Frenswegen verbindet sechs Konfessionen
"Es geht gut miteinander"
Foto: Petra Diek-Münchow
Wenn Pastor Ulrich Hirndorf in diesen Tagen Gäste in Frenswegen empfängt, geht er gern mit ihnen durch den Kreuzgang. Dort hängt eine Fotoausstellung über die Geschichte des früheren Augustiner-Chorherrenstiftes. Und die macht seiner Ansicht nach „wunderbar“ deutlich, wie sich das ehemalige Kloster seit 1974 in eine ökumenische Begegnungsstätte verwandelt hat, die ihresgleichen sucht. „Dieses Haus ist in Europa einzigartig“, sagt Hirndorf.
Er kümmert sich als lutherischer Studienleiter derzeit um das Programm der Einrichtung und kann rasch erklären, was er mit seiner Einschätzung meint. Die gerade 50 Jahre alte Stiftung Kloster Frenswegen vereinigt Katholiken, Lutheraner, Reformierte, Altreformierte, Baptisten und die Herrnhuter Brüdergemeine unter einem Dach. Christen der sechs Konfessionen, Menschen anderer Religionen und unterschiedlicher Herkunft treffen sich hier bei Gottesdiensten, Seminaren, Tagungen, Vorträgen, Konzerten, Ausstellungen, Lesungen – lernen sich dabei kennen und schätzen, bauen Vorurteile und Fremdheiten ab. „Das war damals überhaupt nicht selbstverständlich und sehr progressiv“, sagt Hirndorf und meint die Gründerjahre in den Siebzigern. „Aber seitdem haben wir viel gelernt – vor allem: Es geht gut miteinander.“
"Uns verbindet mehr, als uns trennt"
Der Studienleiter macht das für die Grafschaft Bentheim an Beispielen fest. Diakonie und Caritas als gemeinsame Beratungsstelle – das funktioniert in Nordhorn. Genau wie die ökumenische Kindertagesstätte oder eine Kirche, die sich drei Konfessionen teilen. „Hier sind so viele Dinge entstanden, für die Frenswegen den Boden bereitet hat“, sagt Hirndorf, „in der Erkenntnis: Uns verbindet mehr, als uns trennt.“
Die Atmosphäre in dem ehemaligen Kloster schätzen Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet, die für gut 12 000 Übernachtungen in dem 120-Betten-Haus sorgen. Viele gehören zu musikalischen Gruppen wie die Domkantorei Bremen oder wie der Mädchenchor Hannover. Regelmäßig buchen auch die Militärseelsorge, Seniorengruppen oder Schulklassen das Haus. Sie bringen oft selbst Referenten mit – können aber auch das eigene Programm der Begegnungsstätte nutzen: mit Morgen- und Abendgebet, mit kreativen Angeboten, mit Foren zu ethischen und philosophischen Themen. Wenn die Studienleitung eine neue Veranstaltung plant, lässt sie sich vor allem von einer Frage leiten: Hilft es den Menschen und passt es zum Profil des Hauses?
Dieses Profil möchte Ulrich Hirndorf weiter schärfen. In diesen Wochen geht es voran mit einem ambitionierten Projekt: eine kleine Pilgerherberge direkt neben dem Kloster Frenswegen. Dafür soll auf dem Gelände ein Gebäude umgebaut werden: mit Platz für zehn Betten, einem Gemeinschaftsraum, einer Kapelle samt Blick in einen Naturgarten. „Pilger und Wanderer suchen besondere, interessante, spirituelle, ruhige Orte. Das alles ist Frenswegen“, sagt Ulrich Hirndorf. Zusätzlich plant er rund um das Kloster mit einer Aktionsgruppe ein Netz aus Fuß- und Radpilgertouren. „Damit auf der Pilgerkarte für die Grafschaft kein weißer Fleck mehr ist.“
Nicht mehr nur über Unterschiede sprechen
Was er sich noch für die Zukunft wünscht: dass Frenswegen mehr noch ein Ort wird, an dem die Konfessionen nicht mehr über die Unterschiede sprechen, sondern darüber, wie sie gemeinsam Kirche für die Zukunft weiter denken können – ganz pragmatisch, aber auch mit Mut zu Experimenten „Wir gucken alle immer noch zu viel auf den eigenen Kirchturm“, sagt der lutherische Pastor. Auch für den gesellschaftlichen Diskurs kann das Haus noch wichtiger werden. Genau da sieht er die Verantwortung der Stiftung nach 50 Jahren. „Wir brauchen Orte, wo wir uns zu Wort kommen lassen – wo man sich zuhört und jeden ausreden lässt. Das kann hier in Frenswegen stattfinden.“
Petra Diek-Münchow
Zur Sache
Die Bildungs- und Begegnungsstätte Kloster Frenswegen steht nordwestlich von Nordhorn (Grafschaft Bentheim). Die Geschichte des Gebäudes reicht bis zurück in das Jahr 1394, als hier das Augustiner-Chorherrenstift St. Marienwolde einzieht.1809 wird das Kloster aufgehoben und in den Jahrzehnten danach unterschiedlich genutzt. 1974 gründet sich eine ökumenische Stiftung. Zu diesem Jubiläum zeigt die Einrichtung eine Fotoausstellung im Kreuzgang. Am 19. August gibt es einen Festvortrag über die Bedeutung des Klosters und am 30. September/1. Oktober ein Symposium („Butter bei die Fische“). Mehr Infos: www.kloster-frenswegen.de
Zitiert
Leuchtturm
"Butter bei die Fische” – diese sehr norddeutsche Redensart steht über einer Veranstaltung im Kloster Frenswegen, in der ökumenisch Interessierte und Kirchenleitungen miteinander ins Gespräch kommen wollen. Es geht um “Zeitansagen für künftige Schwerpunkte und nahende Entscheidungen - und zwar ganz konkret”.
