Leid von Kindern in der Psychiatrie
Ein Forum für Betroffene
Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens (SPD), der hannoversche Landesbischof Ralf Meister und der katholische Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer haben an traumatisierende Erlebnisse erinnert, die vielfach Kindern und Jugendlichen widerfuhren, die zwischen 1949 und 1975 in stationären Einrichtungen der Psychiatrie oder Behindertenhilfe untergebracht waren.
Unter dem Titel "Leid und Unrecht anerkennen" stellten sie in Hannover Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Leids vor und gaben Betroffenen die Möglichkeit, öffentlich über ihre individuellen Erfahrungen zu berichten.
Sozialministerin Behrens sprach von unerträglichen und grausamen Zuständen, die in betroffenen Einrichtungen geherrscht hätten. "Körperliche Schläge, Züchtigung und Strafarbeit - Empathie und Pflege hat es damals nicht für die Kinder gegeben." Ihr gehe es daher insbesondere darum, die Taten von damals anzuerkennen und die Betroffenen um Verzeihung zu bitten. Bereits 2017 hätten Bund, Länder und Kirchen zu diesem Zweck auch die mit rund 288 Millionen Euro ausgestattete Stiftung "Anerkennung und Hilfe" gegründet. Bundesweit seien rund 222 Millionen Euro ausgezahlt worden an über 21.000 Betroffene - 2568 davon allein in Niedersachsen.
Landesbischof Ralf Meister sagte, nichts entschuldige die Tatsache, "dass jungen Menschen lebenslange Schäden zugefügt wurden, wissentlich oder unwissentlich". Ein Großteil der Einrichtungen sei in kirchlicher Trägerschaft geführt worden. Die karitative Fürsorgearbeit gehöre zu den ältesten und traditionsreichsten Arbeitsfeldern der Kirche, betonte Meister. "Umso schwerer wiegt die Einsicht, dass auch die Einrichtungen, die sich dem Ethos der christlichen Nächstenliebe verpflichtet fühlten, nicht zur Herstellung einer besseren Situation in der Lage waren." Es sei eher die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich geworden.
Bischof Wilmer betonte, dass aus der Aufarbeitung des historischen und systematischen Versagens auch weiterhin Lehren gezogen werden müssten. "Wir müssen schauen, wie sich unsere Institutionen so ändern, dass so etwas nie wieder vorkommt." Am Ende des Tages gehe es auch ganz aktuell stets um die Frage: "Wie können wir Demütigungen und Diffamierungen vermeiden und Inklusion gelingen lassen."
Als eine der Betroffenen berichtete Marita Kirchhof aus ihrer Kindheit, die sie von Geburt an bis zum siebzehnten Lebensjahr in vier verschiedenen Einrichtungen verbrachte. "Es stimmte was nicht mit mir, sagten mir damals die Erwachsenen." So habe sie Schläge, Drohungen und Einsperrungen erlebt. Schlimmer seien später noch medikamentöse Behandlungen gewesen, wenn sie etwa per Spritze ruhig gestellt oder ans Bett gefesselt worden sei. Inzwischen habe sie über Therapien zu sich selbst gefunden, berichtete Kirchhof. "Aber es ist nie vorbei, es wird immer da sein. Da gibt es immer wieder Schübe, in denen die alten Bilder zurückkommen." (epd)