Gespräch über Trost und Hoffnung

„Tränen dürfen sein, sonst säuft die Seele ab“

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Illustration: Patrick Schoden

Manchmal drohen Menschen in ihrer Trauer zu versinken. Wenn ihr Kind schwerkrank wird, der Partner stirbt oder die Ehe zerbricht. Der Priester Peter Kossen und die Krankenhausseelsorgerin Mechthild Döbbe erzählen, wie sie diese Menschen trösten, was das bewirkt und wie ihnen der Glaube beim Trösten hilft.

Wer kommt zu Ihnen und sucht Trost?

Mechthild Döbbe   Ich habe noch nie erlebt, dass mich jemand anruft und das direkt so formuliert: „Ich brauche jetzt Trost.“

Peter Kossen   Oft verbirgt sich der Wunsch nach Trost unter der Oberfläche. Leute kommen mit einer Sachfrage zu mir, und im Gespräch fließen dann plötzlich Tränen. Und ich merke: Okay, es geht hier um viel mehr. Ich denke da gerade an eine Erstkommunionmutter, bei der sich im Gespräch herausstellte, was sie alles belastet: Sie war alleinerziehende Mutter, hatte wirtschaftliche Probleme, steckte in einer beruflichen Krise. In ihrer Anfrage nach einem Gespräch war all das nicht erkennbar. Da mussten wir beide uns erst rantasten.

Döbbe  Ich glaube, dieses Rantasten ist wichtig. Die Leute fragen sich: Wie viel Vertrauen kann ich dem anderen entgegenbringen? Sieht der, was hinter meiner Anfrage steckt? Hat der wirklich Interesse an mir? Im Krankenhaus habe ich ja ständig mit Menschen zu tun, die in Ausnahmesituationen sind. Die frage ich: Was belastet Sie? Ich versuche, Vertrauen aufzubauen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Mechthild Döbbe
Mechthild Döbbe, Klinikseelsorgerin. Foto: privat

Döbbe   Ich habe im vergangenen Jahr auf der Kinderintensivstation die Mutter eines schwerkranken Kindes betreut. Das Kind war Autist, ist in einem Schwimmbad fast ertrunken und musste reanimiert werden. Nun muss es mit heftigsten Einschränkungen leben. Die Eltern hatten natürlich Schuldgefühle. Und nun war die Mutter immer bei dem Kind. Sie hatte Angst: Wenn ich nicht da bin, passiert was. Ich konnte das verstehen, aber irgendwann hatte ich das Gefühl: Ich muss ihr mal Luft verschaffen. 

Wie haben Sie das gemacht?

Döbbe   Wir haben überlegt: Wer kann in der Zwischenzeit das Kind betreuen, sodass sie ein gutes Gefühl dabei hat? Wir haben uns dann unten in die Cafeteria gesetzt, einen Kaffee getrunken und geredet. Ein paar Tage später sind wir in die Kapelle gegangen. Und sie hat angefangen zu erzählen. Da habe ich verstanden, wie belastend diese Situation für so eine Frau ist – erst recht, wenn es noch Geschwisterkinder gibt, wenn der Vater arbeiten muss, wenn sie die ganze Zeit über alleine beim schwerkranken Kind ist. Sowas zieht sich ja oft über Monate. Da kommen manchmal heftige Erkenntnisse.

Welche denn?

Döbbe Einmal hat mir eine Mutter gesagt: „Ich glaube, ich bin mit den anderen aus der Familie ungerecht umgegangen. Ich werde oft aggressiv im Ton – weil die gar nicht wissen, wie es mir geht.“ Ich habe ihr gespiegelt: Das ist normal, dass das passiert bei einer so hohen Belastung. Ich weiß nicht, ob das schon Trost ist. Zumindest ist es der Versuch, den Blick wieder ein bisschen zu weiten. Was mir bei der Begleitung dieser Menschen hilft, ist, wenn ich sie nicht zu gut kenne.

Warum?

Döbbe Durch die Distanz fällt es mir leichter, für die Leute wie ein Spiegel zu sein. Wahrscheinlich geht’s dir ähnlich, Peter, oder? 

