Ludger Nagel leitete 26 Jahre die Katholische Erwachsenenbildung
Transparenz und Diskussion
Ende des Jahres scheidet der Geschäftsführer der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) im Bistum Magdeburg und im Land Sachsen-Anhalt, Ludger Nagel (64), altersbedingt aus dem Dienst. Der geborene Münsterländer hat gemeinsam mit seinem Team die KEB in der Region etabliert und zu einem anerkannten Akteur auf dem Gebiet der Erwachsenbildung gemacht.
Ludger Nagel Foto: Eckhard Pohl |
Herr Nagel, freuen Sie sich darauf, die Verantwortung abgeben zu können?
Meine Gefühle wechseln. Im Moment überwiegt die Wehmut. Ich konnte vieles gestalten. Mir ist von allen KEB-Vorständen stets viel Gestaltungsvollmacht eingeräumt worden. Es hat mir Freude gemacht, neben der klassischen Arbeit nachhaltige Projekte zu entwickeln und so aus dem katholischen Raum heraus unsere christliche Verantwortung wahrzunehmen und uns mit gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren zu vernetzen. Mit der Arbeit sind wir personell gewachsen, aktuell sind 14 Personen hauptberuflich angestellt. Zehn Prozent unseres Etats von zirka einer Million Euro steuert derzeit noch das Bistum bei, 15 bis 18 Prozent kommen aus Mitteln des Erwachsenenbildungsgesetzes des Landes. Der große Rest sind Gelder für Projekte der interkulturellen und politischen Bildung auf Landesebene und aus den beiden Bundesprogrammen „Demokratie leben“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“, die wir aktiv umsetzen. Und Projekte in der Alphabetisierung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sind auch dabei.
Der Projekte-Anteil ist erheblich. Ist eine Beteiligung an Projekten nicht aber oft recht aufwendig?
Man kann damit manches realisieren. Aber ja, die Finanzierung ist oft mühsam und kräftezehrend. Sehr positive Erfahrungen bei unserer Arbeit insgesamt machen wir gerade mit der Regelförderung des Landes Sachsen-Anhalt nach dem Erwachsenenbildungsgesetz. Bei vielen anderen Fördermittelgebern herrscht leider eine Kultur des Misstrauens, die oft unnötig Kräfte bindet. Dabei ist es ein Widerspruch: Einerseits heißt es: Wir brauchen die freien Träger. Andererseits herrscht bei den formalen Abrechnungsmodalitäten kleinliches Hinterfragen von einzelnen Ausgaben. Außerdem bedeutet Projektarbeit für viele Mitarbeiter immer auch Befristung des Dienstvertrages.
Sie sagten, das Bistum steuert noch zehn Prozent der Mittel für die Arbeit der KEB bei ...
Bei allem Verständnis für knapper werdende Ressourcen ist leider auch die Finanzierung durch das Bistum ein mühsames Feld. Beim Pastoralen Zukunftsgespräch, den Zukunftsbildern und anderen Verlautbarungen ist viel vom Kirchesein für die anderen die Rede. Wenn es aber um den konkreten Einsatz von Ressourcen geht, ist nach meiner Einschätzung vor allem die klassische Gemeindeseelsorge im Blick und weniger das konkrete Engagement der Kirche in die Gesellschaft hinein. Die finanziellen, personellen, auch die Raum- und vor allem die mentalen Ressourcen dienen überwiegend, so mein Gefühl, dem Aufrechterhalten des Betriebs. Es wird wenig gewagt, Neues zu versuchen. Dabei ist manches möglich, wie zum Beispiel die Erfolge der Malteser in der Arbeit mit Ehrenamtlichen zeigen. Oder: Als KEB bieten wir seit 20 Jahren nachgefragte Weiterbildungen für Stadt- und Gästeführer an. Die Teilnehmer begegnen Kirche aus historischer, theologischer und bei einem Wochenende auf der Huysburg auch spiritueller Perspektive. Ich wünschte mir mehr Fantasie und Mut, neue Wege zu beschreiten und darauf zu vertrauen, dass Gott schon da ist. Und dafür auch Ressourcen einzusetzen. – Ich habe dafür immer wieder geworben, leider relativ erfolglos.
Welche originären Aufgaben hat Katholische Erwachsenenbildung?
Ein wichtiger Bereich der Arbeit war und ist es noch, Kreise in den Gemeinden dabei zu unterstützen, Bildungsangebote zu machen. Einen entsprechenden Katalog an Möglichkeiten haben wir auch für 2021 zusammengestellt. Doch gemeindliche Kreise, in denen es auch um Bildungsimpulse geht, werden immer weniger. Daneben geschieht Bildungsarbeit im Zusammenwirken mit den Maltesern, der Caritas, dem Seniorenbüro in Naumburg und vielen anderen. Insgesamt erbringt die KEB – so war es vor Corona – etwa 10 000 Bildungsstunden pro Jahr. Vor allem engagieren wir uns, wie schon erwähnt, in Projektarbeit, worüber auch Stellen finanziert werden.
Wenn angesichts des Gestaltwandels von Kirche gemeindliche Möglichkeiten schwinden, gilt es, andere Wege zu beschreiten. Von daher leitet sich unser Engagement für die Teilhabe von Flüchtlingen, für Vielfalt, für Demokratie oder etwa in der Umweltbildung ab. Weitere Orte des KEB-Engagements sind die Arbeit mit Kita-Erzieherinnen oder – im Blick auf interkulturelle Kompetenz – mit Auszubildenden in der öffentlichen Verwaltung.
Sie haben viele Jahre mit anderen Verantwortlichen etwa von Katholischer Akademie, Roncalli-Haus, Familienbund partnerschaftlich zusammengearbeitet ....
Wenn das so rüber gekommen ist, freut mich das. Ja, Vernetzung und Beziehungsarbeit halte ich für ganz wesentlich. Das ist uns unter den kleinen Verhältnissen im Bistum, glaube ich, ganz gut gelungen. Ein wichtiges Instrument der Vernetzung sehe ich im Bistum in der Kommission für Erwachsenen- und Familienbildungsarbeit. Ich erlebe aber seit Jahren zugleich eine innere Spannung: Als KEB mühen wir uns darum, in Kirche und Gesellschaft Menschen zum Einsatz für die gleichberechtigte Teilhabe, die Partizipation aller, die Übernahme von Verantwortung und vieles mehr zu befähigen. Voraussetzung dafür ist wirkliche Transparenz. In unserem Bistum aber wird echte Partizipation kaum praktiziert. Ich denke besonders an die Intransparenz in Sachen Bistumshaushalt. Die Verantwortlichen zum Beispiel von Caritas, Schulstiftung, Roncalli-Haus, KEB kennen nicht die exakten Zahlen des Bistumsetats. Wie aber will man sich bei knapper werdenden Ressourcen für Schwerpunkte in der Arbeit in dieser oder jener Richtung verantwortlich entscheiden, ohne die Fakten zu kennen? Während jeder Interessierte mit Internetzugang den Haushalt beispielsweise der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands oder des Erzbistums Freiburg einsehen kann, wird bei uns im Bistum gemauert. Ich wünsche mir im Ringen um richtige Entscheidungen, wie Kirche hier und jetzt für die Menschen da sein soll und kann, echten Diskurs. Und dafür braucht es auch Transparenz in Form von exakten Zahlen.
Interview: Eckhard Pohl