Monsignore Karl-Heinz Ducke
Plötzlich im Rampenlicht
Die Moderatoren des Zentralen Runden Tisches, Monsignore Karl-Heinz Ducke (Katholische Kirche), Pastor Martin Lange (Methodistische Kirche) und Oberkirchenrat Martin Ziegler (Evangelische Kirche) am 22. Januar 1990. Foto: Archiv |
„Für die Medien stand die Prager Botschaftsbesetzung mit dem Auftritt von Hans-Dietrich Genscher am Anfang der Berichterstattung über das Ende der DDR. Mit der großen Montagsdemo auf dem Alexanderplatz am 4. November ging es weiter. Dann kam die historische Pressekonferenz von Günter Schabowski am 9. November 1989 – schließlich folgte der Mauerfall. Das war sozusagen der Durchbruch. Das scheint für viele als Erinnerung schon völlig auszureichen. Und dann gibt es bloß noch den Tag der Deutschen Einheit.“
Was Karl-Heinz-Ducke (1941–2011), der am 7. Dezember 1989 als einer von drei kirchlichen Moderatoren die allererste Sitzung des Zentralen Runden Tisches leitete, in einer Diskussionsrunde in der Katholischen Studentengemeinde Berlin „zehn Jahre danach“ im Jahr 2000 zur Auskunft gab, klang für sein junges Publikum spannend, aber auch nachdenklich: Die SED habe noch Ende November 1989 versucht, die Initiative für einen Runden Tisch durch die Meldung einer Einladung im Neuen Deutschland an sich zu reißen. Aber es sei vor allem das Verdienst des evangelischen Bischofs Gottfried Forck gewesen, dass das Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen dann in Zusammenarbeit mit der Berliner Bischofskonferenz (BBK) und der Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen zum Zentralen Runden Tisch eingeladen hat.
Ducke vermittelte sensibel und gewandt
Dem Moraltheologen Ducke schien es „wie ein Wunder“, dass es den Menschen im Osten Deutschlands nach so langer Verstrickung und Abhängigkeit gelungen war, ihr Geschick selbst zu bestimmen. Darum nahm es Monsignore Ducke, bei den spannungsreichen, kontrovers geführten Sitzungen gern auf sich, zwischen alten Apparatschiks und neuen Oppositionsgruppen sensibel und sprachlich gewandt zu vermitteln und Brücken zu bauen. „Dabei wollten die Kirchen den Parteien und neuen politischen Gruppierungen am Anfang ja bloß eine Starthilfe geben. Für die zweite Sitzung wurden wir dann nochmal gebeten, die Einladung und die Leitung zu übernehmen. Auch für die dritte Sitzung wurde keine andere Lösung gefunden. Dass dann mit nur einer Stimmenthaltung beschlossen wurde, dass die Gesprächsleitung weiter von den drei Moderatoren wahrgenommen werden soll, war uns ein großer, für die Kirchen in der DDR ganz und gar nicht selbstverständlicher Vertrauensbeweis.“
Der Runde Tisch half, das SED-System zu beseitigen
So sei es dann, wie Ducke bei der KSG-Veranstaltung sagte, „zu drei wichtigen Ergebnissen des gemeinsam von Oberkirchenrat Martin Ziegler, Pastor Martin Lange und mir moderierten Runden Tisches gekommen: Der hat dazu geführt, ein System sozusagen unblutig zu beseitigen und die ersten freien Wahlen am 18. März 1990 zu ermöglichen, das war nämlich die erste Forderung; die Staatssicherheit richtig aufzulösen und der demokratischen Entwicklung insgesamt einen Impuls zu geben.“
Ducke, der bereits seit 1975 als Regens des Erfurter Priesterseminars an der Schnittstelle von Kirche und Gesellschaft tätig war, wurde Ende der achtziger Jahre von der Berliner Bischofskonferenz die Aufgabe übertragen, als Direktor der neugegründeten „Studienstelle“ in die ostdeutsche Gesellschaft hineinzuhorchen und das interdisziplinäre Gespräch zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden zu führen. „Das war eine gute Schule des Dialogs, die mir bei meiner Aufgabe als Moderator sehr geholfen hat, genau hinzuhören und auch jene zu Wort kommen zu lassen, die man eigentlich gar nicht mehr hören wollte.“
Aber der später mit dem Bundesverdienstkreuz Ausgezeichnete, der auch nach den ersten und einzigen freien Volkskammerwahlen 1990, mit denen der Runde Tisch endete, noch häufig im Fernsehen zu sehen war, machte auch deutlich, dass er sich oft etwas einsam und alleingelassen gefühlt habe. „Vielen war noch das Zögern unserer Bischöfe bezüglich der Mitarbeit bei der ‚Ökumenischen Versammlung‘ in Erinnerung. Gerade aber diese Beteiligung war die Grundlage dafür, dass unsere Kirche nun in aller Öffentlichkeit auftreten konnte. Für uns Katholiken war das eine ganz wesentliche Erfahrung.“ Allerdings, meinte Ducke, der die Anfänge der Katholischen Akademie in Berlin mitgestaltet hatte und schließlich von 1991 bis 2010 als Pfarrer in Jena tätig war, vermisse er auch in der kirchlichen Erinnerungskultur, dass „hier aus eigener Kraft etwas entstanden ist.“
Dreißig Jahre danach ist es an der Zeit, sich dankbar an einen Menschen zu erinnern, der in schwieriger Übergangszeit am Runden Tisch der DDR zum Gesicht seiner Kirche wurde.
Bis kurz vor seinem Tod war er neben kirchenpolitischen Themen etwa auch für die Lyrik Hilde Domins empfänglich: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“
Von Thomas Brose