Studienprojekt in Bremen

Eine Kapelle als Masterstück

Student vor Kapelle in Bremen

Foto: Anja Sabel

Eine Holzkapelle in Bremen als Kunst im öffentlichen Raum: Nicolas-Friedrich Hohlt hat dieses Experiment gewagt. 

Nicolas-Friedrich Hohlt ist Absolvent der Hochschule für Künste in Bremen. In seinem Abschlussprojekt beschäftigte er sich mit Besinnungs- und Kraftorten – und das nicht nur in der Theorie. Während der Arbeit setzte er sich auch mit dem eigenen Glauben auseinander.

An ein Vogelhäuschen auf Stelzen: Daran erinnert die kleine Kapelle von Weitem. Sie steht auf begrüntem Gelände im Herbstlaub, neben der St.-Hedwig-Kirche in der Bremer Vahr, direkt an einer Hauptverkehrsstraße. Nicolas-Friedrich Hohlt gefiel der Gedanke, einen Ort zu schaffen, der zwischen Himmel und Erde schwebt. Die Stelzenbauweise hatte aber auch einen praktischen Grund: „Ich wollte die Fläche nicht versiegeln“, sagt er.

Der 27-Jährige schaut regelmäßig nach der Kapelle, meistens nach seiner Holz-Arbeitsgemeinschaft mit Grundschülern der St.-Antonius-Schule. Manchmal räumt er Flaschen weg oder Spuren einer Übernachtung. Heute hat er noch schnell ein Hinweisschild angebracht.

Wie gehen Menschen mit einem Kunstobjekt im öffentlichen Raum um? Das findet Nicolas-Friedrich Hohlt spannend. Er hat auch nichts dagegen, wenn ein Obdachloser die Kapelle als Schlafplatz nutzt. Schmierereien oder mutwillige Beschädigungen habe es zum Glück noch nicht gegeben. „Aber falls es passiert, muss ich das aushalten.“

Hohlt, gelernter Tischler, ist Absolvent der Hochschule für Künste in Bremen. Sein Studienfach: Integriertes Design. Anfangs, sagt er, habe er sich eher auf Möbelgestaltung und Skulpturen spezialisiert. „Daraus ist der Wunsch erwachsen, etwas Größeres zu bauen. Möbel und Skulpturen waren für mich immer mehr als Objekte, ich habe einen Mehrwert in ihnen gesehen – eine Seele.“ Schon in seiner Bachelorarbeit befasste er sich mit dem Thema Transzendenz und wollte einen Ort schaffen, der Kraft ausstrahlt. Zunächst losgelöst von Religion und offen für alle. Zum Nachdenken, Beten oder Meditieren. Er entwarf eine runde Form mit Lamellenstruktur, nicht ganz geschlossen. Ein Stein im Inneren, leicht mit Moos bewachsen, diente als Sitzgelegenheit. Das äußere Holz hatte er kontrolliert verbrannt und somit wetterfest gemacht.

Kapelle in Bremen
Die Stelzenbauweise der Kapelle hatte auch einen praktischen Grund: Die Fläche sollte nicht versiegelt werden. Foto: privat

Die Kraft- und Besinnungsorte ließen ihn auch im Masterprojekt nicht los. Diesmal, beschloss er, sollte es eine Kapelle sein. „An die hätte ich mich in meiner Bachelorarbeit noch nicht herangetraut“, gibt er zu. Weil das Thema Religion, besonders die katholische Kirche, unter den Studierenden der Hochschule sehr kontrovers diskutiert wird.

Nicolas-Friedrich Hohlt stammt aus Bad Essen im südlichen Landkreis Osnabrück, ist dort getauft und gefirmt worden. Als Heranwachsender habe er die Kirche skeptisch gesehen, sie schließlich abgelehnt – um sich ihr später Stück für Stück wieder anzunähern. „Ich bin gläubig“, sagt er, „aber ich setze mich ständig mit meinem Glauben auseinander.“ Auch der Kapellenbau, praktischer Teil seiner Masterarbeit, diente dieser kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Glaubensvorstellungen. Hinzu kam, „dass ich mein Projekt vor meinen Kommilitonen und Professoren rechtfertigen musste, sie konnten nicht verstehen, dass ich mit der katholischen Kirche zusammenarbeite“. Er habe es sich eben nicht leicht machen wollen, sagt er und lacht.