Kossen  Ja. Es braucht manchmal trotz allen Mitleids eine professionelle Distanz – zum Beispiel bei Beerdigungen. Die Distanz kann beruhigend wirken. Der andere hat dann nicht so viel Angst um einen selbst. Er muss nicht fürchten, dass ich selbst auch noch ins Schwimmen komme – und er, der eh schon Trost braucht, noch eine Sorge mehr hat. Weil er merkt: Jetzt hab ich dem auch noch ein Problem gemacht. 

Döbbe Das sagen die Menschen ja auch oft: „Ich will die anderen nicht noch damit belasten.“ Ich merke oft: Alle Last liegt in diesem Moment auf ihren Schultern. Wenn ich die ein bisschen mittragen kann, ist das schon eine ganze Menge. Aber auch nur ein Stück – dann bin ich wieder raus. Auch ich muss schauen: Wie kriege ich jeden Fall für mich so reflektiert, dass er mich nicht permanent belastet?

Und? Wie kriegen Sie das hin?

Döbbe Wir besprechen die Fälle in der Supervision. Es hilft mir auch, dass ich am Ende eines Arbeitstages meine Dienstkleidung ausziehe. Und dass ich auf dem Weg nach Hause immer in der Krankenhauskapelle Halt mache. Da sage ich mir: Für heute ist’s genug. Jetzt lasse ich alles hier, ich gehe – und lebe mein Leben weiter. Ich gehe auch morgens durch die Kapelle rein. So weiß ich, in wessen Namen ich unterwegs bin. Und ich weiß: Gott ist immer dabei.

Ist das für Sie tröstlich?

Döbbe Ja, wenn ich Situationen habe, in denen ich nichts anderes machen kann, als da zu sein, dann ist das für mich Trost: dass da noch jemand ist, der alles in seinen Händen hält. Auch das, was wir nicht überblicken können.

Kossen  Mir hat mal ein alter Pfarrer erzählt, dass er sich abends, bevor er ins Bett geht, ans Fenster stellt und einen Segen spendet. Das fand ich so stark, dass ich das seitdem auch immer mache. Jeden Abend stelle ich mich ans Fenster und mache ein Segenszeichen – so wie wenn ich am Ende eines Gottesdienstes eine Gemeinde segne. Ich höre mir ja viel Not und Trostlosigkeit an. Dieses Ritual hilft mir sehr dabei, alles das, was draußen und in mir drinnen ungelöst ist, abzugeben und in die Hände Gottes zu legen.

Peter Kossen
Peter Kossen, Leitender Pfarrer in Lengerich. Foto: privat

Woran merken Sie, dass Ihr Trösten etwas bewirkt hat?

Döbbe Ich merke das zum Beispiel daran, dass wir uns irgendwann von der aktuellen katastrophalen Situation lösen und gucken: Die hat ja nicht das ganze Leben bestimmt. Was war denn vorher? Wie viel Grund zur Dankbarkeit gab es? Wie viel schöne Zeit haben Sie mit dem Schwerkranken oder Verstorbenen erlebt? Ich sage dann gern: „Das haben Sie alles in Ihrem Lebensrucksack drin, auch die schönen Zeiten. Die können Sie immer wieder herausholen, die kann Ihnen niemand nehmen.“ 

Was sagen die Leute dann?

Döbbe Sie sagen: „Ja, stimmt.“ Manchmal ist das nur wie ein Blitzlicht – dann fallen sie wieder zurück in die Trauer. Aber sie wissen nun: Da ist noch eine Ressource, auf die ich zurückgreifen kann. 

Kossen  Ich habe den Eindruck, dass mein Trösten etwas bewirkt hat, zum Beispiel bei der Erstkommunionmutter, von der ich eben erzählt habe. Wenn ich ihr jetzt begegne, spüre ich: Sie gewinnt wieder Stabilität im Leben. Wie gut! 

Döbbe Dass Menschen wieder Stabilität bekommen und ihren Selbstwert wiedererkennen – das ist unendlich wichtig. Denn nichts ist in dramatischen Situationen so schnell weg wie das Selbstwertgefühl.

Trösten ist ganz schön anspruchsvoll, oder?

