„Capacitar“ – Methode zur ganzheitlichen Stärkung

Sich selbst und andere stärken

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„Capacitar“ ist eine Methode zur ganzheitlichen Stärkung und Heilung. Bei einem vierteiligen Kurs lernen Ehren- und Hauptamtliche von Gründerin Patricia Cane Möglichkeiten kennen, Menschen in Not zu helfen.

Die Teilnehmer des Capacitar-Kurses üben mit Referentin Dr. Patricia Cane im Bildungszentrum der Fokolar-Bewegung in Zwochau das Chakra Tai Chi. | Fotos: Eckhard Pohl

 

Eine Reise durch die Chakren, das sind die Energiezentren des Körpers, steht am Beginn des gemeinsamen Lernens dieses Tages. Menschenfreundlich und liebenswürdig lädt Dr. Patricia Cane die in einer großen Runde sitzenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu ein, sich mit Gefühl und Verstand, mit Gesten und Körperhaltungen auf diese Reise durch den Körper zu begeben. Ihre englischsprachigen Ausführungen werden von Missio-Diözesanreferentin Anke Reermann aus Aachen simultan übersetzt, die 77-jährige Cane ist auf Einladung von Missio in Deutschland.
Den Frauen und Männern ist die Übung schon bekannt. Mit ihrer täglichen Wiederholung soll ein guter Energiefluss zwischen Körper, Geist und Seele gesichert werden. Gemeinsam vollziehen sie Bewegungen, wie sie Dr. Cane der Gruppe vorgibt. Beginnend beim ersten Chakra, das als Energiezentrum der Sicherheit, der Verbindung mit der Erde, dem Ort des Zuhauses, der Familie im Unterleib liegt: „Die Farbe oder Lichtschwingung ist Rot, das Element der Erde. Die Botschaft dieses Chakras lautet: ,Ich bin‘“, sagt Patricia Cane, und ermutigt: „Nimm dir ein paar Momente, um mit diesem Chakra zu sein.“ Dann führt sie die Frauen und Männer weiter über das Chakra der Kreativität und Sexualität, das Chakra der Macht, hin zum Zentrum des Mitgefühls und der bedingungslosen Liebe in der Herzgegend, und am Ende zum siebten Chakra oberhalb des Kopfes, dem spirituellen Zentrum des Leibes. „Das ist deine Verbindung zum Heiligen, zur Quelle, das Zentrum der Verbindung mit dem Göttlichen“, erläutert Cane den Übenden. Während dieser angeleiteten Reise durch den Körper erklingt im Hintergrund Musik.
37 Teilnehmer vor allem aus den neuen Bundesländern, aber etwa auch aus Hamburg und Südwestdeutschland sind an diesem Samstag und Sonntag in Zwochau bei Leipzig zusammen. Sie nehmen am zweiten Modul des vierteiligen Kurses „Capacitar“ teil. Capacitar kommt aus dem Spanischen und bedeuet soviel wie „jemanden stärken“ oder „sich gegenseitig zum Leben erwecken“. „Grundanliegen ist es, an der Balance und Einheit von Körper, Geist und Seele zu arbeiten und dadurch eine ganzheitliche Heilung und Frieden mit sich selbst, der Gemeinschaft und der Welt zu ermöglichen“, heißt es in einer Ausschreibung zu dem Kurs. Die Fortbildung richtet sich an Ehren- und Hauptamtliche, die mit Menschen arbeiten, die von Stress, Armut, körperlicher und/oder psychischer Krankheit, Missbrauch, Trauma und  Gewalt betroffen sind.
 

