Christen aus Syrien

„Das Land ist hungrig nach Frieden“

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Männer feiern einen Gottesdienst
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Foto: Matthias Schatz

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2021 feierte Ignatius Joseph III., Patriarch der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien, einen Gottesdienst mit der Hamburger Gemeinde in der Kirche St. Olaf im Stadtteil Horn. Rechts: die syrisch-katholische Pauluskathdrale in Damaskus.

Syrische Katholiken beurteilen Umsturz in ihrem Geburtsland noch skeptisch. Ein Muslim ist optimistischer.

„Wir sind froh, dass die Machtübergabe relativ gewaltlos erfolgte. Aber es überwiegen noch die Ängste vor dem, was nun kommen wird.“ So fasst Gabriel Azar die Stimmung der syrisch-katholischen Gemeinde in Hamburg zusammen, in der er engagiert ist. „Wir wissen nicht, wie Minderheiten nun tatsächlich behandelt werden“, erklärt der Ingenieur, der seit vielen Jahren in Hamburg lebt. Skeptisch stimme, dass der Rebellen-Anführer Abu Muhammad al-Julani früher mit dem Terror-Netzwerk Al Kaida zusammengearbeitet hat.

Regierungschef Mohammed al-Baschir hat die Rechte aller religiösen Gruppen garantiert. „Es kommt nun darauf an, wie die Umsetzung stattfindet“, bemerkt Azar dazu. „Wir hoffen nicht, dass die Aufständischen solche Ankündigungen nur machen, um von der Weltgemeinschaft Anerkennung zu bekommen. Stellt sich heraus, dass die Rebellen sich an Versprechungen halten und sich von Al Kaida abgewendet haben, soll man ihnen eine Chance geben. Das Land ist hungrig nach Frieden.“

Die Einhaltung der territorialen Einheit von Syrien und der gemeinsame Aufbau des Landes unter Beteiligung aller Gruppierungen seien wichtige Voraussetzungen für die Umsetzung von Frieden, so Azar weiter. „Eine weitere Voraussetzung ist die Aufarbeitung der vergangenen 14 Jahre Bürgerkrieg ohne Rachegelüste.“ Diese Voraussetzungen könnten für kommende Generationen eine friedliche Lebensgrundlage bilden.

Rückkehr nur bei Sicherheit

Weniger skeptisch ist Osama Sharoot, ein 35 Jahre alter Sunnit, der auch das interkulturelle „Café Mach Mit“ in der katholischen Gemeinde St. Bernard in Hamburg-Poppenbüttel besucht. „Die Ankündigung der Übergangsregierung, nur bis zum 1. März im Amt zu bleiben, zeigt eine gute Absicht“, sagt der beim Desy beschäftigte Wissenschaftler. „Syrien ist vielfältig. Eine gute Zukunft gelingt nur, wenn wir bunt bleiben.“ Christen hätten in seiner Geburtsstadt Aleppo jetzt ungehindert Advent feiern können.
„Das Hauptaugenmerk gilt dort der Wirtschaft, dem Aufbau der Infrastruktur“, berichtet Sharoot. Er erhofft sich dafür einen „starken internationalen politischen Willen“. An ausgebildetem Personal fehle es dafür vor Ort nicht. Sharoot erwägt derzeit nicht, nach Syrien zurückzukehren. „Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft und meine berufliche Expertise kann ich dort nicht einbringen“, sagt der Vater zweier Kinder, deren Mutter Medizin studiert. In der syrisch-katholischen Gemeinde denkt laut Gabriel Azar momentan niemand an eine Rückkehr. „Das kommt für Christen als kleine Minderheit erst dann in Betracht, wenn eine Sicherheit spürbar ist.“

„Diese ersten Monate sind eine Bewertungsphase“, meint Osama Sharoot. Ein Aufbau von Demokratie und Rechtsstaat brauche aber länger und erfordere die Einbeziehung aller Syrer und die Unterstützung des Westens. „Bewerten kann man die Verhältnisse erst, wenn die neuen Machthaber Entscheidungen über die Gestaltung einer neuen Verfassung als Grundlage für das Zusammenleben und die Teilhabe der gesamten Bevölkerung an der Zukunft von Syrien getroffen haben“, sagt Gabriel Azar. „Die Umsetzung solcher Vorstellungen ist unter den jetzigen Umständen nicht einfach. Und realistisch betrachtet sind wir davon noch weit entfernt.“

Matthias Schatz