Schüler-Workshop zum Thema Suizid
"Es ist gut, darüber zu reden"
Welche Warnsignale gibt es, wenn ein Jugendlicher suizidgefährdet ist? Das Caritas-Projekt „[AUSWEG]LOS!“ macht Schülerinnen und Schüler auf das Thema aufmerksam und klärt über Hilfsangebote auf.
Marcel ist 28 Jahre alt, lebt in Berlin – und es geht ihm gut. Das war nicht immer so: Seit seinem 18. Lebensjahr litt der junge Mann an einer Depression, quälte sich durch den Alltag. Mit der richtigen Hilfe hat Marcel seinen Weg zurück ins Leben gefunden und ermutigt nun junge Menschen, sich ebenfalls Unterstützung zu suchen, wenn es ihnen schlecht geht.
Gebannt verfolgen die Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-Staehle-Schule in Neuenhaus seine Videobotschaft, die Teil des Workshops „[AUSWEG]LOS!“ ist: Einen Schultag lang setzen sie sich im Rahmen dieses Caritas-Präventionsprojekts mit dem Thema Suizid auseinander, tauschen Gedanken aus und räumen unter fachlicher Begleitung mit Vorurteilen auf. Sieben Klassen der Jahrgangsstufen 8 bis 10 nehmen an dem Workshop teil; zuvor war das Projekt bereits an drei emsländischen Schulen zu Gast.
Erwachsen ist „[AUSWEG]LOS!“ aus dem schon länger bestehenden Online-Beratungsangebot „[U25]“: Junge Menschen können sich dabei mit ihren Sorgen und Fragen per E-Mail melden. Die Hilfegesuche werden von ehrenamtlichen jungen Beraterinnen und Beratern im Alter von 16 bis 25 Jahren – den sogenannten „Peers“ – vertraulich beantwortet. Der Caritasverband für den Landkreis Emsland ist einer von elf „[U25]“-Standorten in Deutschland.
Mit der Zeit gingen allerdings auch immer wieder Anfragen von Schulen ein, ob es nicht möglich wäre, vor Ort Aufklärungsarbeit zum Thema Suizid zu leisten. Es entstand die Idee, ein Angebot für Schulen zu entwickeln.
Dass es hierzu Gesprächsbedarf gibt, weiß auch Stephanie Soumah, die seit rund 14 Jahren als Schulsozialarbeiterin an der Wilhelm-Staehle-Schule in Neuenhaus tätig ist: „Ich habe immer wieder mit Schülerinnen und Schülern zu tun, die Suizidgedanken äußern – oder die von Freunden erzählen, die solche Gedanken haben. Umso wichtiger ist es, zu vermitteln, dass man darüber sprechen darf.“ So sei etwa der Irrglaube verbreitet, man fördere solche Vorhaben, wenn man Betroffene darauf anspricht. „Selbst ich als Fachfrau dachte das“, sagt Soumah. „Aber das Gegenteil ist der Fall.“
Nicht verstecken, sondern Hilfe annehmen
Die „[AUSWEG]LOS!“-Workshops berichtigen noch eine Reihe weiterer falscher Annahmen: „Menschen, die mit Suizid drohen, wollen nur Aufmerksamkeit erhalten!“, „Wer an Suizid denkt, ist verrückt!“ oder „Suizide ereignen sich hauptsächlich in der Stadt, nicht auf dem Land.“ Durch eine ansprechende Methodik werden die schweren Inhalte so aufbereitet, dass die Jugendlichen einen Zugang finden und sich aktiv damit befassen können.
Oberstes Gebot: Alles muss auf Augenhöhe vonstatten gehen. Deshalb ist neben der hauptamtlichen Mitarbeiterin Christina Jaspers auch stets eine oder einer der ehrenamtlichen „Peers“ aus der „[U25]“-Beratung dabei, die auf die Tätigkeit vorbereitet wurden – im Fall von Neuenhaus eine 19-jährige Gymnasiastin aus Lingen. Sie sagt: „Natürlich beschäftigen mich die Probleme der Jugendlichen, aber es ist ein gutes Gefühl, helfen zu können.“
Bei den Schülerinnen und Schülern kommt der Unterrichtstag gut an: „Es ist gut, dass man darüber redet. Über so ein Thema wird ja sonst eher geschwiegen“, meint ein Schüler. Und ein anderer sagt: „Mir hat es gezeigt, dass wir uns mit Problemen nicht verstecken müssen, sondern Hilfe annehmen sollten.“
Marcel aus Berlin, der selbst Unterstützung durch die Caritas erhielt, fasst sein Anliegen mit zwei wesentlichen Botschaften an die Jugendlichen zusammen – und dem schließen sich auch die Initiatoren von „[AUSWEG]LOS!“ an: „Du bist kein Freak und nicht weniger liebenswert, wenn du Suizidgedanken hast!“, und: „Es gibt immer einen Ausweg, der zwar hart und unangenehm sein kann, sich am Ende aber lohnt.“
Sebastian Hamel
Finanziert wird das Projekt über die Gesundheitsämter. Die aktuelle Finanzierung läuft noch bis Mai, interessierte Schulen können sich melden bei: Christina Jaspers, Telefon 05 91/80 06 23 07 oder per E-Mail: cjaspers@caritas-os.de.