Menschen ermöglichen, inneren Frieden zu finden
Begründerin von Capacitar ist die US-Amerikanerin Patricia Cane. Die studierte Psychologin hat über interkulturelle Gesundheitserziehung promoviert und vermittelt ihren Ansatz „zur ganzheitlichen Resilienzstärkung und Selbstheilung“ seit drei Jahrzehnten. Nach einer erst im Mai zu Ende gegangenen Modulreihe in Aachen bietet die Direktorin von „Capacitar International“ nun in Zwochau zum zweiten Mal in Deutschland einen Kurs an. Veranstalter sind neben Missio die (Erz-) Bis-tümer Dresden-Meißen, Erfurt, Hamburg und Magdeburg. Cane ist nach eigenen Angaben nahezu weltweit unterwegs und hat vor allem Menschen mit schweren Traumata im Blick, besonders Flüchtlinge, und Engagierte, die traumatisierten Menschen beistehen. Sie arbeite mit Menschen verschiedener Religionen und habe deshalb dafür eine religiös neutrale Sprache entwickelt, sagt die frühere Ordensfrau, und ergänzt: „Aber es ist hilfreich, alle unsere Ansätze spirituell durch den Glauben zu untermauern. Wenn wir mit Christen arbeiten, ist es zum Beispiel gut, daran zu erinnern, dass Jesus Menschen stets berührt hat, wenn er sie heilte.“
„Capacitar International“ arbeitet zum Beispiel mit Menschen in Afghanistan. „Sie können sich durch Klopftechniken auf Akkupunkturpunkte von Angstzuständen und Traumata lösen, die sich (als blockierte Energien) in ihrem Körper festgesetzt haben“, sagt Cane. Es sei „schön, wie Menschen so zu einem inneren Frieden finden können, obwohl sie weiterhin in einer Kriegssituation leben“. Cane möchte die von ihr bei verschiedenen Völkern gesammelten Heilmethoden möglichst vielen Menschen vermitteln und verbindet mit ihrem Angebot die Hoffung: „Wenn durch Capacitar immer mehr Menschen inneren Frieden finden, könnte das die ganze Welt friedlicher und heiler machen.“
Dieser Gedanke fasziniert Teilnehmer Pfarrer Michael Teubner aus Leipzig. Teubner ist Pries-ter und Coach und als Seelsorger immer wieder Begleiter von Schwerstkranken und Sterbenden. „Bei Capacitar steht der Körper im Mittelpunkt, der Kopf ist nur ein Teil“, sagt Teubner. Die westliche Psychologie setze stark auf den Kopf. Aber es gebe zum Beispiel schwer traumatisierte Menschen, die mit therapeutischem Gespräch gar nicht erreichbar sind. „Die Herangehensweise ist einfach und braucht keine großen Hilfsmittel. Kranke, sterbende Menschen oder zum Beispiel Personen in Lebenskrisen können etwa von einer entsprechenden Handmassage profitieren, wie sie im Kurs schon geübt wurde. Voraussetzung ist, dass Seelsorger, Krankenschwestern, Menschen in anderen Pflege- und therapeutischen Berufen oder auch Angehörige solche Methoden kennen.“

 

Capacitar-Begründerin Patricia Cane während des Kurses im Gespräch mit Teilnehmerinnen.

 

Christine Böckmann aus Magdeburg erlebt sich immer wieder in Stresssituationen. „Ich merke, dass mir Körperarbeit wie Tai Chi oder Akupressur etwa gegen Nackenverspannungen gut tut. Ich will schauen, was für mich hilfreich ist.“ Im Übrigen habe sie schon beim ersten Modul mit den aus China und Korea stammenden Capacitar-Grundübungen Pal Dan Gum etwas entdeckt, was ganz gut in ihre Zivilcourage-Arbeit beim Verein Miteinander in Magdeburg passt.
Patricia Cane erkundigt sich bei den Teilnehmenden, ob es vom Vortrag noch Rückfragen gibt. Als die Fragen geklärt sind, stimmt Cane das Lied „We shall overcome“ an und erzählt stichpunktartig von der Entstehungsgeschichte von Capacitar in Nikaragua und anderen südamerikanischen Ländern. Der basisorientierte, befreiungspädagogische Ansatz stamme von Paulo Freire und ermögliche durch seine Niedrigschwelligkeit eine unkomplizierte Anwendbarkeit.
Anschließend leitet Cane zu einem neuen Übungsfeld über: Es geht um das Labyrinth, das in verschiedenen Kulturen der Welt anzutreffen sei: von Kreta über Irland bis zu den Maja Mittelamerikas. Alle Teilnehmer erhalten ein Din-A4-Blatt, auf dem zwei gleiche, aber gespiegelte Labyrinthe zu sehen sind. Bei einer Übung zeichnen die Teilnehmer nun, angeleitet durch Cane, zunächst mit ihrem starken, oft rechten Zeigefinger den Weg des mehrfarbigen Labyrinths nach. Das wiederholen sie mit dem anderen Zeigefinger, bis sie es schließlich gegenläufig mit beiden Zeigefingern gleichzeitig tun. „Das Labyrinth gilt als ein uraltes Kraftzentrum. Wer sich darauf einlässt, es bewusst nachgeht, findet Ruhe, konzentriert sich auf das Zentrum, sammelt Kraft, stärkt sich selbst.“
 

Wirkliches voneinander lernen in der Weltkirche
Für die Missio-Diözesanreferentinnen Maria Faber aus Magdeburg und Ayline Plachta aus Erfurt ist der von Cane in Zwochau angebotene Kurs „ein lebendiges Beispiel tatsächlichen gegenseitigen weltkirchlichen Lernens, globalen Gebens und Nehmens“.
Nach der Mittagspause steht wieder die Pal Dan Gum-Übung auf dem Programm, mit der nach alter chinesischer und koreanischer Tradition Anspannungen gelockert, die Energien zwischen den Meridianen des Körpers ausgeglichen werden können und die Blutzirkulation verbessert wird. Im Verlauf des heutigen zweiten Tages des zweiten Kursmoduls wird es dann noch um die Ableitung von Schmerz und die Lösung von Spannungen in Kopf, Hals und Schultern gehen.
Ende August werden sich die Teilnehmenden zum dritten Modul treffen. Dann sollen besonders Heilungsmöglichkeiten bei Traumatisierungen im Mittelpunkt stehen.

www.capacitar.org

Von Eckhard Pohl