Pater Heiner Wilmer leitet künftig die Diözese

Ein neuer Bischof für Hildesheim

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Das Bistum Hildesheim hat einen neuen Bischof: Pater Heiner Wilmer wird die Diözese künftig leiten.

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Pater Heiner Wilmer wird neuer Bischof von
Hildesheim. Foto: Archiv

Für einen Wahlspruch als Bischof wäre der Satz zu lang. Aber wer wissen möchte, wie der künftige Bischof von Hildesheim denkt, sollte ihn sich merken: "Eine Führungspersönlichkeit ist jemand, der Menschen befähigt, etwas zu tun, das sie nie tun würden, wenn man es ihnen befiehlt." Der Satz stammt nicht von Heiner Wilmer selbst, aber zitiert hat er ihn kurz vor Ostern vor der gewaltigen Mose-Statue des Michelangelo in der Kirche "San Pietro in Vincoli" in Rom. Anlass war die Vorstellung seines neuen Buches über Mose. Der Titel: "Hunger nach Freiheit. Wüstenlektionen zum Aufbrechen".

Nicht dass Wilmer wie ein Michelangelo-Mose daherkäme, mit vor Zorn bebender Stimme herab vom Gottesberg Horeb. Der gebürtige Emsländer, der am Montag 57 Jahre alt wird, ist zwar auch groß gewachsen, aber schlank und seine Stimme eher hell und freundlich. Doch Mose hat es ihm angetan. Eine der schillerndsten Figuren der Bibel, reich an Brüchen und Widersprüchen - Protagonist des Exodus, einer der größten Erzählungen der Menschheit.

Vor knapp drei Jahren wählte der Dehonianer-Orden - in Deutschland bekannt als Herz-Jesu-Priester - Heiner Wilmer zu seinem Generaloberen. Die auf sechs Jahre angelegte Amtszeit wird er nur zur Hälfte erfüllen können. In den drei Jahren als Oberer war der sprachgewandte und weiterhin jugendlich wirkende Ordensmann weltweit viel unterwegs. Er hat erlebt, wie ganz anders Menschen oft leben müssen und wie sie glauben können. Wie schwer Letzteres ist, weiß Wilmer. In seinem früheren Buch "Gott ist nicht nett", beschreibt er auch eigene Glaubenszweifel.

Aufgewachsen auf einem Bauernhof im emsländischen 2400-Einwohner-Dorf Schapen, machte Wilmer sein Abitur 1980 am Leoninum in Handrup, einem Gymnasium in Trägerschaft der Herz-Jesu-Priester. Anschließend trat er in die Gemeinschaft ein, studierte Theologie in Freiburg sowie Romanistik in Paris. 1987 zum Priester geweiht, ging er im Anschluss nach Rom an die Päpstliche Universität Gregoriana, um dort Französische Philosophie zu studieren.

 

Lehrer in New York, Schulleiter in Handrup

Dann wollte Wilmer Lehrer werden, hängte nach der Promotion in Theologie ein Lehramtsstudium in Geschichte dran. Aus den Hörsälen Roms ging er 1997 in die Klassenzimmer der New Yorker Bronx. Dort unterrichtete er an einer Jesuiten-Highschool Deutsch und Geschichte. Nach seiner Rückkehr wurde Wilmer Schulleiter des ordenseigenen Gymnasiums in Handrup im Emsland. Als junger Rektor hatte er dort manchen Strauß mit älteren Kollegen auszufechten, wie er selbst schreibt. Für ihn waren die Beulen, Verletzungen, Versöhnungen, Ängste, Erfolge und Unsicherheiten wichtige Erfahrungen.

Zu diesen gehören für den im streng katholischen Emsland Aufgewachsenen auch Begegnungen mit evangelischen Christen. Dadurch habe er seinen Glauben nicht nur tiefer verstanden, bekannte Wilmer am Reformationstag 2017 in einer Predigt in der lutherischen Christuskirche in Rom. "Die - wenn ich so sagen darf - 'evangelische Tradition' hat zu meiner eigenen inneren Konversion beigetragen."

