Erster Auftritt des Familienzirkus Trumpf nach der Corona-Krise

Manege frei vor der Kirche

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Die Corona-Krise hat sie fast um ihre Existenz gebracht: Seit März ist der kleine Familienzirkus Trumpf in Achim gestrandet. Auf Einladung der Kirchengemeinde hatte er nun vor der Kulisse von St. Matthias einen seiner ersten Auftritte seit Beginn der Pandemie.


Die Clowns zaubern den Zuschauern
ein Lächeln ins Gesicht.

Vier Stühle oder einen Tisch auf dem Kinn balancieren? Feuer spucken? Mit Messern haarscharf an der eigenen Frau und dem als (Un-)Freiwilligen aus dem Pub­likum herbei gebetenen Propst Matthias Ziemens vorbeiwerfen? Für Ronny Trumpf, Chef des kleinen Familienzirkus, kein Problem. „Das ist mein Leben“, sagt der Familienvater, der als Allround-Talent gemeinsam mit Sohn Samuel auch eine Clownsnummer einstudiert hat. Für ihn, seine fünf Kinder, Ehefrau Katja und Cousin Johnny ist der Sonntag ein ganz besonderer Tag. Sie sind auf Einladung der Pfarrgemeinde St. Matthias mit ihren Requisiten auf den Platz vor der Kirche in der Meislahnstraße gezogen, um in zwei Aufführungen unter freiem Himmel Groß und Klein zu verzaubern.

Eine harte Zeit für den kleinen Familienzirkus
 


Pfarrer Matthias Ziemens zeigt viel Gottvertrauen und wird
zum Ziel von Messerwerfer und Zirkus-Chef Ronny Trumpf.

Was eigentlich Alltag für die Mitglieder des kleinen Zirkus ist, nämlich ihr Können in der Manege zu beweisen, ist in diesem Jahr alles andere als normal. Die Corona-Krise hat die Familie hart getroffen. Im März war der Zirkus gerade aus dem Winterquartier aufgebrochen, um die warmen Monate auf Tournee durch Norddeutschland zu gehen. Doch schon nach den ersten Aufführungen in Achim war Schluss. Der Lockdown legte das öffentliche Leben und damit auch den Zirkusbetrieb lahm. Die Rechnung für das fahrende Volk ist dabei ebenso einfach wie erschreckend: Keine Auftritte, dafür aber weiter laufende Kosten für Versicherungen, Tierfutter und den eigenen Lebensunterhalt. Die Folge: Existenznot. Hartz IV. „Eine harte Zeit für uns, denn reich wird man als Zirkus sowieso nicht“, blickt Ronny Trumpf zurück. Doch sie haben Glück im Unglück. Die Achimer bieten dem Zirkus einen Platz, um die Corona-Zeit zu überbrücken. Bürger spenden Lebensmittel und Tierfutter, geben auch menschlichen Rückhalt. Dennoch: Der Lebensinhalt, die täglichen Auftritte fehlen, die Ersparnisse sind bald aufgebraucht.

Schon früh hört die Achimer Pfarrsekretärin Christiane Grusche von den Nöten der Familie. „Ich habe gleich gedacht, da muss man was tun“, sagt sie. Bei Pfarrer Matthias Ziemens stößt sie damit auf offene Ohren. Die Idee, eine Aufführung unter freiem Himmel zu organisieren, entsteht. Durch einen Zufall trifft Christiane Grusche dann wenig später Ronny Trumpf bei einer Bekannten, als dieser Spenden für den Zirkus sammelt. Als sie ihm von ihrer Idee erzählt, ist er gleich Feuer und Flamme. „Ich war so gerührt, ich musste erstmal meine Frau anrufen“, sagt er. Denn ohne Aufführungen sei der kleine Zirkus bald am Ende, müsse verkaufen. Zu erdrückend sind die Kosten, wenn keine Vorführungen stattfinden können.
 


Auf halber Höhe zum Kirchdach zeigt
Johnny Trumpf sein artistisches Können.

250 Menschen passen in das Zirkuszelt. Eigentlich. Aber in Corona-Zeiten ist das undenkbar. Doch Christiane Grusche lässt sich nicht aufhalten. Sie erstellt ein Hygienekonzept für eine Open-Air-Aufführung auf dem Kirchplatz. Das Gesundheitsamt sagt „Ja“.

Als die Gemeinde anfängt, die Veranstaltung in der Pfarrei und den Kindergärten zu bewerben, wird sie überrannt vom Interesse. „Binnen kürzester Zeit waren die verfügbaren Plätze besetzt“, erinnert sich die Pfarrsekretärin mit einem Schmunzeln. Kurzerhand wird eine zweite Aufführung organisiert. Auch sie ist schnell ausverkauft. „Ein Geschenk und ein echter Hoffnungsschimmer“, sagt Zirkusfrau Katja Trumpf, die sich der Region als gebürtige Bremerin ohnehin besonders verbunden fühlt.

Glückliche Gesichter bei Zuschauern und Artisten
 


Der zwölfjährige Steven balanciert auf wackligen Brettern.
Gebannt verfolgen die Kinder den jungen Artisten.

Und so heißt es am Sonntag schließlich „Manege frei“ vor der Kulisse der St.-Matthias-Kirche. Nicht nur für die Zirkusleute, sondern auch für die Zuschauer ist es ein echtes Erlebnis. „Man ist ja richtig ausgehungert nach schönen Erlebnissen nach den letzten Monaten“, sagt eine Mutter, die mit ihren beiden Kindern gekommen ist. Und auch die Kinder kommen auf ihre Kosten. Staunend erleben viele zum ersten Mal, wie Menschen in schwindelerregenden Höhen einen Handstand machen, gleichaltrige Kinder auf wackligen Brettern balancieren und Clowns ihren Schabernack treiben. „Schön war das“, lautet auch das Urteil der dreijährigen Franziska, die mit leuchtenden Augen das Geschehen verfolgt hat.

Und auch bei den Erwachsenen sieht man viele glückliche Gesichter. „Wir freuen uns auf ein Wiedersehen – vielleicht bald schon wieder im Zirkuszelt“, sagt Ronny Trumpf zum Abschied hoffnungsvoll. Und Christiane Grusche ermuntert andere Pfarrgemeinden oder Einrichtungen aus der Region, den kleinen Zirkus einzuladen und den Herbst  noch für Freiluft-Veranstaltungen zu nutzen. „Das Hygienekonzept stelle ich gern zur Verfügung und vermittele auch sehr gern den Kontakt zu Familie Trumpf“, sagt sie. Auch eine nostalgische Puppenbühne habe die Familie und könne in der Adventszeit ein kleines Weihnachtsstück aufführen. „Es macht Klein und Groß Spaß und hilft zugleich einer Familie in Not.“

Wer Interesse an einem Zirkusauftritt hat, kann sich im Achimer Pfarrbüro unter Telefon 042 02 / 964 80 melden.

Martina Albert