Suchen hat in den meisten Fällen etwas mit bestimmten Vorstellungen zu tun. Zum Beispiel mein Schlüsseletui samt Schlüsseln, das jedes Mal, egal wie groß meine Handtasche ist, auf unergründliche Weise in ihren Tiefen verschwindet.
Vor meinem geistigen Auge habe ich das kleine rote Etui. Was ich dann in meiner Tasche finden will, ist haargenau diese Schlüsseltasche. Nichts anderes. Genauso ist es mit der Brille, dem Kalender, dem Kochrezept. Dann gibt es noch dieses andere Suchen, dessen bestmögliches Ergebnis aber insofern schon von vornherein geschmälert wird, als dass es doch schon mehr oder weniger vage Vorstellungen davon gibt, wie das Ergebnis ausfallen soll. Zum Beispiel Er sucht Sie. Hochschulabschluss soll sie haben, lange Haare und eine sportliche Figur. Wäre doch möglich, dass die kleine Knuffige mit dem Bubikopf sein größtes Glück bedeuten könnte. Was er verpasst, weil er zu festgelegt ist.
Suchen braucht Offenheit. Wenn mehrere Leute eine gute Lösung für ein bestimmtes Problem suchen, etwa in einem Arbeitsteam oder einer Kirchenvorstandssitzung oder in der Familie, dann kann es in Streit und Frust enden, wenn jeder oder auch nur einige (manchmal reicht auch ein Einzelner) schon vorher weiß, wie die Lösung auszusehen hat. Um wie viel besser ist das Suchen ohne eine konkrete Vorstellung zu haben, wie das Ergebnis aussehen könnte. Sicher, den Sachverstand sollte man nicht außen vor lassen. Aber manchmal muss man einfach das loslassen, was man unbedingt finden möchte. Plötzlich findet einen das, was man so nie gesucht hatte. Und es ist viel größer und schöner und beglückender, dass es die kühnsten Träume sprengt. Suchen braucht Loslassen. Und Loslassen braucht Vertrauen. Egal ob es sich um unser persönliches (Glaubens-)Leben oder unser gemeinsames Kirche-Sein handelt – müsste uns das Loslassen nicht leichtfallen? Schließlich ist es kein Geringerer als Gott, dem wir vertrauen (bei allem Kleinmut). Und er ist ja erfahrungsgemäß immer auch für eine Überraschung gut.
Andrea Wilke, Erfurt