Pilger vom Bolivientag machen Station beim Klima-Camp
Verantwortung und Handeln
„Klimagerechtigkeit? Geht doch – gemeinsam“: Unter diesem Leitwort haben sich über 100 Engagierte beim Bolivientag des Bistums Hildesheim in Lüneburg getroffen – und sind auf einem Pilgerweg durch die Innenstadt gezogen.
Wie kann Klimaschutz gerecht gestaltet werden? Geht es um politische Verantwortung, um persönliches Handeln – oder beides? Fragen, die den diesjährigen Bolivientag des Bistums Hildesheim prägen und in Bewegung bringen.
„Als reiches Industrieland hat Deutschland eine Schuld“, betont zum Auftakt Dietmar Müßig, Leiter Diözesanstelle Weltkirche. Denn wenige Länder stoßen den Großteil an Kohlendioxid aus, das für die weltweite Erwärmung verantwortlich ist. Die Folgen tragen vor allem die Länder des Südens. Bolivien ist dafür ein Beispiel: „Da stellt sich schon die Frage nach Gerechtigkeit“, unterstreicht Müßig.
„Weil der Bolivientag ein besonderes Zeichen unserer Verbundenheit ist, müssen wir auch diese Fragen thematisieren und vor Gott bringen“, sagt die Vorsitzende der Bolivienkommission des Bistums, Bettina Stümpel. Bolivien sei schon lange vom Klimawandel gezeichnet. „Gletscher schmelzen, Seen trocknen aus, Arten sterben, lange Dürren wechseln mit katastrophalen Überschwemmungen“, so Stümpel. Das fordere Christinnen und Christen heraus: „Deshalb sind wir einen Tag nach dem globalen Klimastreik und einen Tag vor der Bundestagswahl bewusst mit einem Pilgerweg auf die Straße gegangen.“
Damit wird ein weiteres Zeichen der Solidarität gesetzt: „Im Vorfeld der Klima-Konferenz in Glasgow sind derzeit europaweit Christinnen und Christen auf einem Pilgerweg unterwegs, um ihrer Sorge um den Erhalt der Lebensgrundlagen Ausdruck zu geben.“ (Die KiZ berichtete)
Vier konkrete Themenfelder prägen den Pilgerweg beim Bolivientag von der Kirche St. Marien aus durch die Lüneburger Innenstadt: der Umgang mit Nahrungsmitteln und Wasser, der Abbau von Rohstoffen oder das Sichern der Artenvielfalt. Es zeigen sich große Parallelen zwischen der Situation in Bolivien und Deutschland. So hat der Abbau von Salz Minenbesitzer und Kaufleute in Lüneburg reich gemacht, auf Kosten der Wälder, die einst in der heutigen Lüneburger Heide standen. So könnte der Abbau eines anderen Salzes in Bolivien, Lithium für die Batterieproduktion, Konzerne und vielleicht auch das Land selbst reich machen. Doch es drohen wieder problematische Folgen für die Umwelt, wenn Abbau und Produktion nicht nachhaltig geregelt werden. Eine Frage der Gerechtigkeit, der politischen Verantwortung und des eigenen Handelns.
Das betrifft auch die Versorgung mit Trinkwasser, die Produktion von und den Umgang mit Nahrungsmitteln oder das Sichern von Artenvielfalt. Können aber Pilger oder auch politisches Engagement noch etwas ausrichten? Zuspruch kommt von ungewohnter Seite – als der Pilgerweg Station beim Klima-Camp von „Fridays for Future“ vor dem Rathaus in Lüneburg macht.
Seit über 100 Tagen halten Engagierte dort aus. Einer von ihnen ist Jonas Korn. Obwohl er selbst nicht religiös ist, rät er den Kirchen doch auf ihre noch vorhandene Kraft zu vertrauen: „Die Kirchen können nur dann Zukunft haben, wenn sie sich der aktuellen Probleme annehmen.“ Dabei dürfen Christen durchaus radikaler auftreten, meint Korn: „Nicht nur in Predigten für die Bewahrung der Schöpfung eintreten, sondern auch auf die Straße gehen.“ So wie mit diesem Pilgerweg.
Rüdiger Wala