Impulse zum Sonntagsevangelium am 28.02.2024
Die gute Predigt
Foto: kna / Julia Steinbrecht
Von einer Predigt, die nachhallt
Es war ein Gottesdienst im kleinen Kreis mit vielleicht 15 Personen. Morgens um acht Uhr bei einer Tagung. Abends war es spät geworden. Es gab reichlich Bier. Etwas angeschlagen saßen wir in der Krypta der Michaeliskirche in Hildesheim. Der emeritierte Weihbischof Hans-Georg Koitz feierte die Messe und predigte. Im Evangelium wurde die Szene gelesen, in der die Jünger nach dem Tod Jesu im See von Tiberias fischen und nach einer erfolglosen Nacht mit leeren Netzen wieder zurückkehren. Der Auferstandene steht am Ufer und ruft ihnen zu: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen.“ Nun fischen die Jünger erfolgreich. Als ihre Netze prall gefüllt sind, erkennen sie den Auferstanden.
Diese Szene stellte Koitz der Geschichte „Der alte Mann und das Meer“ von Ernest Hemingway entgegen. Koitz hatte sie als Schüler gelesen. Auf Englisch. Deshalb zitierte er den für ihn zentralen Satz auch im Original: „There was no one to help him.“ Es war niemand da, der ihm half, als der alte Mann nach Tagen heftigen Kampfes mit einem Fisch sein Boot wieder zurück auf den Strand schiebt. Koitz wiederholte diesen Satz: „There was no one to help him.“ Und er stellte die Szene aus dem Evangelium dagegen. „Glaube ich, dass Jesus am Ufer meines Lebens steht?“
Es sind diese zwei Sätze, die mir auch Jahre später noch im Ohr sind. Wahrscheinlich sind sie das Erfolgsrezept dieser Predigt: zwei schlichte Sätze, gut zu merken. An ihnen lässt sich die ganze Argumentationskette wieder in Erinnerung rufen. Und offenbar haben mich die beiden Pole existenziell angesprochen: Auf der einen Seite die Möglichkeit, ganz allein den Unbilden des Lebens ausgesetzt zu sein. Und auf der anderen Seite der Weg mit dem Glauben an Jesus – die Gewissheit, dass da jemand ist, der meine Nöte und Bedürfnisse erkennt und heilt. Eine Predigt, die mich noch heute staunen lässt.
Ulrich Waschki
Von einem Prediger, der ansteckt
Für Hans Eckert ist die Predigt am Sonntag in St. Bartholomäus in seiner pfälzischen Heimatgemeinde Oppenheim ein Highlight der Woche. Er scheint nicht alleine zu sein. Erste Erfahrungen aus dem Livestream des Sonntagsgottesdienstes haben gezeigt, dass sich viele Gottesdienstbesucher gerne erneut den Gottesdienst oder Teile daraus anhören und dass sich auch Menschen von außerhalb dafür interessieren. Der Gottesdienst und die Predigt werden etwa 150-mal pro Woche auf dem Youtube-Kanal abgerufen.
„Es ist die Grundströmung der Predigt von Pfarrer Johannes Kleene, die mich begeistert. Die zentralen Aussagen sind, Gott ist die Liebe und Gott hat nur unsere Hände, die etwas bewirken können. Es gibt keinen erhobenen Zeigefinger. Jeder kann sich selber fragen, was ist mein Anteil, was kann ich tun?“, sagt Eckert. „Die Weltgeschichte interpretiert Pfarrer Kleene rückblickend als Heilsgeschichte. Er macht deutlich, dass seine Aussagen seinen Glauben widerspiegeln. Wir können sie für uns annehmen oder nicht. Es ist ein freies Angebot.“ Die Predigten seien auch immer genau so lang wie nötig, mal länger, mal kürzer. Der Pfarrer würde sie frei halten. Das wirke authentisch. Ist er begeistert, spürten die Besucher es, genauso, wie wenn er betroffen ist. Und der Seelsorger würde von eigenen Erlebnissen ausgehen. „Wir erhalten sonntags keine Theologie- oder Geschichtsvorlesung“, sagt der 76-Jährige.
Eckert ist noch beeindruckt von der Weihnachtspredigt 2023. Pfarrer Kleene erklärte, dass Gott sich in einer Welt, in der die mächtigen Herodes und Augustus regiert haben, klein gemacht hat. Mit Liebe hat er auf die unterprivilegierten Hirten geschaut. Gott wendet sich den Ohnmächtigen zu, nicht denen, die meinten, die Welt zu kontrollieren und Geschichte zu schreiben. Wir seien nun aufgefordert, unsererseits Hoffnungsgeschichten zu erzählen, wie es der Engel getan hat, als er den Hirten erschienen ist, dass Gott ihnen nahe ist und die Liebe stärker ist als der Hass.
Theresa Breinlich
Von der Theorie einer guten Predigt
Wolfgang Beck kennt sich aus mit guten Predigten. In Theorie und Praxis. Der Priester lehrt als Professor Pastoraltheologie und Homiletik, also Predigtlehre, an der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt. Und er spricht regelmäßig das Wort zum Sonntag. Dafür fragt er schon mal in den sozialen Netzwerken im Internet, zu welchem Thema er sprechen solle. So will er das alltägliche Leben, die Sorgen und Nöte der Menschen in seine Betrachtungen aufnehmen.
„Prediger müssen die Gegenwart in ihrer Predigt aufgreifen“, sagt Beck. Das können aktuelle politische Themen sein, wie der Klimawandel, der Krieg in Israel und Gaza oder der Ukraine, das Erstarken populistischer Kräfte. Es können aber auch ganz persönliche Gegenwartsthemen sein: Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Einsamkeit etwa. Nur wenn eine Predigt auf diese Weise einen Bezug zum Leben der Menschen herstellt, wird sie überhaupt relevant, meint Beck. Sonst bleibt sie Gerede, oberflächlich, lebensfremd. Vielleicht so, wie es das Evangelium den Schriftgelehrten unterstellt.
Wie aber kann eine Predigt Menschen zum Staunen bringen? „Man muss merken, dass der predigende Mensch selbst ergriffen ist, dass das Gesagte mit ihr oder ihm zu tun hat.“ Also keine abstrakte theologische Abhandlung. „Eine Predigt soll den Glauben mit Existenzfragen ins Spiel bringen.“ Sie soll „lebensdienlich“ sein, sagt Beck.
Damit Menschen aufmerksam zuhören, muss nicht nur der Inhalt stimmen. Es kommt auch auf den Stil an: Wie jede gute öffentliche Rede sollte eine Predigt auch mal Gelegenheit zum Schmunzeln geben. Ebenso helfen erzählerische Elemente. So kann sich der Prediger auch selbst einbringen. „Ich darf nicht permanent von mir selbst erzählen, aber ich sollte mich persönlich einbringen“, sagt Beck. Eine Gratwanderung, die zeigt: Menschen mit einer Predigt zum Staunen zu bringen, ist möglich, aber eben nicht einfach.
Ulrich Waschki