Expertenkommission der Bundesregierung

Debatten um das werdende Leben

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Babyschuhe
Nachweis

Foto: istockphoto/nerudol

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Viele Eltern wünschen sich sehnlichst ein Kind – und freuen sich auf die Schühchen, die sie dann kaufen dürfen.

Die Regierung will die Regeln zum Schwangerschaftsabbruch und die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft prüfen. Dazu hat sie eine Expertenkommission eingesetzt. Wie arbeitet sie? Wann stellt sie Ergebnisse vor? Und wie bewerten Moraltheologen die Themen, um die es geht?


Warum wurde die Kommission eingesetzt und welche Themen berät sie?

Bereits bei ihren Koalitionsverhandlungen 2021 haben die Mitglieder der drei in der Bundesregierung vertretenen Parteien SPD, Grüne und FDP gemerkt, dass es in ihren Reihen zu bioethischen Grundsatzfragen unterschiedliche Vorstellungen gibt. Während die Grünen gerne den Abtreibungsparagrafen 218 mit der verpflichtenden Schwangerschaftsberatung abschaffen würden, machen sich viele Liberale seit Jahren für eine Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft stark. 
Anders als bei der kommerziellen Leihmutterschaft, bei der häufig in wirtschaftliche Not geratene Frauen aus armen Drittstaaten ausgenutzt werden, darf bei der altruistischen Ersatzmutterschaft kein Geld fließen. Infrage kommen hier Freundinnen und Verwandte der Wunscheltern. Zudem will die FDP künftig Eizellspenden erlauben.

Die Freidemokraten möchten mit einer Legalisierung dieser zwei Verfahren der künstlichen Befruchtung den Schwangerschaftstourismus von Deutschen zu Reproduktionskliniken ins Ausland eindämmen und unfruchtbaren Frauen sowie homosexuellen Paaren auch hierzulande die Geburt eines eigenen, durch In-vitro-Fertilisation gezeugten Kindes ermöglichen.

Bisher sind Eizellspenden und Leihmutterschaften in Deutschland verboten. Grundlage ist in beiden Fällen das Embryonenschutzgesetz, das viele Eingriffe am werdenden menschlichen Leben untersagt. Um die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine neue Rechtsprechung auszuloten, hat die Ampelregierung, genauer gesagt das Justiz-, das Gesundheits- und das Familienministerium, vor einem Jahr die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ins Leben gerufen. In der SPD gibt es zu allen drei genannten Themen noch keine erkennbaren Mehrheiten.


Wer macht in der Kommission mit? 

In die Kommission wurden 18 Professorinnen und Professoren aus den Fachgebieten Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Recht berufen. Nach Einschätzung des renommierten katholischen Sozialethikers Andreas Lob-Hüdepohl handelt es sich dabei um „hochkarätige, sehr kompetente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“. Allerdings wurden in die Kommission keine Theologen oder Vertreter der beiden großen Kirchen eingeladen. Beobachter vermuten, dass die Ampel die Kommission bewusst frei von der Einflussnahme religiöser Interessensgruppen halten wollte. 

Gleichwohl gibt es in dem Gremium Christinnen und Christen, „die nicht nur sehr vertraut mit den kirchlichen Standpunkten sind, sondern diese auch teilen“, so Lob-Hüdepohl. Etwa Christiane Woopen. Die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, war zuletzt vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in den Synodalen Weg berufen worden. Auch Sigrid Graumann, Humangenetikerin und Rektorin der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, ist Christin. Dann wäre da noch Claudia Wiesemann. Die Medizinethikerin und -historikerin von der Uni Göttingen ist die Schwester vom Speyrer Bischof Karl-Heinz Wiesemann.


Wie arbeitet die Kommission?

Die Kommission ist in zwei Arbeitsgruppen eingeteilt. Arbeitsgruppe 1 sucht nach verfassungskonformen Möglichkeiten der Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches. Nach dem in den 1990er Jahren mühselig ausgehandelten Abtreibungskompromiss sind Schwangerschaftsabbrüche hierzulande verboten, bleiben aber straffrei, wenn sich die Frau zuvor von einer anerkannten Organisation beraten lässt und den Abbruch bis zur zwölften Woche vornimmt. 