Döbbe Absolut, ja. Und ich versuche wirklich, alles mit den Menschen auszuhalten, was geht. Aber manchmal komme ich auch an eine Grenze.

Wann denn?

Döbbe Ich finde es brutal, wenn Kinder sterben. Oder wenn ich nach einer Totgeburt gerufen werde. Dann denke ich: Warum? Auf diese Frage kriege ich keine Antwort. Wir haben zweimal im Jahr die Beisetzung der Kinder unter 500 Gramm. Wenn ich sehe, wie viel Leid die jungen Paare da miteinander aushalten, das ist hart. Es sind immer 20, 30 Elternpaare da. Im vergangenen Jahr war ich etwas früher da, und ein Ehepaar saß draußen auf der Friedhofsbank. Sie wollten auch zum Gottesdienst, und die Mutter fragte: „Darf ich im Gottesdienst gleich was sagen?“ 

Klar durfte sie, oder?

Döbbe Ja, natürlich! Sie hat sich dann dahingestellt und gesagt: „Es fällt mir unheimlich schwer, hier zu stehen, aber ich möchte das machen. Denn dieses Kind, das wir heute beerdigen, das gehört zu unserer Familie dazu. Es hat einen Namen. Es ist nicht einfach weg.“ 

Starke Worte.

Döbbe Ja, und für alle anderen Eltern, die in derselben Situation waren, waren ihre Worte so mutmachend und trostspendend – obwohl da auch Tränen geflossen sind. Aber ich denke: Tränen dürfen sein, sonst säuft ja die Seele ab. Irgendwie muss es doch raus. Faszinierend an dieser Situation fand ich auch, wie einfach das funktionieren kann: uns gegenseitig Trost zu spenden. Man muss nur hellwach sein für das, was gerade passiert. 

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Illustration: Patrick Schoden

Wie beginnen Sie zu ahnen, da braucht jemand Trost?

Kossen  Manchmal hilft da Intuition. Ich habe das letztens bei der Freiwilligen Feuerwehr erlebt. Bei der Jahreshauptversammlung sprach mich einer der jungen Kameraden auf dem Weg in den Versammlungsraum an. Er deutete nur an, dass er mal mit mir reden wolle – hat aber nicht gesagt, worum es ging. Ich hab dann sofort einen Termin mit ihm gemacht, für zwei Tage später. Ich hatte so ein Gefühl, dass das wichtig ist. Es ging dann um eine Totgeburt. 

Döbbe Du hast recht, es ist Intuition. Irgendwann bekommt man vielleicht eine Ahnung, wie man Leute schneller einschätzen kann. Aber es gibt kein Muster dafür.

Wie wirken Menschen, die trostlos sind?

Kossen  Trauer kann den Gesichtskreis stark einengen. Die Leute konzentrieren sich nur auf ihr Problem, um irgendwie durchzukommen. Da kann es dann keine Weite geben für eine Perspektive oder für einen Hoffnungsschimmer. Auch Zynismus und Sarkasmus können ein Ausdruck von Trauer sein. Das erlebe ich manchmal bei Priestern: dass sie auf Situationen in der Kirche oder in ihrer Gemeinde sehr zynisch reagieren. Ich glaube, dahinter steckt die Trauer, ein Bild von Kirche verloren zu haben, das für sie wichtig war. 

Döbbe Ich finde es auch völlig in Ordnung, wenn man sich erst mal auf sich zurückzieht in der Trauer. 

Kossen  Ja, aber es gibt dabei eine gefährliche Sackgasse. Einen Zustand, in dem die Menschen zutiefst trostlos sind, wunschlos unglücklich und resignativ. Sie haben dann keine Energie mehr, irgendwohin zu wollen. Es ist ein großes Glück, wenn man sie da wieder rauslocken kann. 

Wo haben Sie so eine Haltung mal erlebt?