Gott ist in allem, und alles ist in Gott.

Zunächst nahm Hohlt Kontakt auf zum Bremer Propst Bernhard Stecker. Den kannte er noch von früher aus Bad Essen, ist bei ihm zur Erstkommunion gegangen. Stecker vermittelte ihn weiter an die Citypastoral. Und schließlich signalisierte Pfarrer Marc Weber im Bremer Südwesten Interesse daran, die Kapelle neben der Kirche St. Hedwig aufzustellen.

Ein Semester lang arbeitete der junge Designer an seinem Masterprojekt – drei Monate davon waren reine Bauzeit. Die kleine Kapelle ist jetzt Teil einer religiösen Gemeinschaft, gesegnet von Dominicus Meier, dem neuen Osnabrücker Bischof. Zugleich ist sie offen für alle, weil die eindeutig christlichen Symbole fehlen. Nicolas-Friedrich Hohlt hofft, dass dieser Spagat gelingt.

Eine lackierte Glasscheibe im Inneren bricht das einfallende Licht und symbolisiert die Sonne, etwas Universelles. Das Spiel des Lichts schafft eine Atmosphäre der Transzendenz und erinnert an die Verbundenheit von Mensch, Natur und dem Göttlichen. Hohlts Gedanke war: „Gott ist in allem, und alles ist in Gott.“ In diesem Sinne soll die Kapelle auch genutzt werden. Unter anderem war ein Adventspaziergang um die Kapelle geplant. Sie ist ein Angebot zum Innehalten, ein Ort für Besinnung und Gebet. Sie soll keinen praktischen Nutzen erfüllen, sondern ein bestimmtes Gefühl offenlegen, „das uns alle mit etwas verbindet, was uns im normalen Alltag nicht mehr begegnet“.

Kapelle in Bremen innen
Die lackierte Glasscheibe im Inneren der Kapelle symbolisiert die Sonne. Foto: privat

Für die berufliche Zukunft hat Nicolas-Friedrich Hohlt genaue Pläne. Gemeinsam mit einer Kommilitonin macht er eine alte Tischlerwerkstatt außerhalb von Bremen wieder flott. Er möchte auch weiterhin Kleinarchitektur gestalten – bevorzugt Kraft- und Besinnungsorte. Die ersten Gespräche mit der Bremer Propsteigemeinde St. Johann für einen christlichen Folgeauftrag laufen schon: Es soll eine Installation entstehen, ein Raum der Barmherzigkeit im Heiligen Jahr 2025.

Was die Zukunft der Kirche angehe, sagt Nicolas-Friedrich Hohlt, „bin ich kein Experte“. Aber auch er sieht, dass die Kirche schrumpft. Seine Antwort darauf sind Räume, die kleiner werden, persönlicher. „Und vielleicht sind meine niedrigschwelligen Räume ja wieder der erste Schritt hin zu einer größeren Gemeinschaft.“

Das Studienprojekt Kapellenbau hat sich für ihn gelohnt. Hohlt sagt: „Mir wurde die Kirche wieder nähergebracht, ich wurde mit offenen Armen empfangen und unterstützt.“ Die Studierenden an der Hochschule für Künste und die katholischen Gemeindemitglieder – das sind und bleiben zwei Welten. „Ich hatte erst Angst, dass das schiefgeht, aber am Ende hat sich gezeigt, dass ein Austausch möglich ist.“

An diesem Nachmittag, es wird schon dunkel, bleibt eine Mutter mit Kind neugierig vor der neuen Info-Tafel stehen. Darauf bittet der Künstler unter anderem, die Kapelle nur einzeln zu betreten und vorher die Schuhe auszuziehen. Soviel Respekt vor Material und Raum, findet er, sollte sein.

Anja Sabel