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Foto der Primizfeier von Pater Heiner Wilmer in 
der St.-Ludgerus-Kirche in Schapen. Foto: Archiv/
Buschhaus

Nach seiner Wahl zum Generaloberen der Dehonianer befragt, was ihn inspiriere, antwortete Wilmer: "Eine Persönlichkeit pusht uns ganz deutlich: Papst Franziskus." Dessen Wunsch nach einer "verbeulten Kirche", die hinausgeht, die sich schmutzig macht, die keine Angst hat vor der Straße, entspreche dem Appell seines französischen Ordensgründers Leon Dehon (1843-1925) am Ende des 19. Jahrhunderts: "Geht hinaus aus den Sakristeien". Dem Orden gehören 2.200 Patres und Brüder an, die in 40 Ländern auf fünf Kontinenten arbeiten.

"Kaum eine biblische Gestalt gibt unsere moderne Existenz besser wieder", schreibt Wilmer über Mose. In der Tat erwarten den neuen Bischof zunächst Wüstenerfahrungen: Verlorenes Vertrauen durch Versäumnisse bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, Finanzknappheit, Kirchenschließungen. Es wäre aber überzogen und ungerecht, Wilmer als Mose von der Ems zu sehen, der die Diasporakatholiken Ost-Niedersachsens in ein Gelobtes Land führen will. Auch wenn die Kirche in Deutschland sich nach Zukunftsperspektiven sehnt. Zudem gibt es dafür in Hildesheim bereits Vordenker und Ideen. Heiner Wilmer wird diese sicher gerne aufgreifen.

kna

 

Interview zum Buch "Gott ist nicht nett" von Pater Heiner Wilmer:

Was war für Sie der Anlass, dieses Buch zu schreiben?
Das sind die leer gewordenen Kirchen und Klöster. Selbst in traditionell katholischen Gebieten gibt es einen enormen Schwund an Kirchenbesuchern. Junge Erwachsene, Männer und Frauen mittleren Alters, wo sind sie geblieben? Was ist passiert? Worum geht es? Ich will zeigen, dass im Zentrum unseres Glaubens Essen und Trinken stehen. Als Gläubiger bin ich eingeladen zum Festessen. Der Tisch ist reichlich gedeckt, der Raum gekonnt geschmückt, der Ablauf klar organisiert. Aber im Kern geht es doch um das Essen, darum, dass ich etwas auf dem Teller habe und mit den Tischnachbarn ins Gespräch komme. Vielleicht haben wir uns in der Kirche zu sehr bei den Strukturfragen des großen Festessens verheddert. Es geht mir um die Frische des Glaubens, um eine neue Tiefenbohrung zur Quelle. Es geht mir um einen neuen Ernst, aber auch um einen neuen Humor – aus dem Glauben heraus Sie gehen kritisch mit Ihrem eigenen Glauben um.

Rechnen Sie mit Widerspruch Ihrer Leser?
Wenn Dialog darin besteht, dass zwei Menschen miteinander reden, streiten und ringen, weil sie entdecken, dass es in diesem Dialog um mehr geht als um eigene Erfindungen, dann rechne ich durchaus auch mit Widerspruch. Dann muss er sogar sein. Vielleicht muss ich auch damit rechnen, missverstanden zu werden. Aber ich hoffe doch, Anstöße zu einer neuen Nachdenklichkeit über unseren Glauben geben zu können.

Was hat sich in Ihnen durch das Buch verändert?
Je länger ich daran geschrieben habe, je mehr ich mit anderen darüber gesprochen habe, desto persönlicher bin ich geworden. Mir ist aufgegangen: Es ist unmöglich, über die Bedeutung des Glaubens zu schreiben, darüber, wie er trägt, wie er aber auch schüttelt und verwirrt und wie er neue Hoffnung macht, wenn ich nicht bei mir persönlich ansetze. Über Religion als Organisationsform des Glaubens kann ich distanziert schreiben. Aber über den Glauben als Boden meines Lebens kann ich nur persönlich sprechen, in aller Bescheidenheit und vielleicht auch in aller Hilflosigkeit und Staksigkeit.

Interview: Matthias Petersen

„Gott ist nicht nett“; Herder Verlag, 16,99 Euro.