War Calmeyer der Judenretter?
Die Emotionen werden wieder hochkochen
Foto: Calmeyer-Initiative
Als in Osnabrück vor einigen Monaten die Frage diskutiert wurde, ob Hans Calmeyer ein Retter der Juden gewesen sei und man deshalb eine städtische Einrichtung nach ihm benennen sollte, kochten die Emotionen schnell hoch. Er hätte mehr tun können, sagten die einen. Er habe sich doch ohnehin in Lebensgefahr begeben, argumentierten die anderen. Für den Historiker Reiner Wolf stand fest: Das ist Stoff für einen spannenden Film. Den zeigt er jetzt wieder an verschiedenen Orten.
Als einfacher Soldat kam er in die Niederlande
Hans Calmeyer arbeitete in den 1930er Jahren in Osnabrück mehr schlecht als recht als Anwalt. So beschreibt es Reiner Wolf. 1933 hatte er kurz Streit mit den neuen Machthabern, weil ihn die Nationalsozialisten zunächst verdächtigten, während der Weimarer Zeit Kommunisten verteidigt zu haben. Bei Kriegsausbruch war er dann einfacher Soldat an der Front in den Niederlanden, dann wurde er in die Besatzungsverwaltung berufen. In seiner Dienststelle konnten jüdische Niederländer einen sogenannten Ariernachweis beantragen. Er nutzte – so besagen geschichtliche Quellen – immer wieder seine Stellung, um den gewünschten Nachweis auszustellen, obwohl die vorgelegten Akten das gar nicht belegten. Während andernorts im Deutschen Reich jüdische Menschen mit ihrem Antrag kaum Erfolg hatten, sollen es bei Hans Calmeyer bis zu 70 Prozent gewesen sein.
Damit machte er sich verdächtig, weshalb er wahrscheinlich nicht alle Antragsteller rettete. Deshalb musste er ab 1943 zurückhaltender agieren. Und so stellt der Film „Der ambivalente Herr Calmeyer“ die Frage, ob der Mann wirklich ein Judenretter war, als der er immer wieder dargestellt wird. Oder ob er doch Willkür anwendete.
Im Laufe der Auseinandersetzung, die in Osnabrück teils über die Medien geführt wurde, kamen verschiedene Protagonisten zu Wort. Acht von ihnen gibt Wolf in seinem Film eine Stimme. Da ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Mathias Middelberg, der als Jurist eine Dissertation über Calmeyer verfasst hat und ihm zuschreibt, er habe die NS-Gesetze kreativ ausgelegt. Hätte er alle in Frage kommenden Juden gerettet, wäre seine Sabotage aber mit Sicherheit aufgefallen. Da ist auch die niederländische Historikerin Geraldien van Frijtag Drabbe Künzel, die in Calmeyer einen NS-Täter sieht, der willkürlich einzelne Juden verschonte. Die Akten belegen aus ihrer Sicht nicht die These, er habe bewusst Menschen gerettet.
Die Emotionen werden durch den Film sicherlich wieder hochkochen
Wer sich mit Reiner Wolf unterhält, der mag aus seinen Worten eine gewisse Sympathie für Hans Calmeyer heraushören. Dabei will der Historiker mit seinem Film ganz bewusst keine Antwort geben auf die Frage nach der Rolle Calmeyers, ob der wirklich als Judenretter bezeichnet werden kann. Und es geht ihm auch nicht etwa um eine Biografie. Dass der Streit in Gang gekommen ist, stellt Wolf zufrieden, denn so lasse sich doch zeigen, um welche Werte es uns heute gehe, sagt er im Gespräch. Und wie eine angemessene Beschäftigung mit der allgemeinen Geschichte aussehen könne. Dabei will er möglichst sachlich daherkommen.
Man darf gewiss sein: Die Emotionen werden durch den Film von ganz alleine wieder hochkochen.
Filmaufführungen sind an folgenden Orten geplant: Bergkirche Osnabrück (21. Januar, 19 Uhr, Bergstraße 16); Filmtheater Universum Bramsche (4. Februar, 19 Uhr, Große Straße 38), Bürgertreff Wüste Osnabrück (28. Februar, 18 Uhr, Blumenhaller Weg 75)
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