Der Priester Paul Schimke im Bistum Görlitz
Maßlos im Dienst der Kirche
Hedwigsempfang in Cottbus: Bischof Ipolt im Gespräch mit dem Referenten, dem Erfurter Kirchenhistoriker Josef Pilvousek. Foto: Raphael Schmidt |
Im Mittelpunkt des diesjährigen Hedwigsempfangs in Cottbus stand eine Priesterpersönlichkeit aus dem Bistum Görlitz: Dr. Dr. Paul Schimke. Schimke hat sich zu DDR-Zeiten Verdienste um die katholische Kirche in der Region erworben. Sein Name ist zumindest in Priesterkreisen noch weitgehend bekannt, konkrete Erinnerungen gibt es aber wenige. Der Erfurter Kirchenhistoriker Josef Pilvousek will das jetzt ändern. Er hat in den letzten Monaten zu Schimke geforscht und stellte seine Forschungsergebisse unter dem Titel „Ein ‚maßloser‘ Schlesier im Osten Deutschlands“ beim Hedwigsempfang vor.
Graue Eminenz und geschätzter Seelsorger
Schimke gelte als „graue Eminenz“. Seiner Tätigkeit hafte etwas Ominöses, Geheimnisvolles und zum Teil Verbotenes an, so Pilvousek. Schimke habe keinen Wert darauf gelegt, sein Tun und seine Intentionen öffentlich zu machen. Schimke wurde am 18. April 1915 im oberschlesischen Leobschütz geboren. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften, promovierte in den Rechts- und den politischen Wissenschaften. Nach Kriegsgefangenschaft und Theologiestudium wurde er 1949 in Neuzelle zum Priester geweiht. Nach verschiedenen Tätigkeiten im Görlitzer Gebiet verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Leipzig. 1974 übernahm er die Pfarrkuratie Zwochau. Dort wollte er eine geistliche Gemeinschaft gründen, was völlig fehlschlug. Seit seinem Wechsel nach Leipzig nutzte er zahllose Wohnungen und sonstige Räumlichkeiten in und um Leipzig für seine Aktivitäten. Schimke starb am 22. Juli 2005 in Pehritzsch.
Schimke habe als Priester und Seelsorger große Hochachtung, Dank und Bewunderung erfahren. Pilvousek: „Er hatte für jeden ein offenes Ohr und Herz, der um Hilfe oder Orientierung bei religiösen oder anderen Lebensproblemen bat.“ Schimke habe sein Katholischsein als Sein für andere verstanden: „Aber wir sind doch nicht nur für die Katholiken da.“
Seine geistliche Heimat war wohl das Bendiktinerinnenkloster Alexanderdorf. Hier hielt er Exerzitien vor allem für Priester und Ordensleute, arbeitete mit Akademikern über theologischen und ethischen Fragen, führte Seelsorgsgespräche und plante neue Projekte. Aber auch in anderen Exerzitien- und Ordenshäusern war er gefragter Exerzitienmeister und für Priesterfortbildungen und Schulungen im ganzen Land unterwegs.
In seiner persönlichen Lebensführung war Schimke völlig anspruchslos. Seinen gesamten finanziellen Besitz investierte er in seine Projekte. Mit seiner asketischen Lebensweise hat er aber auch viele provoziert. Mit großem Fleiß hat er selbst bis in sein letztes Lebensjahr gearbeitet. Dies erwartete er auch von Mitarbeitern und den Teilnehmern an den Studienkursen. Schimke habe auf unterschiedlichen Gebieten gearbeitet - immer mit der gleichen Intention, die geistige und geistliche Enge von Kirche und Gesellschaft aufzubrechen. So wurde er zum Initiator und Impulsgeber innerkirchlicher Aufbrüche. Besonders wichtig war ihm dabei die Ökumene.
Ehe-, Familien- und Lebensberatung
Schimke initiierte und beteiligte sich an zahlreichen katholischen und ökumenischen Gesprächskreisen. Vor allem den Studentengemeinden und Akademikergruppen ging es in der Folge des Konzils um innerkirchliche Veränderungen. Dabei ging es bis zu Forderungen nach einer katholischen Interpretation des Sozialismus, der Dezentralisierung der Kirchenleitung oder der Einführung einer Synodalverfassung. Ohne Schimke ist die Ehe- Familie und Lebensberatung in der DDR nicht zu denken. Er initiierte den ersten Ausbildungskurs für katholische Eheberatung. Schimke hatte im Laufe der Jahre eine einzigartige, umfangreiche Bibliothek und ein Zeitschriftenarchiv aufgebaut, die bald unter der Bezeichnung „Katholische Präsenzbibliothek“ innerkirchlich bekannt wurden.
Bis zum Ende seines Lebens war Schimke Initiator und Bauherr zahlreiche Projekte, erwarb Grundstücke, beschaffte Baumaterialien und legte sich mit staatlichen Baubehörden sowie parteipolitischen Institutionen, aber auch kirchlichen Vorgesetzten an. So war er Anfang der 1950er Jahre Kuratus in Stalinstadt, wo er in der sogenannten „ersten sozialistischen Stadt der DDR“ trotz immenser Repressalien seitens der staatlichen Behörden Christen sammelte, eine katholische Gemeinde gründete und eine Kirche baute. Maßgeblich beteiligt war Schimke aufgrund seines juristischen Sachverstandes an der Eingabe der Berliner Ordinarienkonferenz bei der Diskussion um die neue DDR-Verfassung Ende der 60er Jahre.
Schimke gab eine Vielzahl quasikirchlicher Publikationen heraus, die mit dem Zusatz „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“, ohne staatliche Druckerlaubnis erschienen. Am bekanntesten ist das „Theologische Bulletin“, eine Sammlung von Artikeln aus verschiedenen westdeutschen theologischen Zeitschriften, das in der ganzen DDR verbreitet wurde. Trotz all seiner Verdienste stieß Schimke auch bei den kirchlichen Oberen wegen seiner „offensichtlichen Maßlosigkeit“ (so der Görlitzer Bischof Bernhard Huhn) auf Widerstände.
Nach 1990 engagierte er sich in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion. Um Re-Evangelisierung, Veränderung der Gesellschaft sowie Verlebendigung des Glaubens in der Kirche zu erreichen, baute er „sein“ Studienhaus in Pehritzsch aus. Nach dem Tod Schimkes und dem Ausbleiben der notwendigen Gelder musste diese Arbeit eingestellt werden.
Mit dem Wort „Maßlosigkeit“ findet Pilvousek das Wirken Schimkes gut zusammengefasst: maßlos in dem Bemühen, die Enge der „kleinen“ Kirchen in der DDR aufzubrechen und eine umfassende Horizonterweiterung zu initiieren.
Von Matthias Holluba