Interview mit Julia Niemann
Leben und Glauben teilen
Wie können wir inklusive Kirche sein, in der die gesamte Vielfalt von Menschen als Reichtum geschätzt und geschützt wird? Dieser und anderen Fragen will das Bistum Hildesheim in den am Samstag (18. März) beginnenden Inklusionsmonaten nachspüren. Mehr dazu von Julia Niemann.
Was ist der Anlass, das Thema Inklusion gerade jetzt in den Mittelpunkt zu rücken?
Als Kirche ist uns – von unserem christlichen Grundverständnis her gedacht – Inklusion in die DNA geschrieben: Die frohe Botschaft richtet sich an alle Menschen; Kirche verstehen wir als ein Leib mit vielen Gliedern. Wir brauchen einander, um ganz zu sein. Daher sollte es für uns viel stärker darum gehen, wie wir diesem Anspruch auch in der Realität gerecht werden. Oftmals existieren Berührungsängste und Barrieren, die es gilt abzubauen. Ich sehe in der Auseinandersetzung mit dem Thema eine riesige Chance, denn Inklusion bedeutet, der Unterschiedlichkeit von Menschen, der Diversität, neu einen Wert zu geben. Auf die Weise kann Kirche nur gewinnen, indem sie ganz ihrem Wesen nach vielfältig, offen und bunt ist.
Was ist das Ziel der Aktionmonate?
Die Inklusionsmonate wollen neben ganz praktischen und konkreten Unterstützungsangeboten vor allem ein Bewusstsein fördern und bilden, das den Wert und die Würde des Menschen neu wahrnehmen lässt. Dafür steht auch das Motto „Darum!“ – es ist eine Aufforderung, Menschen und Situationen wahrzunehmen, die oft in Vergessenheit geraten. Eine Aufforderung, sich mit sich selbst und dem eigenen Wertesystem auseinanderzusetzen. Das gilt für jede und jeden Einzelne(n), genauso wie für die Gesellschaft und für die Kirche. Es ist an der Zeit, sich klar zu positionieren und in der Gesellschaft ein klares Statement für die Rechte aller Menschen zu setzen.
Vieles ist schwierig in der Kirche, im Finden neuer Wege, im Verlassen von Altem. Aber genau „Darum!“ heben wir den Kern des Evangeliums gerade jetzt hervor, zeigen die frohe, die gute Botschaft, das, worum es geht: Gott liebt alle Menschen und wir wollen das leben.
Was genau heißt Inklusion und welche Facetten gibt es?
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazugehört: Egal wie man aussieht, welche Sprache man spricht oder ob man eine Behinderung hat, egal ob verheiratet, geschieden oder alleinerziehend. Entscheidend ist: Man darf so bleiben wie man ist, und das ist gut so und hat Wert, da jeder Mensch wertvoll ist. Wir sprechen also von Inklusion, wenn alle mitmachen dürfen und alle Menschen in ihrer Verschiedenheit gemeinsam unterwegs sind.
Inklusion ist für uns nicht ein Zustand, sondern vielmehr ein Prozess der Sensibilisierung und des darauf Schauens, was Inklusion in ganz unterschiedlichen Kontexten bedeuten kann. Inklusion ist auf jeden Fall kein Mitleid, sondern ein Selbstverständnis von Würde und Wert jedes Menschen.
Ursprünglich war nur ein Inklusionsmonat geplant, warum wurde dieser Zeitraum erweitert?
Da das Thema Inklusion inhaltlich sehr gut ins Godehardjahr passt, entstand die Idee, die Aktionszeit in den April zu legen, also noch vor dem Ende des Godehardjahres. Im Laufe der Planungen wurde immer deutlicher, dass das Thema stark in die Breite zielt. Viele Institutionen und Player haben sich mit angeschlossen, was uns auch deutlich macht, dass das Thema einen Nerv trifft. Es sind tolle Kooperationen mit unterschiedlichen Institutionen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche, entstanden, so z. B. auch mit der Stadt Hildesheim sowie mit den Maltesern.
Durch die breit gestreute Vernetzung ist eine große Fülle von Angeboten entstanden, die aus dem ursprünglich als Aktionsmonat gedachten einen viel längeren Aktionszeitraum hat werden lassen.
Welche Aktionen und Veranstaltungen sind in den Inklusionsmonaten geplant und finden sie nur in Hildesheim statt?
Die Palette des Angebots ist breit: Geplant sind verschiedene kulturelle Angebote, Stadtführungen, eine Autorenlesung, mehrere Workshops – zum Beispiel speziell für junge Menschen, für pastorale Mitarbeitende oder für Neugierige, die sich ganz neu mit dem Thema Diversität befassen wollen. Außerdem bietet die Stabsabteilung Prävention/Intervention/Aufarbeitung Schulungen an. Geplant ist außerdem von der Katholischen Akademie Hannover eine Podiumsdiskussion mit Bischof Heiner Wilmer zum Thema „Vollkommen (und) normal“ mit spannenden Podiumsteilnehmenden.
Für Gemeinden bieten wir einen begleiteten Erprobungsraum an, um vor Ort auszuprobieren, wie Inklusion gelingen kann.
Außerdem finden mehrere Feste und Begegnungen statt – auf dem Röderhof sowie auf dem Domhof in Hildesheim. Ich erlebe, dass durch jede Begegnung, auch durch jede persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema, etwas passiert. Denn ein Wandel hin zu einer inklusiveren Kirche beginnt mit dem ersten Schritt und dem Abbau innerer Barrieren. Ein Highlight wird sicherlich das inklusive Fest am 6. Mai auf dem Domhof sein, das zugleich auch den Abschluss des Godehardjahres markiert. Hier hinzuschauen, wie Feiern inklusiv gelingen kann, ist ein Meilenstein auch in Richtung Zukunft.
Neben Hildesheim finden Veranstaltungen auch in Duderstadt, Göttingen und Hannover statt.
An diesem Samstag wird auf dem Domhof ein Inklusionstag, ein Begegnungstag für Hör- und Sehgeschädigte in Norddeutschland begangen. Was erwartet die Besucher?
Der Tag der Inklusion am 18. März bildet den Auftakt des Aktionszeitraums und stellt diejenigen in den Mittelpunkt, die als Hör- und Sehgeschädigte im Alltag oftmals mit Einschränkungen zu kämpfen haben. Der Tag will dem christlichen Grundverständnis gerecht werden, dass wir zusammen ein Leib sind. Die barrierefreie Begegnung steht im Mittelpunkt. Auf dem Programm stehen außerdem verschiedene Vorträge sowie eine Führung durch die Basilika St. Godehard in Hildesheim.
Interview: Edmund Deppe
Infos zu den Aktionsmonaten
In den Gemeinden und Einrichtungen liegen Flyer aus, die über das Programm der Inklusionsmonate informieren. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Informationen auf der Homepage: „www.bistum-hildesheim.de/darum-inklusion“. Hier besteht auch die Möglichkeit, sich zu den verschiedenen Angeboten anzumelden.