Impuls zum Sonntagsevangelium am 11.08.2024
Das andere Abendmahl
Foto: imago/panthermedia/Marco Hegner
„Nehmt und esst, das ist mein Leib. Nehmt und trinkt, das ist mein Blut.“ Vermutlich jeder von uns verbindet diese Worte mit dem Gründonnerstag, mit dem letzten Abendmahl. Hier, kurz vor seinem Leiden, Tod und Auferstehen, hat Jesus das eingesetzt, was wir heute als Eucharistie feiern.
Das sehen aber nur die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas so. Bei Johannes gibt es beim letzten gemeinsamen Mahl keine Einsetzung, es gibt nur die Fußwaschung, „damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“. Der Auftrag, einander zu dienen, ist bei Johannes das Vermächtnis Jesu.
Was nicht heißt, dass für diesen Evangelisten das Abendmahl, das sicher schon zu seiner Zeit in der jungen Kirche gefeiert wurde, unwichtig ist. Im Gegenteil: Es ist wohl so zentral, dass er nicht nur in ein paar Versen, sondern in einem sehr langen Kapitel erklärt, was es damit auf sich hat.
Denn umstritten müssen das Ritual von Brot und Wein und der Glaube, es seien Leib und Blut Christi, von Anfang an gewesen sein. „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Johannes 6,52), fragen die Zuhörer empört. „Was er sagt, ist unerträglich.“ (Johannes 6,60) Am Ende wird Jesu Brotrede die Jüngerschaft spalten und viele „zogen sich zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher“. (6,66) Und die Frage ist ja berechtigt: Wie ist das gemeint mit dem Fleisch und dem Blut? Als eine religiöse Form des Kannibalismus doch wohl nicht – zumal im Judentum Blut als unrein galt, etwas, wovon man sich fernhalten musste.
Das sechste Kapitel ist nicht ohne Grund überschrieben mit „Die Rede über das Himmelsbrot“. Um Speise geht es schon ganz am Anfang: Jesus kehrt aus Jerusalem, wo er Streitgespräche geführt hat, an den See Gennesaret zurück, seine Wahlheimat, sein Kerngebiet. Weil ihm dort so viele in eine einsame Gegend folgen, kommt es zu der bekannten Szene von der Brotvermehrung. Fünf Brote und zwei Fische, „was ist das für so viele?“ Nun: Es reichte und es blieb noch übrig (6,1–14).
Besser als Manna in der Wüste
Die Menschen sind beeindruckt. Und als Jesus kurz darauf nach Kafarnaum kommt, um in der Synagoge zu sprechen, platzt die aus allen Nähten. Doch Jesus weiß, das sind die Nachwirkungen der Brotvermehrung: „Ihr sucht mich, weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“ (6,26). Aber Jesus ist kein Nahrungsmittelproduzent. „Müht euch nicht für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird.“
Damit ist der Kern des Themas erreicht: die Speise, die der Menschensohn gibt. Eine heilige, göttliche Speise, das kennen die Zuhörer. Die erste Lesung erzählt davon: von den Wachteln am Abend und dem Brot am Morgen, das der Herr schenkt, damit sein Volk auf der langen Wüstenwanderung nicht verhungert. Kann Jesus sowas auch?
Ich kann Besseres, sagt er. Denn in der Wüste wurden die Israeliten wieder hungrig. Wer aber „zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“. Denn er selbst sei „das Brot des Lebens“. (6,35)
Schon das ist eine kleine Provokation, sich selbst mit dem Manna zu vergleichen, das Gott vom Himmel gegeben hat. Aber man könnte es auch bildlich verstehen: „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“ – das erzählt von der Kraft des Glaubens, von der Nahrhaftigkeit des Wortes Gottes. Die Predigt Jesu aufzunehmen, seine Worte durchzukauen, zu verdauen – das gibt Kraft fürs Leben. Wir kennen diese Metaphern bis heute und auch damals waren sie verbreitet.
Aber die Brotrede geht noch weiter. Der Evangelist Johannes lässt in den folgenden Abschnitten bereits anklingen, was tatsächlich erst nach Ostern greifbar wird: der Glaube an die Auferstehung und das ewige Leben.
Denn als die Zuhörer murren: „Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen?“ (6,42), da legt Jesus noch einen drauf. Es sei nicht nur so, dass die Israeliten in der Wüste wieder hungrig geworden sind, nein, sie seien auch irgendwann gestorben. Bei ihm, dem lebendigen Brot, sei es anders: „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ (6,51) Und dann noch einmal schärfer: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tag.“ (6,56)
Das Wort ist Fleisch geworden
In diesen Worten spiegelt sich die eucharistische Praxis der ersten christlichen Gemeinden. Der feste Glaube, dass die österliche Feier von Brot und Wein zur Auferstehung führt, dass sie Anteil gibt am Leben Jesu, am Leben Gottes.
Es spiegelt sich darin aber auch der vorösterliche Konflikt, der in Jesu Tod am Kreuz mündet: der Glaube daran, dass Jesus nicht nur ein Prophet ist, ein Gesandter Gottes, einer wie Mose oder Elija. Sondern selbst der Herr über Leben und Tod und damit göttlich. Und so sagt Jesus denen, die seine Brotrede empörend fanden: „Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?“ (6,61–62)
Und doch bleibt die schon zu Beginn angesprochene Frage: Wie ist das zu verstehen mit dem Fleisch und dem Blut? Exegeten weisen darauf hin, dass Essen und Trinken als Metaphern für das Aufnehmen von Lehren durchaus verbreitet war. So gibt es zum Beispiel rabbinische Texte, in denen das Hören und Annehmen ihrer Lehren als Wassertrinken bezeichnet wird. Das Fleisch von Menschen zu essen, stand dafür, dass man ihre Texte las und gründlich durchdachte. Und auch der Kirchenvater Origenes bezog das Essen und Trinken von Fleisch und Blut Christi im spirituellen Sinn auf das Hören und Verstehen des Wortes Gottes.
Und darin stimmt er dann mit dem Evangelisten Johannes überein, der gleich zu Anfang schreibt: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ (Johannes 1,14)