung auf: www.bistum-hildesheim.de

Matthias Bode