Kossen  Ich hab manchmal so eine Ahnung davon. Ich mag Leute dann nicht direkt darauf stoßen. Ich versuche ihnen nur zu vermitteln: Da ist doch vielleicht noch mehr, als du ahnst. Ganz aktuell erlebe ich das bei einer alten Dame, die ich regelmäßig besuche. Sie war früher eine politisch und kirchlich engagierte Frau, sie hatte immer hohe Ansprüche an sich und an alle. Jetzt ist sie 83, sie hat einige Gebrechlichkeiten, und ihr Mann ist vor ein paar Jahren gestorben. Ihr Engagement und ihre Ansprüche hat sie weitgehend aufgegeben. 

Haben Sie darüber mal mit ihr gesprochen?

Kossen  Nein, und ich weiß auch gar nicht, ob sie damit was anfangen könnte. Aber ich würde mir wünschen, dass sie sagen würde: Ja, ich bin alt und vielleicht habe ich auch gar nicht mehr so lange zu leben – aber ich lebe dieses Leben jetzt.

Wie versuchen Sie, andere Menschen aus der Sackgasse wieder herauszulocken?

Kossen   Ich versuche, durch die Begleitung ein Anker für sie zu sein. Damit sie vielleicht doch Perspektiven für sich entwickeln können. Diesen Menschen kann es helfen zu wissen: Da ist jemand da. In der Trauerausbildung vor der Priesterweihe hat mir mal jemand gesagt: „Im Zweifelsfall sind Sie der lebendige Beweis dafür, dass dieser Mensch, mit dem Sie da zu tun haben und der in Trauer ist, nicht von allen guten Geistern und von Gott verlassen ist.“ Da ist, glaube ich, was dran.

Döbbe Und wenn im Augenblick erst mal alles trostlos ist, dann ist es auch erst mal so. Manchmal ist es da am besten, einfach zusammen zu schweigen. Natürlich müssen wir immer auch gut überlegen: Ist hier noch Seelsorge gefragt oder schon ein Arzt oder Psychotherapeut? Wo ist die Grenze, bei der ich merke, das übersteigt jetzt meine Kompetenz? 

Nehmen Sie beim Trösten auch mal jemanden in den Arm?

Döbbe Das kommt darauf an, was die Leute mir signalisieren. Ich würde es nie von mir aus machen – gerade wegen des Missbrauchsskandals, mit dem wir in der Kirche ja umgehen müssen. Übergriffigkeit geht gar nicht. Ich war mal im Altenheim bei einer alten Dame, die sagte zu mir: „Mich fasst keiner mehr an. Nur noch zum Waschen.“ 

Wie meinte sie das?

Döbbe Ich habe es auch nicht gleich verstanden, es klang für mich zweideutig. Sie hat mir dann erklärt, dass sie niemand mehr in den Arm nehme – und dass ihr das fehle. Als wir uns verabschiedet haben, habe ich gefragt: „Und? Soll ich Sie jetzt in den Arm nehmen?“ Und sie sagte: „Ja!“ 

Herr Kossen, nehmen Sie Menschen zum Trost auch mal in den Arm?

Kossen  Ja, das kommt schon mal vor. Aber eher selten. Nur wenn ich deutlich das Signal wahrnehme, dass jemand das will. Vielleicht übersehe ich da auch mal ein Signal. Dabei ist es manchmal sicher tröstlich, etwas zum Anfassen zu haben – das muss gar kein Mensch sein. 

Sondern?

Kossen  Bei mir stand mal ein junger Mann an der Tür, der sah etwas heruntergekommen aus, er hatte wohl viele Probleme. Und er hatte die Not, dass seine Oma ihm immer gesagt hat: „In dir steckt der Teufel.“ Über diese Not wollte er mit mir sprechen. Da hatte ich den Gedanken: Dem musst du was mitgeben, an dem er sich festhalten kann. 

Und was war das dann?

Kossen  Ich war vorher in Rom gewesen bei einem Priesterkongress – und bei diesem Kongress haben alle 11 000 Priester vom Papst einen Rosenkranz gekriegt. Meinen hatte ich noch im Schreibtisch liegen. Den habe ich dem Mann gegeben und ich habe ihm gesagt: „Diesen Rosenkranz hat der Papst mir geschenkt. Und immer, wenn Sie die Stimme Ihrer Oma in sich hören, dass in Ihnen der Teufel steckt, dann halten Sie sich einfach daran fest. Und dann wissen Sie, dass das nicht so ist.“ Ich habe den Mann nie wiedergesehen. Ich weiß nicht, wie es mit ihm weitergegangen ist. Aber in diesem Moment hatte ich das Gefühl: Er braucht eine gute Botschaft, die er anfassen kann.