Arbeitsgruppe 2 beschäftigt sich mit der Zulassung von Eizellspenden und der altruistischen Leihmutterschaft. Dem Vernehmen nach treffen sich die Gruppen regelmäßig alle zwei bis vier Wochen, meist online, zum Meinungsaustausch. Arbeitsgruppe 1 hat zur Beratung der Zukunft von § 218 im November 2023 zudem etliche Organisationen zu einer Anhörung eingeladen. Zu Wort kamen dabei, neben liberalen Verbänden wie Pro Familia, auch das Kommissariat der Deutschen Bischofskonferenz, der Deutsche Caritasverband, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und Donum Vitae. Im Gegensatz zu Arbeitsgruppe 1 gab es in der Arbeitsgruppe 2 keine Anhörung. Über die inhaltliche Arbeit dringt aus beiden Gruppen nichts nach draußen.


Was befürchten christliche Experten?

Andreas Lob-Hüdepohl
Andreas Lob-Hüdepohl, katholischer Sozialethiker. Foto: kna/Gordon Welters

Angesichts der bioethischen Gedankenspiele innerhalb der Ampelregierung befürchten Akteure beider großer Kirchen einen Paradigmenwechsel in der deutschen Gesetzgebung. So könnte bei natürlichen Schwangerschaften und in der Reproduktionsmedizin künftig das Selbstbestimmungsrecht der Frau einen größeren Wert haben als der Schutz des beginnenden Lebens eines Kindes „Da geht es um mehr als einzelne Gesetze. Es geht um grundlegende ethische Fragen, die unseren Umgang mit dem werdenden menschlichen Leben insgesamt betreffen“, sagt der Moraltheologe Jochen Sautermeister. 

Das sieht Lob-Hüdepohl ähnlich. Wenn erst „das sogenannte Rechtsinstitut der Leihmutterschaft da ist, ist es wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis das altruistische Element gestrichen wird und somit auf ein Recht auf Leihmutterschaft insgesamt ausgeweitet wird“, vermutet er. „Ich befürchte sogar, dass im Rahmen eines umfassenden Fortpflanzungsmedizingesetzes demnächst das Embryonenschutzgesetz insgesamt abgelöst werden könnte.“ 

Mit dieser Ablösung dürfte anschließend auch die bisher gültige Normsetzung fallen, dass das Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt, sagt Lob-Hüdepohl: „Dann hätten wir in Deutschland nur noch ein sehr eingeschränktes Schutzniveau für das werdende Leben.“ Überdies könnte eine erneute Debatte über das Abtreibungsrecht einen Keil in die deutsche Gesellschaft treiben, wie man dies in Polen und in den USA beobachten kann.


Wann ist die Kommission mit der Arbeit fertig und welche Ergebnisse sind zu erwarten?

Die Kommission soll spätestens Ostern ihren Abschlussbericht vorlegen. Da einige Mitglieder in der Vergangenheit aber zum Teil recht unterschiedliche Positionen vertreten haben, vermutet Lob-Hüdepohl, dass es in dem Schlussgutachten zu einzelnen Fragen vielleicht „kein einheitliches Meinungsbild geben wird“. Auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat zuletzt angedeutet, dass sich eine verfassungsfeste Regelung des Abtreibungsrechts außerhalb des Strafrechts wahrscheinlich nur schwer gestalten ließe.

Einigkeit hingegen vermuten Beobachter bei der Zulassung von Eizellspenden. Bereits 2019 hat sich die Wissenschaftsakademie Leopoldina für eine Erlaubnis der Eizellspende ausgesprochen, um so nach der Zulassung von Samenspenden eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu ermöglichen. Im Gegensatz zu legalen Samenspenden von Männern sind Eizellspenden bisher in Deutschland verboten, weil sie invasive Eingriffe und Hormonbehandlungen erfordern. Wie die Beratungen der Kommission über die Leihmutterschaft ausgehen, gilt als offen.


Wie geht es danach weiter?

Nach der Vorlage des Abschlussberichts soll die gesellschaftliche sowie parlamentarische Diskussion über die Themen beginnen, die die Kommission verhandelt hat. Beobachter vermuten aber, dass sich die Ampelregierung viel Zeit bei der Formulierung neuer Gesetze lassen wird. Nach den Streitigkeiten etwa um das Heizungsgesetz, die Migrationspolitik und die Haushaltslöcher sowie dem Gerangel um das Klimageld kann sich die Ampelkoalition vor den kommenden Wahlen schlicht keine weiteren Baustellen mehr leisten. Zudem hat die Union der Bundesregierung inzwischen deutlich signalisiert, dass mit ihr Änderungen etwa beim Abtreibungsrecht nicht zu machen sind.

Andreas Kaiser