Bundesweit einmalig
Diese Schule dient dem Frieden
Christen, Juden und Muslime: In der Drei-Religionen-Schule in Osnabrück wird seit zehn Jahren Toleranz und Wertschätzung gelebt. Schulleiterin Birgit Jöring betont: „Wir prägen die Kinder für die gesamte Lebenszeit“.
Dass die Drei-Religionen-Schule in Osnabrück eine besondere Grundschule ist, zeigte sich bereits am ersten Einschulungstag vor genau zehn Jahren. Schulleiterin Birgit Jöring erinnert sich: Vertreter von über 70 Medien tummelten sich in der Eingangshalle, um über den Start der neuen Schule zu berichten. Ein solches übergroßes Interesse habe mit der Zeit zwar nachgelassen, aber es fragten nach wie vor Medien, Schulen und Schulträger sowie Studierende an, um sich über das bundesweit einzigartige Projekt zu erkundigen. Birgit Jöring wundert das nicht. Sie betont: „Unser Konzept ist wichtig und richtig. Was wir den Kindern heute zeigen, damit prägen wir sie für die gesamte Lebenszeit.“
„Wir machen uns nicht lustig über andere“
Toleranz, Achtsamkeit, Respekt, Gastfreundschaft – für all das steht die Drei-Religionen-Schule der Schulstiftung des Bistums. Neben dem Schulunterricht lernen christliche, jüdische und muslimische Kinder hier, ihre unterschiedlichen religiösen Riten zu respektieren. So steht im Advent in den Klassenzimmern ganz selbstverständlich neben dem Adventskranz auch ein Chanukka-Leuchter, auch zum Ramadan wird die Schule geschmückt. In den Schulregeln steht: „Wir machen uns nicht lustig über andere Religionen“. Zur Einschulung gibt es interreligiöse Festtagskalender und Süßigkeitenlisten und in der Schulmensa wird Essen nach den einzelnen Speisevorschriften angeboten.
Im Laufe ihrer Schulzeit lernen die Kinder im Religionsunterricht, in Projekten und Gesprächen die eigene und die Religion der anderen Kinder kennen und verstehen. „Die Kinder erfahren das alles jedes Jahr wieder und das festigt sich ganz bezeichnend“, so die Schulleiterin. Es sei wunderbar zu erleben, wie ungezwungen sich die Schüler über das Leben der anderen Religionen austauschten. Schmunzelnd meint sie: „Wahrscheinlich könnte man eher unsere jüdischen oder muslimischen Kinder nach der Bedeutung von katholischen Festtagen fragen als manchen Katholiken“.
Was sie besonders freut: Auch das Interesse der Familien am interreligiösen Dialog sei groß. Was die Kinder in Projektwochen, in Morgenkreisen und im Miteinander lernen, wird daher seit einiger Zeit auch Eltern auf Elternabenden vermittelt. Das Ergebnis sind ein herzlicher Umgang und ein gutes Miteinander.
Es fühlt sich normal an, verschieden zu sein
Nach einem einzügigen Start mit 22 Kindern ist die Schule in zehn Jahren auf nun 155 Kinder in acht Klassen angewachsen. Für alle Jahrgangsstufen gibt es Wartelisten. Die meisten Eltern wählen die Schule bewusst aus und schätzen neben dem Unterrichtskonzept die Offenheit, mit der ihnen hier begegnet wird. So bestätigt es auch der 14-jährige Felipe, ehemaliger Schüler der Schule: „Drei Religionen zusammen, das war da keine Theorie, das wurde wirklich gelebt und damit wurde uns viel vermittelt. Es hat sich völlig normal angefühlt, verschieden zu sein.“
Birgit Jöring betont: „Wir öffnen den Weg, den die Kinder bereit sind zu gehen.“ Natürlich habe es in den zehn Jahren auch Stolperfallen gegeben. So habe sie gleich den ersten Elternabend versehentlich auf den Vorabend eines jüdischen Festtages gelegt.Auch dass klarer Apfelsaft mit Gelatine geklärt wird und damit für muslimische Kinder verboten ist, habe sie erst durch einige Eltern erfahren. „Es gibt immer wieder Punkte, wo Eltern nachfragen. Wir nehmen die Sorgen ernst, reden über alles und versuchen immer, Wege zu finden.“
Dass dies auf weiterführenden Schulen nicht so intensiv fortgeführt werden kann, bedauert sie. Die Erfahrungen der Drei-Religionen-Schule waren aber Anlass, die anderen 20 Stiftungsschulen entsprechend weiterzuentwickeln. So gebe es mittlerweile jüdischen Religionsunterricht an der Dom- und Ursulaschule in Osnabrück, an fünf Stiftungsschulen werde islamischer Religionsunterricht angeboten, sagt Winfried Verburg, Leiter der Schulabteilung des Bistums und Mitinitiator der Schule.
Das Konzept der Drei-Religionen-Schule zieht aber dennoch Kreise: Stolz ist Birgit Jöring auf die Rückmeldung weiterführender Schulen, „dass unsere Kinder ein besonders gutes Sozialverhalten haben“. Zeigt es doch, dass die Schüler gelernt haben, andere Menschen zu achten, ihnen offen, verständnis- und respektvoll zu begegnen.
Astrid Fleute