Pfarrer Paul Bartsch wurde vor 70 Jahren auf der Straße ermordet
„Möge niemand irrewerden“
Großer, stiller Trauerzug durch Gransee: 60 Priester, elf evangelische Geistliche und hunderte von Christen und Nichtchristen erwiesen dem ermordeten Pfarrer die letzte Ehre. Fotos: Gemeinde Mariä Himmelfahrt, Gransee |
Im Oktober 1934 übernahm Pfarrer Bartsch die Seelsorge in der Diasporagemeinde Cammin, die den gesamten Landkreis Cammin in Pommern umfasste, der mit 63 Prozent NSDAP-Stimmenanteil bei der Reichstagswahl im März 1933 als braune Hochburg galt. Im Mai 1943 wurde Pfarrer Bartsch wegen des Vorwurfes, ein polnisches Kind getauft zu haben, verhaftet. Die Gestapoleitstelle Stettin vermeldete dazu: „Bartsch entwickelte seit Beginn des Einsatzes der polnischen Arbeitskräfte im Reichsgebiet eine besondere Aktivität bei der seelsorgerlichen Betreuung der Polen und zeigte eine überaus polenfreundliche Einstellung. Bereits im Januar 1941 musste er für kurze Zeit wegen Verstoßes gegen die Sonderbestimmungen über die Abhaltung von Gottesdiensten für Polen festgenommen werden. Bartsch änderte jedoch seine Einstellung nicht (…).“
Mit der Verhaftung begann für Pfarrer Paul Bartsch ein bitterer Leidensweg durch das Polizeigefängnis Stettin, das Arbeitserziehungslager Pölitz bei Stettin und schließlich ab Juni 1943 bis April 1945 im Konzentrationslager Dachau, über den er nach der Befreiung einen Bericht verfasste: „Menschlich gesprochen hatten wir keine Aussicht auf Befreiung und keiner wusste, wie das Ende sein wird. Was uns aufrecht hielt und die Kraft gab, am Lagerleben nicht zu zerbrechen, sondern seelisch zu wachsen und zu reifen, war unser Glaube und das Vertrauen auf Gott.“
Flüchtlingsseelsorge mit dem Fahrrad
Nach der Befreiung konnte Pfarrer Bartsch nicht in seine Heimatpfarrei nach Cammin zurückkehren. Er übernahm Aushilfen im Bistum Augsburg und im Januar 1948 die Diaspora-Gemeinde Mariä Himmelfahrt in Gransee nördlich von Berlin. Dort kümmerte er sich – nur mit einem Fahrrad ausgestattet – um die vielen Flüchtlinge und katholischen Heimatvertrieben, die in den insgesamt 43 umliegenden Dörfern untergebracht waren: „Das ist ja die Aufgabe des Pfarrers, dass er die vielen zerstreuten und vereinzelten Katholiken, die die Not des Krieges und der ersten Nachkriegsjahre aus allen möglichen Gegenden hierher verschlagen hat, zu einer Gemeinde zusammenfindet.“
Hat die Vorsehung Gottes erfahren: Pfarrer Paul Bartsch. |
In Gransee durfte Pfarrer Bartsch mit der Gemeinde am 15. Februar 1950 sein silbernes Priesterjubiläum begehen. In einem persönlichen Brief an einen Mitbruder im Dekanat Oranienburg schrieb er: „Zurückblickend auf die 25 Jahre kann ich mit Dank gegen Gott sagen, dass ich sichtbar das Walten der Vorsehung Gottes in meinem Leben erfahren habe, was vor allem auch für die erlebnisreichen Jahre seit meiner Verhaftung gilt und, dass ich nächst der Gnade Gottes dem treukatholischen Elternhaus meine Berufung zum Priester verdanke. Ich habe den abgrundtiefen Hass derer erfahren, die des Priesters Feinde sind, weil sie Gottes Feinde sind, aber auch in reichem Maße die helfende Liebe lieber Menschen und Wohltäter(…). Zwei Bitten habe ich an die mir anvertraute Gemeinde: Möge niemand, auch nicht in den dunkelsten Stunden seines Lebens, irrewerden im Vertrauen auf die Liebe und Vorsehung Gottes! Diese Bitte habe ich als Mensch, der auch das Leben in seiner Not und bitteren Tragik kennengelernt hat. Die zweite Bitte habe ich als Seelsorger, der einmal Rechenschaft für die ihm anvertrauten Seelen ablegen muss: Mögen wir über alle Sorge für das irdisch vergängliche Leben nie das ewige Ziel unseres Lebens aus den Augen verlieren. Dass wir uns alle dereinst vereint im Vaterhaus Gottes, der Heimat unserer Seele, zusammenfinden, ist das Gebet des Seelsorgers für seine Gemeinde, möge aber auch das Gebet der Gemeinde für den Seelsorger sein.“
Ein Täter wurde nicht ermittelt
Am 23. März 1950 wurde Pfarrer Bartsch abends auf dem Heimweg von einer Seelsorgsfahrt nach Fürstenberg überfallen und umgebracht. Ein Täter wurde nicht ermittelt, die Ermittlungen schon am 15. August 1950 eingestellt. Das Pontifikalrequiem für Pfarrer Paul Bartsch unter Beteiligung von 60 Priestern, elf evangelischen Geistlichen und hunderten von Christen und Nichtchristen mündete in einen großen stillen Trauerzug durch Gransee, zum „letzten Ehrengeleit für einen Glaubenszeugen, der zu jeder Stunde Gott mehr gehorcht hatte als den Menschen.“ Das Grab von Pfarrer Paul Bartsch befindet sich auf dem Friedhof von Gransee.
Von Ulrich Schnauder