Stadiongottesdienste im Berliner Olympiastadion

Mit Gott zum Fußball

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„In Berlin kannst du alles sein, auch katholisch“, sagt Diakon Gregor Bellin. Wenn Hertha BSC im Berliner Olympiastadion antritt, findet man ihn vor dem Spiel in der Stadionkapelle zum ökumenischen Gottesdienst.

Mehr als Pro-Forma-Ökumene: Diakon Gregor Bellin und sein evangelischer Kollege Pastor Bernhard Felmberg am Altar im Stadion.    Foto: Cornelia Klaebe

Der VIP-Bereich des Berliner Olympiastadions ist für die meisten Besucher des Fußball-Bundesligaspiels Hertha BSC gegen Paderborn tabu. Die Ordner lassen nur die herein, die einen Berechtigungsvermerk auf ihrer Karte haben – oder ein blaues Bändchen am Handgelenk. Kein Thema für Diakon Gregor Bellin: Der Mann im Kollarhemd und mit Mitarbeiterkarte kann sich hier frei bewegen. „Ich gehöre hier quasi zum Inventar“, sagt er. Wenn er Richtung Kapelle geht, dauert es im Trubel vor dem Spiel eine Weile, bis er ankommt – weil er so viele Menschen begrüßt, kurz nach dem Befinden fragt, ein Schwätzchen hält.
„In Berlin kannst du alles sein, auch katholisch“, sagt der Diakon in Anlehnung an eine frühere Werbekampagne von Hertha. Der eingefleischte Fan, dessen Aufgabe sonst der Dienst an der Kathedrale ist, freut sich, dass die Kapelle so zentral untergebracht ist, auf Höhe der Mittellinie und nahe dem Spieleraufstellraum, wo sich die Mannschaft noch kurz vor dem Spiel versammelt. Im Innern der ovalen Kapelle, an deren goldenen Wänden Bibelstellen in 18 Sprachen von allen Kontinenten stehen, bereitet Küsterin Anja Hammer schon die Andacht vor. Während Bellin die erste Gruppe von Gottesdienstbesuchern am Eingang der Sicherheitszone abholt, erzählt sie: „Hier ist der einzige Ort im Stadion, wo sich alle auf Augenhöhe treffen.“ Ob Vorstandsmitglied oder einfacher Zuschauer zählt hier nicht. Sogar Fans der gegnerischen Mannschaft sind willkommen. Gottesdienste finden hier vor jedem Heimspiel statt, auf Wunsch des Vereins. Seit der evangelische Pfarrer Bernhard Felmberg sich mit Erfolg für die Einrichtung einer Stadionkapelle stark machte, seit diese vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 eröffnet wurde, bildet die ehrenamtliche Küsterin hier mit Pfarrer Felmberg, Diakon Bellin und Christoph Schumacher, der Gitarre spielt, das Team. Sie hat hier manchen Fan und manchen Spieler beten sehen, aber auch Konfirmationen, Taufen und Hochzeiten begleitet.
Apropos Weltmeisterschaft 2006: Von deren Endspiel gibt es die gern und oft erzählte Legende, dass die italienische Mannschaft vorher in der Kapelle gebetet habe, die französische nicht. Die Italiener gewannen, die Franzosen nicht. Zufall?
Für die vielen Gäste hat Anja Hammer heute zusätzliche Sitze aufgestellt. Normal kommen etwa 30 Fans zum Gottesdienst, 12 von ihnen sind fast immer da und bilden die „Kerngemeinde“. Mit einer Schülergruppe aus Spandau und einem Familienkreis aus der Gemeinde Maria Frieden in Berlin-Mariendorf wird es ziemlich voll. Erika Jüngling aus dem Familienkreis erzählt, sie habe in einem Vortrag von Diakon Bellin in Maria Frieden erfahren, dass es diese Kapelle gibt. Und die habe sie einmal sehen wollen. Nur zwei der 21 Familienkreismitglieder haben Dauerkarten – Erika Jüngling schaut das Spiel heute an, weil sie vorher den Gottesdienst besucht.
Anders ist es bei Tina und Elke, die öfter vor den Spielen in die Andacht kommen. Beide finden es nicht nötig, ihre Nachnamen zu nennen, hier duzen sich ja alle. Sie genießen es, hier gemeinsam mit Freunden zu beten. Ja, die Gemeinschaft, die spüre man hier stärker. „Und die Pfarrer, die das machen, erzählen so frei von Jesus“, sagt Elke, das gefalle ihr.
 

Vor dem Spiel muss der Diakon „abklatschen“
Die beiden Geistlichen treten stets als Einheit auf, auch wenn ihre liturgischen Gewänder unterschiedlich sind. Einer führt durch den Gottesdienst, der andere predigt, so ist ihre Aufteilung. Christoph Schumacher begleitet die Lieder, das meiste ist dem Genre nach Lobpreis. Die volle Kapelle bebt. Auch den Psalm beten die meisten kräftig mit. Die Predigt von Felmberg zieht eine Parallele von dem Ende der Liste, auf denen Hertha und Paderborn vor dem Spiel stehen, zum Leben der Menschen. „Wenn wir – ohne selbst die Kraft zu haben – wieder rauskommen aus dem 18. Platz des Lebens, dann haben wir etwas verstanden von Gottes Liebe zu uns“, sagt er, und die Fans hängen an seinen Lippen. Hier hat die Frohe Botschaft viel zu tun mit dem eigenen Leben. Gebetet wird nicht für Hertha, obwohl sie‘s wohl nötig hätten, sondern für Kranke, Arme und Leidende. Nach dem Gottesdienst muss Diakon Bellin bald weg: Die Hertha-Spieler legen Wert darauf, dass er zum „Abklatschen“ kommt, bevor sie aufs Spielfeld gehen.
Am Ende des Tages hat übrigens Paderborn besser gespielt, aber Hertha 2:1 gewonnen. Vielleicht ja doch, weil nur Hertha-Fans vor dem Spiel in der Kapelle waren …

Gottesdienste bei Hertha-Spielen eine Stunde vor Spielbeginn; Treffpunkt für Teilnehmer: eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn am VIP-Eingang, Block C.

Von Cornelia Klaebe