Kirchenabriss in Wissingen

Emotional eine schwere Entscheidung

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Wird die Herz-Jesu-Kirche in Wissingen abgerissen? Die politische Gemeinde möchte einen Schulneubau auf dem Kirchengrundstück errichten. An einen möglichen Verkauf und Abriss stellen die Katholiken jedoch Bedingungen.


Steht derzeit im Fokus: die katholische Kirche in Wissingen. Sie soll einem Schulneubau weichen. Foto: privat

Aus rein sachlicher Sicht sei die Sache klar, meint Thomas Steinkamp,  Pfarrbeauftragter der Pfarreiengemeinschaft Bissendorf: Ein Gebäude in Wissingen, das sehr stark renovierungsbedürftig und energetisch „eine Katastrophe“ sei, soll abgerissen werden und einem Neubau weichen. Mit dieser Bitte kam jetzt die politische Gemeinde auf die Pfarreiengemeinschaft zu. Die Brisanz besteht darin, dass es sich dabei nicht um irgendein Gebäude handelt, sondern um die katholische Kirche – die Glaubensheimat vieler Menschen, die hier seit gut 60 Jahren Gottesdienste feiern, beten, taufen, heiraten und beerdigen. Die benachbarte Grundschule muss dringend erweitert werden und die Gemeinde sucht ein Grundstück für einen geplanten Neubau. Auf einem für sie geeigneten Grundstück steht allerdings die katholische Kirche. 

Diese „bedeutsame Anfrage“ des Bürgermeisters Guido Halfter sorgt seit Wochen für Unruhe in der Gemeinde. Denn aus emotionaler Sicht sei die Sache eben nicht so klar, so Steinkamp. Viele Gemeindemitglieder äußerten auch Bedenken. Grundsätzlich herrsche aber dennoch Verständnis für das Anliegen, das Grundstück zu überplanen. Auch der Kirchenvorstand entschied sich jetzt dafür. „Wir wollen der Entwicklung des Ortes nicht im Wege stehen“, sagt Steinkamp auch mit Blick auf die Zahlen: Der Grundschulneubau werde täglich von Hunderten Kindern besucht, die Kirche zweimal wöchentlich noch von 30 bis 50 Personen: „Das steht der heutigen Zeit entgegen.“ 

Vorschlag: gemeinsame Nutzung  der evangelischen Kirche

Allerdings knüpft der Kirchenvorstand laut Steinkamp an einen möglichen Verkauf auch Bedingungen: Die Kirche dürfe ausschließlich einem gemeinwohlorientierten Schulneubau weichen und für die Hausmeisterfamilie, die im ehemaligen Pfarrhaus wohne, müsse eine neue Lösung gefunden werden. Auch soll das Gotteshaus nicht ganz verschwinden: Die Idee der Gemeinde ist es, eine kleine Wegkapelle aus Steinen der Kirche zu bauen, die am Rande des Grundstücks aufgestellt werden könnte, so Steinkamp: „Menschen können hier innehalten und sehen, dass hier einmal eine Kirche stand.“ Darüber hinaus solle im Schulneubau ein „Raum der Stille“ eingerichtet werden, der auch anderen Religionen offenstehe. 

Damit Katholiken auch in Zukunft Gottesdienste in Wissingen feiern können, hat die evangelische Pastorin bereits eine Einladung ausgesprochen: „Von ihrer Seite aus stehen die Türen offen“, sagt Steinkamp, der sich über die ökumenische Lösung mit einer gemeinsamen Nutzung der evangelischen Kirche freuen würde: „Das wäre charmant und könnte ein Leuchtturmprojekt werden.“ Allerdings müsse die Landeskirche noch zustimmen und Details wie Kostenaufteilung, Ausstattung der Kirche und Nutzung der Räume geklärt werden. Klar ist für ihn: „Der Gottesdienststandort Wissingen wird nicht aufgegeben.“ Klappe es nicht ökumenisch, müssten neue Lösungen her.

Auch der Bischöfliche Stuhl, dem das Grundstück gehört, ist offen für Verhandlungen. „Wir sehen die Notwendigkeit für Veränderungsprozesse und möchten, dass die Gemeinde nicht mehr unter dem Druck der Gebäudekosten steht“, sagt Christina Jaax, Leiterin der Abteilung Kirchengemeinden. Mit Blick auf die Zukunft des Standortes würde das Bistum eine ökumenische Kooperation begrüßen. Eine mögliche Umsetzung sieht sie aufgrund planerischer Vorläufe aber nicht vor 2025.

Astrid Fleute