Demnächst führt ein Ministrant über Mobiltelefon durch den Erfurter Dom
Mit dem Handy den Dom erkunden
Wenn es bald im Erfurter Marien-Dom kostenloses WLAN gibt, führt Ministrant Paul Kinder per Handy durch den Kirchenbau. In die Entwicklung der App brachten Domführerinnen ihre Erfahrungen mit Kindergruppen ein.
Cordula Hörbe (links) und Eva Becher vor dem Pfingstrelief im Erfurter Dom. Kinder wundern sich häufig über die „Antennen“, die sie auf dem Kopf der dargestellten Menschen erkannten. Foto: Dorothee Wanzek |
Mit dem Handy ihrer Eltern können schon Vor- und Grundschüler den Erfurter Dom auf eigene Faust erkunden. Beginnend beim Hohen Chor bis hin zum Einhorn-
altar lotst sie Pauls Stimme im Audio-Guide. Wer möchte, kann aber auch an einer beliebigen anderen Stelle in die Führung einstigen, an der Christophorus-Statue zum Beispiel, an der Orgel oder am Taufbecken.
Kinder entwickeln Gespür für Kirchenräume
Von Baustilen, Architekturgeschichte und Künstlernamen, die allenfalls die Eltern interessieren, erzählt Paul kaum. Stattdessen gibt er den Mädchen und Jungen Anstöße für eigenen Entdeckungen. Die Kleinsten schickt er auf die Suche nach ihrer eigenen Lieblingsfarbe, etwas Größere lassen sich vielleicht motivieren, auf dem weltberühmten gotischen Fenster nach kleinen Tieren Ausschau zu halten.
Cordula Hörbe führt als Gemeindereferentin bereits seit 1990 Besucher jeden Alters durch den Dom und hat in den Audio-Guide einfließen lassen, was ihr auch bei Kinder-Gruppenführungen wichtig ist: Den Kindern Ruhemomente verschaffen, sie zum verlangsamten Wahrnehmen anregen. „Setz dich in eine der Bänke und schau mal!“, lautet zum Beispiel eine Aufforderung, „lausche den Orgelklängen!“ oder „Wenn du willst, darfst du eine kleine Kerze anzünden und dabei an einen Menschen denken, den du ganz besonders lieb hast!“
Für Eva Becher, die ebenfalls zum Domführerteam gehört und an der Entwicklung der App mitgewirkt hat, ist es immer wieder faszinierend, wie Kinder auf den Dom reagieren, auch wenn sie keine religiöse Grundbildung erfahren haben: „Sie nehmen wahr, dass dieser Raum anders ist, dass es hier ruhig ist, besonders riecht und festlich wirkt, dass sie in die Höhe und Weite schauen können.“
Cordula Hörbe, die Ende Juni als Mitarbeiterin des Bistums Erfurt in den Ruhestand geht, freut sich, wenn Kinder im Dom zum Staunen und zum Nachdenken kommen. Mit den richtigen Fragen versucht sie beides zu befördern. „Wenn ich Kinder zum Beispiel frage ,Wer ist der Mann am Kreuz?‘ fühlen sich diejenigen dumm, die es nicht wissen. Die anderen bringt eine solche Wissensabfrage auch nicht weiter“, erläutert sie.
Lieber stellt sie Fragen, die Nachdenklichkeit befördern: „Was fällt dir auf?“ oder „Was mag Maria jetzt denken?“ Häufig bringen Kinder ihre eigenen Fragen ein. „Ist das Zauberwasser?“, fragen sie beispielsweise am Taufbecken.
Vorhandenes Material verwertet
Ihre jungen Zuhörer zu überfordern, fürchtet Cordula Hörbe nicht. „Sie nehmen vieles auf, was sie noch nicht erfassen können, sinnen darüber nach und lassen sich bewegen“, beobachtet sie immer wieder. Bei einer Domführung mit Grundschülern blieb sie einmal vor der Pietà stehen. Den Kindern fiel auf, wie klein der Körper des gestorbenen Jesus dargestellt wurde. „Ob der Künstler damit ohne Worte etwas über Jesus erzählen wollte?“, überlegte Cordula Hörbe und war erstaunt über die prompte Antwort eines kleinen Ministranten: „Jesus erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod.“ Die Hörtexte, die von vielen solcher Erlebnisse inspiriert sind, dauern insgesamt zehn Minuten. Paul, der längst erwachsen ist, hat sie bereits vor rund zehn Jahren eingesprochen, als zwölfjähriger Dom-Messdiener und Sänger im Kinder- und Jugendchor. Genutzt wurden sie jahrelang auf Abspielgeräten, die Familien sich am Eingang des Domes ausleihen konnten.
Für die App, deren Inhalte auch auf der Internetseite der Domgemeinde abrufbar sind, wurden einige kurze schriftliche Texte ergänzt, die kleine Dombesucher sich von ihren Begleitern vorlesen lassen können. Grundlage dafür bot unter anderem eine Broschüre für Kinder über den Dom, die lange am Schriftenstand auslag. Mittlerweile sind einige darin enthaltene Informationen überholt.
Im Internet ist die Kinder-Domführung unter https://www.dom-erfurt.de zu finden. Wer sie im Dom auf dem Handy nutzen möchte, sollte dafür Kopfhörer mitbringen.
Von Dorothee Wanzek