Fossilien in katholischen Kirchen

Auf der Suche nach Spuren der Geschichte

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Was lange vor unserer Zeit passiert ist, hat Peter Richter schon immer interessiert. Gern geht er auf Spurensuche nach Lebewesen aus der frühen Erdgeschichte. Jetzt hat er in den katholischen Kirchen in Veldhausen, Uelsen und Emlichheim erstaunlich viele Fossilien entdeckt.


Mit der Taschenlampe auf Spurensuche: Akribisch hat Peter Richter den Fußboden in der Kirche in Veldhausen abgesucht – und viele Fossilien entdeckt. Fotos: Petra Diek-Münchow

Peter Richter kniet sich auf den kühlen Boden und schaltet seine Taschenlampe ein. Suchend lässt er den Lichtkegel über die blank polierten Kalksteinplatten in der St.-Johannes-Kirche in Veldhausen gleiten. Und hält dann plötzlich an einer Stelle neben dem Altar inne. „Schauen Sie mal – da ist ein Ammonit“, sagt der 64-Jährige und legt den Finger auf die Fliese. Im hellen Schein tauchen die Umrisse des längst ausgestorbenen Lebewesens auf. Wie eine Schnecke sieht das Tier aus, ist aber eher mit den heutigen Tintenfischen verwandt. Peter Richter glaubt, dass der Ammonit vor etwa 150 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Weißen Jura irgendwo zwischen Nürnberg und München von Sand oder Schlick begraben worden ist.

Und so als versteinertes Fossil (siehe auch „Zur Sache“) bis heute bewahrt worden ist. Er entdeckt im Chorraum noch zahlreiche weitere fossile Einschlüsse: von Knochenfischen, Krebsen, Ringelwürmern, Muscheln und Quallen. Fast in jeder Bodenplatte gibt es Spuren aus längst vergangenen Epochen. „Auf Schritt und Tritt hat man hier Kontakt zu Erdgeschichte“, sagt er und richtet sich wieder auf. Das gilt im gleichen Maße für die katholischen Kirchen in Emlichheim und Uelsen.

Beim Kommuniongang fällt der Blick auf die Einschlüsse im Fußboden

Im vergangenen Jahr hat der Neuenhauser die drei Gotteshäuser in der Grafschaft Bentheim tagelang nach solchen Spuren untersucht – zur Freude und großen Begeisterung von Pfarrer Hubert Bischof. Auf Knien rutscht Peter Richter über die Fußböden in Altarräumen, Sakristeien und Treppenstufen und schaut sich jeden Zentimeter sorgfältig an. Was andere Leute vielleicht für Kratzer oder Muster im Stein halten, fällt seinem geübten Auge als Überreste versteinerter Lebewesen schnell auf. „Es gibt überraschend viele Arten in hoher Konzentration, besonders in Veldhausen“, sagt er und zeigt noch weitere Funde. Akribisch zeichnet er die Fundstellen in einen Plan, macht Fotos und schreibt Erklärungen dazu. Seine Dokumentation füllt mittlerweile mehrere Mappen. Ende Februar will er die Ergebnisse bei einem Gemeindefrühstück nach dem Hochamt präsentieren. Mancher Zuhörer wird danach beim Kirchgang vielleicht öfter mal aufmerksam nach unten schauen.

Denn genauso hat auch Richter die Fossilien entdeckt. Der gebürtige Rheinländer, der vor 17 Jahren „aus dem schönsten Grund der Liebe wegen“ nach Neuenhaus umgezogen ist, geht regelmäßig in die Kirche. „Ich bin immer sehr gläubig gewesen“, sagt er. Ganz gleich ob zu Hause oder bei der Autofahrt: Das Kreuzzeichen, ein kurzes Zwiegespräch mit Gott, ein stiller Dank geben ihm Kraft für den Tag. Gern begleitet der 64-Jährige auch seine Enkelkinder zum Gottesdienst. Immer, wenn er dann in der Bank sitzt oder nach vorne zur Kommunion schreitet, fallen seine Blicke auf die Einschlüsse in den Fußböden.


Stolz zeigt Peter Richter diesen versteinerten Ammoniten,
den er vor einigen Jahren in Süddeutschland gefunden hat.
Die Suche nach Fossilien ist seine große Leidenschaft.

Die Kalksteinplatten zum Beispiel in Veldhausen oder Uelsen stammen aus dem Erdzeitalter des Weißen Jura vor etwa 160 bis 144 Millionen Jahren. In der Altmühlalb in Süddeutschland abgebaut und glatt poliert, gleichen sie einem anderen wertvollen Material und werden deswegen oft so genannt: Jura-Marmor. Wenn er darin die Einschlüsse von Ammoniten oder Pfeilschwanzkrebsen sieht, geht ihm durch den Kopf, über was für geschichtlichen Boden wir zuweilen laufen. Und er denkt dabei oft an die Herrlichkeit der Schöpfung und an den Schöpfer selbst. Da wird er manchmal schon demütig.

Mit Helm und Meißel auf Expedition

Was in früher Zeit auf unserer Erde passiert ist, interessiert Peter Richter schon lange. In den achtziger Jahren hatte der Rheinländer, der zuerst als Umweltschutztechniker gearbeitet und später zum Altenpfleger umgeschult hat, eine Ausstellung über Mineralien und Fossilien besucht. Seitdem hat er viele Bücher und ganze Stapel von Zeitschriften über das Thema gelesen. War zeitweise jedes Wochenende mit Helm, Schutzbrille und Meißel auf Expedition in verschiedenen Steinbrüchen, vor allem in der Eifel und in Süddeutschland. Einige seiner Funde zeigt er stolz zu Hause: zum Beispiel ein großer kreisrunder Ammonit, jede Kerbe in der versteinerten Schale hat die Zeiten bis heute überdauert.

Wenn der Hobbypaläontologe von seinem Hobby erzählt, ist er in seinem Element. Gern überlegt er, wie es damals wohl ausgesehen hat: viel wärmer als jetzt, Saurier auf dem Land und im Meer, weite Teile Deutschlands unter Wasser. „Die Küste lag damals 50 Kilometer westlich von München.“ Wenn es eine Zeitmaschine gäbe – er würde am liebsten hinreisen und selbst mal gucken.

Petra Diek-Münchow

 

Fossilien, Ammoniten, Belemniten

Fossilien sind – oftmals versteinerte – Reste von Pflanzen oder Tieren aus früheren Erdzeitaltern, die lebend oder kurz nach ihrem Tod zum Beispiel mit Schlamm und Sand bedeckt wurden. Dazu gehören unter anderem Ammoniten: eine ausgestorbene Teilgruppe der Kopffüßer. Sie sahen zwar aus wie Schnecken, sind aber eher verwandt mit Tintenfischen. Diese Tiere lebten vor Millionen von Jahren im Meer. Oft werden auch Überreste von Belemniten gefunden, die heutigen Kalmaren ähnelten.