Im Nachgang zum ökumenischen Gedenken der Reformation vor mehr als 500 Jahren formulierte Kardinal Kurt Koch ein “Plädoyer für mehr Ökumene”, es ging ihm um Erneuerung und Einheit. Das Reformationsgedenken solle nicht “Schlusspunkt, sondern Doppelpunkt” sein.
Auch wenn in den letzten Jahrzehnten Ökumene immer selbstverständlicher geworden ist, brauchen wir nach meiner Überzeugung als Leuchtturmprojekt das Kloster Frenswegen. Die Entdeckung, dass wir wesentlich mehr gemeinsam haben als das, was uns trennt, ist für viele zwar selbstverständlich geworden. Aber es bleibt immer noch viel zu tun. Können wir eine verbindliche Kirchengemeinschaft anstreben? Wie können wir in unsere ökumenischen Dialoge auch die Kirchen des Ostens einbinden – inzwischen leben viele Tausende aus diesen Ländern bei uns? Wie können wir die Friedensarbeit voranbringen?
Unser gemeinsames Glaubensbekenntnis wird bald 1700 Jahre. Das Augsburger Bekenntnis wird in sechs Jahren 500 Jahre alt. Verpflichtende Geburtstage!
Die ökumenische Gastfreundschaft ist für viele – aber noch nicht für alle – ein möglicher Weg. Ich setze auch auf das, was Bischof Dominicus in seinem Wahlspruch ausdrückt: “Wir werden durch Christus zusammengeführt” – “Per Christum congregamur.” Wenn wir aus dieser biblischen Verheißung leben, kann es noch viel “Butter bei die Fische” geben.
Reinhard Molitor,
Zu Hause
Unsere christlichen Kirchen verbindet das Bekenntnis zu dem einen Gott, der sich uns in Jesus Christus geoffenbart hat und im Heiligen Geist unter uns wirkt. Zugleich haben im Laufe der Geschichte unterschiedliche Einsichten dazu geführt, dass wir über bestimmte Themen verschieden denken und entsprechend differenzierte Kulturen ausgeprägt haben. So entfaltet der christliche Glaube eine bunte Vielfalt. Diese Vielfalt braucht das ökumenische Gespräch, um fruchtbar zu werden, sowohl als Korrektiv als auch bei der Suche nach Gemeinsamkeiten. Wobei sich inzwischen immer mehr herausstellt, dass dasjenige begründungsnötig ist, was wir meinen, nicht gemeinsam gestalten zu können.
Für mich war die Feier des Abendmahls in „Eucharistischer Gastfreundschaft“ beim Ökumenischen Kirchentag in Osnabrück ein Meilenstein, den das Bistum Osnabrück zusammen mit der Lutherischen und Reformierten Kirche gegangen ist. Die ACK-Osnabrück ist sich einig: Dahinter wollen wir nicht mehr zurück. Ökumene lebt, wo Christinnen und Christen gemeinsam das Brot brechen und einander den Kelch reichen. Das Kloster Frenswegen ist ein wunderbarer Ort, an dem Ökumene ein Zuhause hat und der ausstrahlt, was Jesus selbst verheißen hat (Joh 14,2): „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, aber es ist EIN Haus!
Friedrich Selter, ev.-luth. Regionalbischof in Osnabrück