Döbbe Das Gefühl kenne ich. Ich habe mir in einer Behindertenwerkstatt Handschmeichler-Kreuze machen lassen. Die habe ich meistens in der Tasche. Und wenn es passt, verschenke ich ein Kreuz und sage: „Das ist jetzt für Sie. Wenn es hart auf hart kommt, dann halten Sie sich daran fest.“ 

Sich festzuhalten, scheint sehr tröstlich zu sein.

Döbbe Auf jeden Fall, ja. Das erlebe ich auch oft, wenn wir im Krankenhaus die Krankenkommunion austeilen. Manchmal gebe ich einem kranken Menschen die geschlossene Dose mit den Hostien in die Hand und sage: „Während wir jetzt beten, halten Sie die mal fest.“ Wenn ich sehe, wie die Leute sich daran festkrallen, in einem guten Sinne, dann denke ich: Ja, jetzt liegt der Herr hier mit auf dem Bett. Und vielleicht gehört er genau dahin. 

Was ist beim Trösten ganz falsch? Vor allem: Vertrösten?

Döbbe Ja.

Kossen  Und ein Relativieren des Leids. Was gar nicht ginge, wäre zum Beispiel, einem Paar nach einer Totgeburt zu sagen: „Ihr seid doch noch jung. Ihr könnt doch wohl noch ein Kind kriegen.“ Es gibt manchmal Situationen, die sind einfach tragisch und leidvoll und wir wissen, wir werden auch in hundert Jahren noch keinen Sinn darin erkennen. Die erklären zu wollen, hilft nicht.

Döbbe Ich erinnere mich an die Beerdigung eines Jugendlichen, der schwerstbehindert war. Da hab ich mich gefragt: Was sag ich bloß in der Predigt? Ich habe sie dann so angefangen: „Wenn ich eines Tages vor Gott stehe, dann wird er mich sicher eine Menge fragen – aber ich ihn auch.“ Denn manches bleibt fraglich. Da haben wir keine Antworten. Und da will ich auch keine geben. 

Was hilft Ihnen, damit klarzukommen?

Döbbe  Mir hilft es in solchen ausweglosen Situationen, mich in die Osterlesungen hineinzudenken. Die finde ich sehr tröstlich. Obwohl ich weiß: Vor Ostern kam der Karfreitag. Und der Karsamstag. Da war nix mit Trost. Da war nur Aushalten. Dann denke ich: Diese Phasen zu erleben, ist zutiefst menschlich. 

Herr Kossen, inwiefern hilft Ihnen der Glaube beim Trösten?

Kossen  Ich habe kürzlich hier im Theater das Stück „Hiob“ gesehen, das hat mich beeindruckt. Hiob ist ja jemand, der sprichwörtlich dafür steht, was einem alles genommen werden kann und wie man dann versucht, damit zu leben. Er bleibt mit Gott im Gespräch, auch im Zorn – das ist seine Stärke. Diese Geschichte hilft mir. Ich glaube fest, am Ende wird unser Schicksal Gott doch nicht kaltlassen. Wir sollten uns vor ihm bemerkbar machen. Vielleicht tut er nicht immer das, um was wir ihn bitten – aber es ist doch nicht umsonst gesagt.
 

Zur Person: Peter Kossen (55) ist seit 2017 Leitender Pfarrer in Lengerich (Bistum Münster). Neben seiner Arbeit in der Pfarrgemeinde engagiert er sich für Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie und prangert ihre Ausbeutung an.
 
Zur Person: Mechthild Döbbe (59) ist seit 2021 Klinikseelsorgerin im Clemenshospital Münster und Supervisorin. Zuvor hat sie 23 Jahre lang als Pastoralreferentin in der St.-Regina-Gemeinde in Drensteinfurt gearbeitet.

 

Andreas Lesch